Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Die Kanzlerin geht voran
Wenn man wissen will, was Deutschland noch alles bevorstehen kann, muss man zu den europäischen Nachbarn schauen: Aufgewühlte Menschen demonstrieren gegen coronabedingte Einschränkungen in den Straßen Italiens. Gleichzeitig richten französische Ärzte einen dringlichen Appell an ihre Regierung, den dramatischen Anstieg der Infizierten-zahlen zu stoppen.
Einschnitte in die Grundfreiheiten der Menschen versus Schutz der Bevölkerung – es ist derzeit die Herausforderung jeder Regierung. Das Kanzleramt legte am Mittwoch massive Maßnahmen vor, die Länder folgten dieses Mal der harten Linie der Bundeskanzlerin. Angela Merkel hat in dieser Woche das Heft des Handelns wieder an sich genommen.
Zu Recht – denn es braucht in der Pandemie eine Regierungschefin, die vorangeht. Die Kanzlerin treibt seit Beginn der Corona-pandemie die Sorge vor überfüllten Intensivstationen um, die möglicherweise die Entscheidung von Medizinern notwendig machen, wer noch behandelt wird. Diese furchtbare Abwägung zu verhindern, war und ist die oberste Prämisse der Kanzlerin. Als die Zahlen sanken, fanden die Länder zu eigenen Maßnahmen. Merkel und die Ministerpräsidenten wirkten voneinander genervt.
Nun rief die Kanzlerin die Länderchefs schneller wieder zu sich als geplant. Am Donnerstag gibt sie eine Regierungserklärung ab. Es ist gut, dass sie vorangeht; dass es einen konkreten Plan gab, ist wertzuschätzen. Merkel sprach von einem „schweren Tag für politische Entscheidungsträger“und von einer „nationalen und befristeten Kraftanstrengung“. Sie weiß, dass es viel Kritik an den von ihr vorangetriebenen Hammer-maßnahmen geben wird – oft zu Recht.
Aber Merkel weiß auch: Am Ende wird sie als Regierungschefin die Verantwortung tragen für ein Land in einer nie dagewesenen Krise mit Tausenden Opfern.