Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Babylon Grevenbroich mit ungeklärtem Mord
Die Tv-serie „Babylon Berlin“fasziniert Millionen, passend dazu zeigt das Museum eine Ausstellung über Grevenbroich in den 20ern – samt Dokumenten über einen vor 97 Jahren begangenen Mord.
GREVENBROICH Nicht enden wollende, ausgelassene Partynächte mit Paillettenkleidern und Bubikopf – das Lebensgefühl der 20er Jahre in der Hauptstadt Berlin mit ihren Bars und Tanzpalästen war angesichts der Weltwirtschaftskrise 1929 und der an Einfluss gewinnenden Nationalsozialisten ein kurzer Tanz auf dem Vulkan. Die 20er Jahre stehen nicht nur in der Fernsehserie „Babylon Berlin“im Fokus, sondern bald auch im Museum der Niederrheinischen Seele in Grevenbroich. Museumsleiter Thomas Wolff und sein Team bereiten dort zurzeit die neue Ausstellung „Umbruch und Erneuerung – Zeitreise in die 1920er Jahre“vor.
„Hundert Jahre nach den 1920er Jahren liegt es nahe, auf diese interessante Zeit zurückzublicken“, sagt Wolff. „,Babylon Berlin’ wird sicher zum Interesse beitragen.“Er hofft, „dass wir die Ausstellung angesichts der Pandemie-entwicklung Mitte November zeigen können, eine Eröffnung wird es nicht geben“, sagt Wolff. Bis Anfang März soll die Ausstellung dauern.
Politischer Mord? Rauschende Partys sind also nicht angesagt. Doch Wolff kann gegenüber „Babylon Berlin“und dem Kampf der Ermittler Gereon Rath und Charlotte Ritter gegen die Berliner Unterwelt mit einem vermutlich politisch motivierten Mord aufwarten. Der wurde bis heute nicht aufgeklärt. „1923 wurde Joseph Lang, der Mitglied der Kommunistischen Partei war, auf der Straße zwischen Elfgen und Fürth erschossen“, berichtet Wolff. „. . .mit mehreren Revolverschüssen ermordet“, notiert eine Zeitungsmeldung, ein Raubmord liege anscheinend nicht vor. Vier Patronenhülsen seien gefunden worden. „Wir zeigen in der Ausstellung Dokumente mit Aussagen eines Freundes, der verdächtigt wurde und in Untersuchungshaft saß“, berichtet Wolff.
Mord gab es in den 1920er Jahren eben nicht nur in der Hauptstadt Berlin. Und wie sah es mit der zuweilen ausufernden Lebenslust der dem Ersten Weltkrieg Entronnenen aus? „Grevenbroich war nicht Berlin“, sagt Museumsleiter Wolff. Das heiße nicht, dass in den Sälen und Kneipen der Stadt nicht ausgiebig gefeiert worden wäre. „Und im Kaufhaus Bachrach, später Coens, gab es Modenschauen“. Doch im Mittelpunkt habe die Bewältigung der wirtschaftlichen Probleme gestanden.
Besetzung und Hyperinflation Nach dem Kriegsende 1918 ging es nämlich im Rheinland keineswegs schnell bergauf. Die Besetzung durch französische und belgische Truppen mit Einquartierungen, die Inflation, bei der die Scheine schließlich in Schubkarren transportiert wurden, politische Auseinandersetzungen
und die Separatisten-bewegung prägten das Leben.
Aufschwung und neue Infrastruktur Erst 1924 sollte es in der Weimarer Republik wieder aufwärts gehen, in nur fünf Jahren bis zur wirtschaftlichen Depression wurde Erstaunliches erreicht. „Das Erftwerk wurde ausgebaut, der Tagebau bei Frimmersdorf
erschlossen, das erste Kraftwerk dort gebaut“, schildert Thomas Wolff. Auch die Infrastruktur in Grevenbroich sei damals erheblich erweitert worden. So wurden neue Wasserwerke errichtet, etwa in Zweifaltern. Der Ostwall sei zur Umgehung ausgebaut worden. „Und der Bauverein wurde gegründet, um Wohnraum zu schaffen.“
Neue Sachlichkeit All das soll in Dokumenten in der 1920er-jahre-ausstellung anhand von historischen Fotografien, Dokumenten, einer Firmen-stechuhr und anderer Alltagsgegenstände dokumentiert werden. Bereits eingetroffen sind 15 Bilder, die aus der Sammlung des Wiesbadener Sammlers Frank Brabant stammen und der Stilrichtung der
„Neuen Sachlichkeit“angehören, einer wichtigen Kunstrichtung in der Republik. „Schnörkellos, sachlich“, beschreibt Wolff. Das Sichtbare steht im Mittelpunkt, etwa beim Bild von Otto Möller, das den Bahnhofsplatz in Steglitz samt Straßenbahn zeigt. Auch neue Technik ist Thema, etwa beim „Telegraphenarbeiter“von Gustav Wiethüchter von 1920.