Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Hoppeditz erwacht nur im Video-chat
Karnevalisten veröffentlichen den Nüsser Appell, der faktisch die Absage der Session bedeutet. Das Prinzenpaar verlängert bis 2022.
NEUSS Der Hoppeditz wird erwachen – aber nur rein digital. „Als kleines Zeichen der Hoffnung“, sagte Andreas Picker am Mittwochabend, als der Präsident des Karnevalsausschuss Neuss (KA) mit Bürgermeister Reiner Breuer im Ratssaal den „Nüsser Appell 2020“unterzeichnete. Faktisch sind mit dieser Erklärung so gut wie alle Karnevalsveranstaltungen abgesagt.
Damit tritt auch der Plan B in Kraft, für den sich das Ka-präsidium schon im Sommer das Okay der Mitgliedsvereine geholt hat: Mark und Nicole Könnecke, das designierte Prinzenpaar der Stadt Neuss, bekommt – genau wie schon vom Kölner Dreigestirn bekannt – eine zweite Session. Neuer Stichtag für ihr großes Finale: Sonntag, 27. Februar, 2022. Dann ist wieder Kappessonntag – und hoffentlich auch wieder (mal) ein Umzug.
Vor genau einem Monat hatte sich Ka-präsident Picker noch sehr viel trotzig-optimistischer geäußert. Die Session werde nicht ausfallen, sagte er damals und kündigte einige Leuchtturmprojekte und viele kleinere Veranstaltungen an. Das Hoppeditzerwachen wollte er damals retten, in dem er die Veranstaltung vom Münsterplatz in den Rathausinnenhof verlegt, zu dem man den Zugang gut steuern kann. Auch diese Idee mussten die Karnevalisten angesichts der Infektionslage jetzt aufgeben.
Auf die scharfzüngige Rede von Hoppeditz Dieter Braukmann müssen die Neusser zwar nicht verzichten, doch wird er diese vor einer Video-kamera und nicht in der Öffentlichkeit halten. Damit seine Rekelei nicht wie die Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten wirkt, will Picker mit seiner Kombo noch einmal nachschärfen. „Wir suchen nach Ideen, wie wir das etwas peppiger machen können.“Vielleicht mit einem Tusch vom Band?
Der Rückzug der Narren hatte sich schon am Sonntag abgezeichnet. In einem Interview in einer Sondersendung von „Funken-tv“verkündete Andreas Stuhlmüller, was der Vorstand der KG „Blaue Funken“nur Stunden vorher verkündet hatte. Demnach sagt die größte Neusser Karnevalsgesellschaft nicht nur alle eigenen Veranstaltungen ab – das hatte sie bis auf das Hoppeditzerwachen schon vorher getan – sondern kündigte auch an, dass die Funken bei keiner wie auch immer gearteten Veranstaltung in der Session in Uniform oder gar mit Standarte auftauchen werden. Ja, die 200 Mitglieder sind gehalten, sich auch privat in diesem Sinne enthaltsam zu zeigen.
Mit ihrer klaren Positionierung stehen die Funken in dieser Deutlichkeit noch alleine. „Es wäre falsch, von einem allgemeinen Trend zu sprechen“, sagt Picker, obwohl Vorsitzende anderer Gesellschaften sich ihm gegenüber gleichfalls skeptisch geäußert hätten. Zum Besuch am Rathaus kamen am Abend denn auch 28 Karnevalisten – was auf eine recht breite Beteiligung der Gesellschaften schließen lässt. Das designierte Prinzenpaar allerdings fehlte. Prinz „Mark I. in spe“hatte sich am Dienstag krank gemeldet. Das Prinzengelöbnis, das die neuen Tollitäten bei dieser Gelegenheit unterzeichnen sollten, werden sie später ablegen. Wann, weiß Picker nicht. Vielleicht beim Hoppeditzerwachen im Videochat.
Statt Gelöbnis gab es im Ratssaal also den Nüsser Appell. Weil schunkeln, feiern und eng beisammen sein in Corona-zeiten nicht möglich sind, wird es keine Karnevalssitzungen, keine Partys, keinen Kneipen- und keinen Straßenkarneval und erst recht keinen Kappessonntagszug geben, heißt es darin zur Klarstellung. Und an die Neusser richten Bürgermeister und Karnevalisten den Appell: „Verzichtet auf die jecke Feierei. Haltet Euch an die Regeln, Übernehmt Verantwortung für die Gesundheit von allen.“
Die Karnevalskultur aber will der KA mit seinen Mitgliedsvereinen trotzdem irgendwie aufrecht erhalten. Prinz und Novesia sollen – irgendwie – Frohsinn verbreiten. Wenn sie denn überhaupt „richtig“ins Amt kommen. Ihre Proklamation ist nicht mehr sicher.