Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Ralph Brinkhaus – der vierte Mann?
Noch ist nicht ausgeschlossen, dass der Unionsfraktionschef für den CDU-Vorsitz kandidiert. Er geht mit der Partei kritischer um, als es Kollegen lieb ist.
BERLIN So sauer haben sie Volker Bouffier in diesem Kreis noch nicht erlebt. Schwarz geärgert hat sich der langjährige hessische Ministerpräsident und stellvertretende CDU-Vorsitzende über den Chef der Unionsfraktion im Bundestag, Ralph Brinkhaus. Der hatte es gewagt, in der Aussprache über die Regierungserklärung von Angela Merkel zur Corona-Politik von Bund und Ländern der Kanzlerin Führungsschwäche und den Ministerpräsidenten mangelnde Bereitschaft zur Kostenübernahme vorzuhalten. Die Opposition fand das gut, etliche Abgeordnete von CDU und
CSU ebenso, jedenfalls applaudierten sie. Bouffier fand es unmöglich.
Schließlich übernähmen auch die Länder Milliarden-Kosten und die Ministerpräsidenten die Verantwortung, betonen Regierungschefs der CDU. Da brauche man sich so etwas nicht vorhalten zu lassen. Harsch war am Montag in der Sitzung der Parteiführung der Ton des 68-jährigen Bouffier, den man sich ob seiner markanten Stimme als Märchenerzähler vorstellen kann.
Das wäre alles vielleicht gar nicht so bemerkenswert, gäbe es nicht diese Spekulationen, Brinkhaus – wie alle drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz aus Nordrhein-Westfalen – könnte als vierter Mann ebenfalls die Partei nach Annegret Kramp-Karrenbauer führen wollen. Richtig ausgeschlossen hat der 52-Jährige eine Kandidatur bisher nicht. Er antwortet auf solche Fragen immer, dass er auf seinem Posten noch wichtige Dinge zu klären habe, oder dass es schon viele Bewerber aus NRW gebe. Aber das wären ja keine Ausschlussgründe.
Im Konrad-Adenauer-Haus heißt es, sollten sich noch andere als NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz und Außenexperte Norbert Röttgen berufen fühlen zu kandidieren, müssten sie es bald tun. Der Parteitag ist für Mitte Januar geplant. Eine Bewerbung brauche
Vorlauf. Allerdings hat niemand vergessen, wie Brinkhaus 2018 mit offenem Visier zu Merkel – sie war damals noch Parteichefin – marschierte und ankündigte, dass er gegen deren Vertrauten Volker Kauder bei der Wahl um den Fraktionsvorsitz antreten wird. Kauder führte damals die Fraktion seit 13 Jahren, Brinkhaus war seit vier Jahren sein Stellvertreter. Merkel setzte auf Kauder, mit dem sie ihre letzte Legislaturperiode zu Ende bringen wollte – und verlor. Brinkhaus machte das Rennen und verschaffte sich in der Partei mit seinem transparenten und kampfesbereiten Vorgehen Respekt.
Brinkhaus ist ein guter Redner, immer ohne Manuskript, er kann sich ärgern, er kann loben und mitreißen. Und er sei ein Mann der Mitte, allerdings durchaus in Abgrenzung zu Merkel, das hätten Laschet, Merz und Röttgen so nicht, sagt ein CDU-Mitglied. Öffentlich äußern will sich derzeit keiner gern. Dass Christian Hirte aus dem Landesverband Thüringen, der viel Sympathie für Merz hat, Anfang November Brinkhaus ins Gespräch brachte, könne auch ein Testballon aus dem Merz-Lager gewesen sein, heißt es. Das Brinkhaus-Lager habe sich aber nicht provozieren lassen. Bis zum Parteitag sei noch genügend Zeit für eine Überraschung. Das sind nur noch gut sechs Wochen.