Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
50.000 Neuinfektionen in Frankreich
Die Regierung plant drastische Maßnahmen. Die Schulen sollen jedoch weiter geöffnet bleiben.
PARIS Frankreich gelingt es nicht, die Corona-pandemie wirksam einzudämmen. Zum ersten Mal hat die Zahl der täglichen Neuinfektionen die Marke von 50.000 überstiegen. Jean Rottner, Präsident der deutsch-französischen Grenzregion Grand Est, ist angesichts dieser Entwicklung alarmiert. Im Nachrichtendienst Twitter schreibt der Politiker, dass das Land „auf einen Lockdown“zusteuere. Allerdings, vermutet Rottner, werde dieser anders aussehen als während er ersten Corona-welle im Frühjahr. Damals war die französische Wirtschaft durch eine rigorose Ausgangssperre schwer in Mitleidenschaft gezogen worden.
In einem Interview mit dem Radiosender France Info präzisierte Rottner: Die Wirtschaft müsse weiter funktionieren, Arbeitsstunden könnten etwa besser verteilt, das Homeoffice könne ausgeweitet werden, die Schulen sollten weiter geöffnet bleiben. Wichtig sei es aber, dass alle Verantwortlichen schon jetzt über mögliche harte Maßnahmen offen diskutierten und nicht erst, wenn die Infektionszahlen weitere kritische Werte übersteigen. Die Regierung müsse deshalb schnell das Gespräch mit Arbeitgeberverbänden
und Gewerkschaften suchen.
Auch Jean-françois Delfraissy warnt vor einer gefährlichen Entwicklung. Der Leiter des wissenschaftlichen Ausschusses, der die französische Regierung berät, sagte, dass die Pandemie in Frankreich bis auf 100.000 Neuinfektionen pro Tag anwachsen könnte. Die „Situation ist sehr schwierig, sogar kritisch“, sagte der Mediziner in einem Interview mit dem Sender RTL. Er sei erstaunt von der „Brutalität“, mit der die Pandemie voranschreite. „Diese zweite Welle wird sicherlich viel stärker als die erste“, erklärte Delfraissy.
Frankreich gehört zu den am schwersten vom Coronavirus betroffenen Ländern in Europa. Seit Beginn der Pandemie starben fast 35.000 Menschen in Zusammenhang mit dem Virus. Derzeit werden den Angaben zufolge mehr als 2570 Menschen auf Intensivstationen behandelt. Als zweites europäisches Land nach Spanien hatte Frankreich am Freitag die Marke von einer Million nachgewiesenen Corona-infektionen überschritten.
In den Griff bekommen will die französische Regierung die Lage unter anderem mit der Ausweitung der Ausgangssperre vor allem in den großen Städten des Landes. Davon sind inzwischen rund zwei Drittel
der Bevölkerung betroffen. Seit Samstag dürfen 46 Millionen Franzosen ihre Häuser in der Zeit zwischen 21 Uhr und 6 Uhr nicht verlassen. Die Regelung gilt zunächst für sechs Wochen.
Im deutsch-französischen Grenzgebiet sollen sich die chaotischen Zustände während der ersten Welle nicht wiederholen. „Neue Grenzschließungen und eine Rückkehr zu einer ähnlichen Situation wie im Frühjahr dieses Jahres müssen unter allen Umständen vermieden werden“, erklärte jüngst der französische Vorsitzende der deutsch-französischen Parlamentarier-versammlung, Christophe Arend.
Aus diesem Grund hat sich die deutsche Seite inzwischen auf eine einheitliche Regelung von Einreisen ins Bundesgebiet geeinigt – überaus wichtig sind dabei die Ausnahmen für den kleinen Grenzverkehr. Das bedeutet konkret, dass ab 8. November die Quarantäne nach der Einreise aus einem ausländischen Risikogebiet von 14 auf zehn Tage verkürzt wird. Nach frühestens fünf Tagen kann sie mit einem negativen Corona-test abgekürzt werden. Neu ist, dass es – anders als zu Beginn der Pandemie – umfassende (Ausnahme-)regelungen für Grenzregionen gibt.