Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Grüne: „NRW kein Spielball um die Kanzlerschaft“
DÜSSELDORF Es schwang eine gewisse Ungläubigkeit mit, als Raoul Roßbach, politischer Landesgeschäftsführer der Grünen NRW, um 14 Uhr auf seine Uhr blickte. Punktlandung beim Landesparteirat der Grünen. Wie angesetzt war nach vier Stunden Diskussion Schluss. Das ist für eine debattenfreudige Partei, wie es die Grünen nun mal sind, extrem ungewöhnlich. Disziplinierend wirkte wohl in erster Linie das Format selbst. Corona-bedingt hatten sich die Grünen für einen digitalen Parteirat entschieden. Die Delegierten saßen alle brav daheim. Nur das Sitzungspräsidium, die Vorsitzenden Mona Neubaur und Felix Banaszak und eben Roßbach waren physisch vor den Kameras im Streaming-studio der Düsseldorfer Parteizentrale anwesend. Und so bekam der Zuschauer eine Menge Einblicke in die Arbeitszimmer prominenter Nrw-grüner geboten, die immer wieder zugeschaltet wurden. Die neue Co-fraktionschefin im Düsseldorfer Landtag, Verena Schäffer, hatte vorher schon bei Twitter geschrieben, sie sei gespannt, wie lange sich ihre Kinder auf Distanz halten lassen. Die platzten dann auch gleich sehr charmant bei Schaeffers Redebeitrag herein. Ansonsten war das Format geprägt von dem, was Homeoffice-mitarbeiter derzeit landauf, landab erleben dürfen: Je nach Internetverbindung konnten die Redebeiträge schon mal etwas holprig und abgehackt ausfallen.
Inhaltlich arbeiteten sich die Redner an der Arbeit der Landesregierung ab. „Aus dem Prinzip Hoffnung von Armin Laschet muss endlich das Prinzip Vorsorge entstehen“, sagte Grünen-co-chefin Mona Neubaur. „Es ist fahrlässig, jetzt so zu tun, als wäre Nordrhein-westfalen ein Spielball um die Bundeskanzlerschaft.“Ihr Co-vorsitzender Felix Banaszak verwies auf die Unsicherheit, in der sich derzeit viele Berufsgruppen bewegten. Beispielhaft nannte er die Pflegekräfte. „Applaus für Beschäftigte reicht nicht“, sagte er. Die Co-fraktionschefin Josefine Paul nutzte ihren Redebeitrag, um in diesem Zusammenhang von der Landesregierung einen Ausbau des sogenannten Freiwilligenregisters zu fordern.
Sigrid Beer, schulpolitische Sprecherin, knöpfte sich Ministerin Yvonne Gebauer (FDP) vor. Die Landesregierung habe mit ihrer Politik die Schulen systematisch an ihre Belastungsgrenzen gebracht, sagte die Grünen-politikerin. Mit Blick auf die ablehnende Haltung gegenüber dem Vorstoß der Stadt Solingen, Schüler hälftig in Präsenz und auf Distanz zu unterrichten, sagte sie, Gebauer habe sich in einen Tunnel begeben. Dort höre sie nur die eigene Stimme sehr laut, die anderen nicht. „Wir brauchen keine Ministerin, die sich hinter der Kultusministerkonferenz versteckt.“