Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Die Katzenkümmerer am Kraftwerk
Zahlreiche Katzen leben wild in Grevenbroich. Tierschützerinnen kümmern sich um sie. Und darum, dass es nicht noch mehr Nachwuchs gibt.
GREVENBROICH Die Schlauen und die Schwierigen bekommen Namen. Bei allen übrigen müssen Fellfarbe und -muster als Erkennungsmerkmale reichen, wenn sich Marianne Seligmann mit ihren Mitstreiterinnen unterhält. Ihr Einsatz findet außerhalb öffentlicher Aufmerksamkeit und in Ecken statt, in denen es meist dunkel und zugig zugeht. Gemeinsam sorgen die ehrenamtlichen Tierschützerinnen für mehrere Dutzend wilde Katzen in Grevenbroich. Füttern, fangen, pflegen nimmt jede Menge Zeit in Anspruch. Und dann ist da noch im Tierheim, durchgeführt durch den Tierarzt, der entscheidende Schnitt: „Weil sich Katzen, Freigänger wie Streuner, stark vermehren, sollten möglichst alle Kater und Kätzinnen kastriert werden“, fordert Marianne Seligmann. Das sei das Wichtigste überhaupt, um größeres Katzenelend zu vermeiden.
Der Tierschutzbund liefert die entscheidende Zahl zu Marianne Seligmanns zentraler Forderung: Wenn eine Katze pro Jahr zwei Mal wirft und pro Wurf drei Jungtiere bekommt, wenn all diese Katzen überleben und sich vermehren: Dann wären es nach zehn Jahren rund 200 Millionen Katzen. So geht exponentielles Wachstum, bezogen auf vier Pfoten.
Von romantischen Darstellungen wie etwa im Musical Cats ist die Grevenbroicher Katzenrealität weit entfernt. Zahlreiche Katzen leben im Einzugsbereich der Kraftwerke Frimmersdorf und Neurath. Dort ist Marianne Seligmann zusammen mit einer Bekannten an diesem Abend unterwegs. Die Schalen mit Wasser und Katzenmilch in einem Wellblechunterstand sind leer, das Nassfutter ebenfalls verzehrt. „Aber vom Trockenfutter ist noch ein wenig da. Der Hunger ist derzeit offenbar nicht ganz so groß.“
Die Blechnäpfe werden jedes Mal gegen frische ausgetauscht und zu Hause gespült. Futter nachfüllen, Wasser und Katzenmilch. Zwischendurch schaut eine Mitarbeiterin des RWE-Sicherheitsdienstes nach dem Rechten. „Da bemühen wir uns jeweils um gute Kontakte. Denn von den Mitarbeitern bekommen wir viele Tipps“, sagt Tierschützerin Seligmann. Jetzt im Winter hat das Kastrieren Pause. Denn für die Operation müsste den wild lebenden Katzen der Bauch rasiert werden. Ohne Fell – kein Schutz vor Nässe und Minusgraden.
Um die wild lebenden Streuner im Frühjahr und Sommer einfangen zu können, brauchen die Katzenkümmerer Lebendfallen mit leckeren Ködern drinnen und vor allem – viel Geduld. „Wir haben hier schon stundenlang im Auto gesessen und auf einen ganz bestimmten grauen Kater gewartet“, erzählt Marianne Seligmann. Erst viel, viel später hätten sie bemerkt, dass der graue Kater seinerseits hinter dem Auto im Gebüsch saß und darauf wartete, dass die Zweibeiner endlich das Feld räumen. Als die Frauen das zum Schein taten, konnte er im Handumdrehen gefangen werden.
„Er war in einem schlechten Zustand und hatte keine Zähne mehr“, sagt Seligmann. Doch die Gesundheitskur im Tierheim samt Tierarztvisite habe ihr der Kater krumm genommen: „Der ist immer weg gerannt, wenn er mich gesehen hat.“Seit anderthalb Jahren sei sie im selbst gewählten Katzendienst unterwegs. „Ich bin Tierschützerin und gehe auf Demos, zum Beispiel gegen die Verarbeitung von Fellen zu Pelzen. Also wollte ich auch etwas vor der eigenen Haustür tun.“
Das Füttern, einmal pro Woche, nimmt einschließlich der Fahrzeiten eine Stunde in Anspruch. Bis Tiere jedoch eingefangen werden können, braucht es manchmal Tage. Dass ihnen eigentlich Gutes widerfährt, erzählen die Katzen nicht weiter. Wohl aber, wofür die Gittergebilde mit schmackhaftem Inhalt eigentlich gut sind. „Ich habe schon gesehen, wie sich ein Kater ganz vorsichtig einen Köder aus einer Falle geangelt hat und damit verschwunden ist“, erzählt Seligmann lachend. So etwas kann sie nicht erschüttern. Dass Menschen aber Katzen aussetzen, wenn sie nicht mehr klein und niedlich sind – das erzürnt sie.