Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Theater sind systemrelevant
Erstens: Das Virus breitet sich vor allem dort aus, wo Menschen ihre Freizeit verbringen und sich leichtsinniger als sonstwo verhalten. Zweitens: Es gibt ausgewiesene Orte, an denen Freizeit verbracht wird. Also müssen – drittens – diese Orte erst einmal wieder dichtgemacht werden, wie es der Krisengipfel von Bund und Ländern beschlossen hat. Hört sich zunächst logisch an, dürfte aber für die davon betroffenen Theater, Oper- und Konzerthäuser verheerende Folgen haben.
Denn ums nackte Überleben kämpfen zunächst weniger die staatlichen, öffentlich finanzierten Kultureinrichtungen, sondern die vielen mittleren und kleinen, oft nicht weniger populären Veranstalter. Gerade die kleinen Theater haben sich eine Menge einfallen lassen, um ihre Häuser zu geschützten Räumen werden zu lassen. Sie haben jene Kreativität an den Tag gelegt, die sie sonst abends auf der Bühne zeigten. Und so wurden Theater mit ihren Hygienekonzepten bislang nicht als Corona-hotspots identifiziert. Das hängt auch mit den naturgemäß großen Räumen, den guten Lüftungsanlagen zusammen.
Theater sind gesellschaftlich schützenswerte Räume, in denen das Ungedachte gedacht werden darf und muss, um die Leute auf neue Gedanken zu bringen. Theater sind nie systemkonform und genau darum in freiheitlichen Gesellschaften in hohem Maße systemrelevant. Wer dort den Riegel vorschiebt, nimmt der Gesellschaft die Luft zum Atmen. Eine generelle Schließung zeigt zudem mangelnden Respekt denjenigen gegenüber, die oft ihr Leben der Kultur verschrieben haben. Und das viel zu oft selbstlos.
Neue Schutzmaßnahmen sind angesichts des dramatischen Infektionsgeschehens dringend notwendig. Auch in der Kultur. Doch sie bedürfen der Differenzierung und des wertschätzenden Augenmaßes. Die Theater verdienen es. Die Gesellschaft braucht sie.