Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Üble Nachrede wird zum Albtraum
Ein Mann verleumdet einen Arzt. Nun hat das Berufungsverfahren begonnen.
KÖLN (hsr) Anfang November vergangenen Jahres geht beim Landeskriminalamt NRW eine Selbstanzeige ein. Ein Kölner Arzt bezichtigt sich darin: „Ich bin pädophil und habe regelmäßig nach Operationen Kinder im Aufwachraum missbraucht.“Noch am Abend wird der Arzt vor seinem Haus in Köln-lindenthal festgenommen und eine ganze Nacht im Präsidium vernommen. Der Verdacht gegen ihn lässt sich aber nicht erhärten.
Die vermeintliche Selbstanzeige war von einem Mann aus Dormagen verfasst worden, Janosch H., der in Köln lebt. Er hatte auch auf Twitter zwei Accounts mit dem Klarnamen des Arztes angelegt und diverse Tweets darüber abgesetzt. In einem stand: „Morgen erst mal schön ins Schwimmbad. Vielleicht finde ich dort einen kleinen Jungen, der mich befriedigt.“Die Ermittler fanden heraus, dass die Online-selbstanzeige vom Computer eines Internet-cafés abgeschickt worden war. Da der Raum vom Betreiber des Cafés videoüberwacht wurde, kamen sie H. auf die Spur.
Die Staatsanwaltschaft klagte den 37-Jährigen wegen Verleumdung, falscher Verdächtigung und Freiheitsberaubung an. Und der Mann, der zuletzt als Online-redakteur und Personaldisponent gearbeitet hatte, bekam eine hohe Strafe: Im Mai dieses Jahres verurteilte eine Amtsrichterin ihn zu drei Jahren Haft. Weil er Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt hatte, kam es nun zum Berufungsverfahren vor dem Landgericht Köln.
Der Arzt, der in einer Gemeinschaftspraxis und in mehreren Kölner Kliniken als Hals-nasen-ohren-facharzt gearbeitet hat, tritt als Nebenkläger im Prozess auf. Er ist in all den Monaten wieder und wieder sein komplettes Leben in Gedanken durchgegangen, um für sich klären zu können, aus welchem Grund H. ihn verleumdet hat. Das erzählt er am Rande des Prozesses. „Ich kenne ihn nicht, er war auch nie mein Patient“, sagt er. Er will wissen, welches Motiv der Angeklagte hatte. Im ersten Prozess hatte H. lediglich von einer „psychischen Ausnahmesituation“gesprochen.
Für den Arzt und seine Frau hatte die Tat schwere Folgen. Der Arzt hat Schlafstörungen und Bluthochdruck, seine Frau macht eine Psychotherapie. Sie haben sich lange kaum vor die Tür gewagt, weil sie Angst vor körperlichen Übergriffen hatten. Das Paar hat drei erwachsene Söhne. Janosch H. soll vor seiner Festnahme auch die Wand einer Klinik beschmiert haben mit dem vollen Namen des Arztes, den er auch hier als Pädokriminellen bezeichnete. Der Arzt hatte in seiner Freizeit als Tanztrainer für Jugendliche gearbeitet – dieses Hobby gab er auf, auch aus Angst vor übler Nachrede.
Doch der Albtraum ist noch nicht vorbei. In der JVA Köln bedrohte H. den Arzt im Gespräch mit einer Sozialpädagogin, wie am Dienstag bekannt wird. „Eigentlich ging es in unserem Gespräch um organisatorische Dinge“, sagt die 43-Jährige im Zeugenstand. Doch dann habe H. einen emotionalen Ausbruch gehabt. „Ich mache so lange weiter, bis ich den Alten hängen sehe“, habe er zu ihr gesagt. Ihm sei egal, ob er noch weitere fünf Jahre sitzen müsse. „Ich wollte das Gespräch stoppen, aber er hat sich immer mehr reingesteigert“, sagt die Zeugin. Das Ganze sei ein Racheplan, weil der Sohn des Arztes versucht habe, die Ex-freundin von Janosch H. zu vergewaltigen – so der Vorwurf des Angeklagten. Mit den Worten „Sie reden sich ja um Kopf und Kragen“habe sie das Gespräch beendet, sagt die Sozialarbeiterin, die den Vorfall dann bei der Jva-leitung meldete.
Eine psychiatrische Sachverständige sollte H. begutachten, doch er weigerte sich, mit ihr zu sprechen. Im Prozess werden nun weitere Zeugen gehört. Auch der Arzt muss noch einmal in den Zeugenstand. Und nun vielleicht auch einer seiner Söhne. Wenigstens die hatte er aus dem Prozess heraushalten wollen. Der Angeklagte wollte sich am Dienstag nicht äußern. Ein Urteil wird im November erwartet.