Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Löw ist nur ein Spielball
ANALYSE Beim DFB-Streit geht es nur vordergründig um die Zukunft des Bundestrainers. Hinter den Kulissen tobt ein erbitterter Machtkampf.
FRANKFURT Die Zukunft von Joachim Löw ist beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) gar nicht so das Thema. Natürlich beschäftigt man sich auch beim größten Sportverband mit der Frage, was aus dem Bundestrainer wird. Doch viel mehr beschäftigt die Funktionäre, wer welche Entscheidungen trifft. Es geht nicht um die Person Löw, sondern das Konstrukt drumherum. Hat wirklich Präsident Fritz Keller das letzte Wort oder muss der sich dem beugen, was der sogenannte Präsidialauschuss beschließt?
Um die Zusammenhänge zu verstehen, muss man etwas weiter zurückblicken. Von Präsident zu Präsident beim DFB haben sich in den vergangenen Jahren die Befugnisse immer mal wieder verschoben. Am Ende waren die an der Spitze immer besonders mächtig, die sich starker Verbündeter in den Landesverbänden sicher sein konnten. Nun ist die aktuelle Gemengelage aber extrem komplex. In Keller ist ein DFB-Präsident im Amt, der auf dem Ticket des Profifußballs läuft. Er verfügt also über keine natürliche Hausmacht innerhalb des Verbands. Genau genommen verfügt er überhaupt nur über sehr spärliche Mittel.
Nach der Demission seines Vorgängers Reinhard Grindel war beim
DFB schnell klar, dass es wohl einen externen Kandidaten geben müsste. Alles andere wäre nach dieser selbstgeschaffenen Katastrophe niemandem vermittelbar gewesen. Und so war man zwar zur Öffnung bereit, aber nicht ohne ein paar Vorkehrungen zu treffen. Und nun kommt Rainer Koch ins Spiel. Der mächtige Präsident des Fußball-Verbands Bayern ist seit Jahren so etwas wie der Schatten-Präsident des DFB. Ohne seine Zustimmung wird nichts entschieden. Eben dieser Koch hat im Hintergrund daran eifrig gewerkelt, die Machtbefugnisse des neuen Präsidenten in engen Bahnen zu lenken.
Der Plan war also, dass Fritz Keller das Gesicht nach außen würde, man aber ja Tatsachen geschaffen hatte, wo nach die eigentliche Macht vom Präsidialausschuss ausginge. Der Winzer Keller hat überraschender Weise aber einen eigenen Kopf und ist nicht Willens, sich fremdbestimmen zu lassen. Und so hat er auch eine eigene Taktik gefahren im Umgang mit Löw. Keller hätte es gerne gesehen, dem Bundestrainer einen geordneten Rückzug anzubieten. Und ihm offenbar vorgeschlagen, nach der EM (obwohl sein Vertrag bis nach der WM datiert wäre) doch bitteschön abzutreten.
Von dem Austausch zwischen Keller und Löw kann das nur einem inneren Kreis von maximal zehn Personen bekannt gewesen sein. Offenbar deutlich zu groß. Denn schon kurze Zeit später waren zuerst „Süddeutsche Zeitung“und dann „Bild“informiert. Allerdings mit unterschiedlichen Motivationen. Ein Interesse bestand augenscheinlich darin, Fritz Keller besonders dümmlich dastehen zu lassen. Als habe er sich wie ein kleiner Schuljunge daran verhoben, Löw mal ordentlich die Leviten zu lesen.
In den Landesverbänden des DFB ist das Geplänkel überhaupt nicht gut angekommen. Aus dem Norden und aus südlichen Gefilden ist zu Vernehmen, man sei über die Art, noch immer Probleme zu lösen, äußerst irritiert. Einige mutmaßen, Koch habe einmal mehr die Fäden gezogen und versuche, die Macht weiter in seinen Händen zu halten – und eben die Landesverbände möglichst auf Abstand zu halten. Koch wird immer skeptischer beäugt.
Die Zukunft von Löw? Nicht egal, aber brisanter ist eine andere Entscheidung: Was wird aus Keller? Tut er sich das Gezanke weiter an, kämpft er um mehr Macht oder zieht er sich zurück? Verschiedene Strömungen versuchen für ihre Interessen die aktuelle Lage zu nutzen. Mal wieder geht es weniger um die Sache als knallharte Interessen in eigener Sache.