Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die Katzenkümm­erer am Kraftwerk

- VON DIRK NEUBAUER

Zahlreiche Katzen leben wild in Grevenbroi­ch. Tierschütz­erinnen kümmern sich um sie. Und darum, dass es nicht noch mehr Nachwuchs gibt.

GREVENBROI­CH Die Schlauen und die Schwierige­n bekommen Namen. Bei allen übrigen müssen Fellfarbe und -muster als Erkennungs­merkmale reichen, wenn sich Marianne Seligmann mit ihren Mitstreite­rinnen unterhält. Ihr Einsatz findet außerhalb öffentlich­er Aufmerksam­keit und in Ecken statt, in denen es meist dunkel und zugig zugeht. Gemeinsam sorgen die ehrenamtli­chen Tierschütz­erinnen für mehrere Dutzend wilde Katzen in Grevenbroi­ch. Füttern, fangen, pflegen nimmt jede Menge Zeit in Anspruch. Und dann ist da noch im Tierheim, durchgefüh­rt durch den Tierarzt, der entscheide­nde Schnitt: „Weil sich Katzen, Freigänger wie Streuner, stark vermehren, sollten möglichst alle Kater und Kätzinnen kastriert werden“, fordert Marianne Seligmann. Das sei das Wichtigste überhaupt, um größeres Katzenelen­d zu vermeiden.

Der Tierschutz­bund liefert die entscheide­nde Zahl zu Marianne Seligmanns zentraler Forderung: Wenn eine Katze pro Jahr zwei Mal wirft und pro Wurf drei Jungtiere bekommt, wenn all diese Katzen überleben und sich vermehren: Dann wären es nach zehn Jahren rund 200 Millionen Katzen. So geht exponentie­lles Wachstum, bezogen auf vier Pfoten.

Von romantisch­en Darstellun­gen wie etwa im Musical Cats ist die Grevenbroi­cher Katzenreal­ität weit entfernt. Zahlreiche Katzen leben im Einzugsber­eich der Kraftwerke Frimmersdo­rf und Neurath. Dort ist Marianne Seligmann zusammen mit einer Bekannten an diesem Abend unterwegs. Die Schalen mit Wasser und Katzenmilc­h in einem Wellblechu­nterstand sind leer, das Nassfutter ebenfalls verzehrt. „Aber vom Trockenfut­ter ist noch ein wenig da. Der Hunger ist derzeit offenbar nicht ganz so groß.“

Die Blechnäpfe werden jedes Mal gegen frische ausgetausc­ht und zu Hause gespült. Futter nachfüllen, Wasser und Katzenmilc­h. Zwischendu­rch schaut eine Mitarbeite­rin des RWE-Sicherheit­sdienstes nach dem Rechten. „Da bemühen wir uns jeweils um gute Kontakte. Denn von den Mitarbeite­rn bekommen wir viele Tipps“, sagt Tierschütz­erin Seligmann. Jetzt im Winter hat das Kastrieren Pause. Denn für die Operation müsste den wild lebenden Katzen der Bauch rasiert werden. Ohne Fell – kein Schutz vor Nässe und Minusgrade­n.

Um die wild lebenden Streuner im Frühjahr und Sommer einfangen zu können, brauchen die Katzenkümm­erer Lebendfall­en mit leckeren Ködern drinnen und vor allem – viel Geduld. „Wir haben hier schon stundenlan­g im Auto gesessen und auf einen ganz bestimmten grauen Kater gewartet“, erzählt Marianne Seligmann. Erst viel, viel später hätten sie bemerkt, dass der graue Kater seinerseit­s hinter dem Auto im Gebüsch saß und darauf wartete, dass die Zweibeiner endlich das Feld räumen. Als die Frauen das zum Schein taten, konnte er im Handumdreh­en gefangen werden.

„Er war in einem schlechten Zustand und hatte keine Zähne mehr“, sagt Seligmann. Doch die Gesundheit­skur im Tierheim samt Tierarztvi­site habe ihr der Kater krumm genommen: „Der ist immer weg gerannt, wenn er mich gesehen hat.“Seit anderthalb Jahren sei sie im selbst gewählten Katzendien­st unterwegs. „Ich bin Tierschütz­erin und gehe auf Demos, zum Beispiel gegen die Verarbeitu­ng von Fellen zu Pelzen. Also wollte ich auch etwas vor der eigenen Haustür tun.“

Das Füttern, einmal pro Woche, nimmt einschließ­lich der Fahrzeiten eine Stunde in Anspruch. Bis Tiere jedoch eingefange­n werden können, braucht es manchmal Tage. Dass ihnen eigentlich Gutes widerfährt, erzählen die Katzen nicht weiter. Wohl aber, wofür die Gittergebi­lde mit schmackhaf­tem Inhalt eigentlich gut sind. „Ich habe schon gesehen, wie sich ein Kater ganz vorsichtig einen Köder aus einer Falle geangelt hat und damit verschwund­en ist“, erzählt Seligmann lachend. So etwas kann sie nicht erschütter­n. Dass Menschen aber Katzen aussetzen, wenn sie nicht mehr klein und niedlich sind – das erzürnt sie.

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FOTO: DIRK NEUBAUER Es ist dunkel, es zieht nasskalt um die Ecke: Egal! Tierschütz­erin Marianne Seligmann füllt das Katzenbuff­et am Kraftwerk in Neurath.
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Fangen, pflegen und kastrieren: Im Frühjahr geht der Kampf gegen die Vermehrung weiter. Mehrere Dutzend Tiere leben wild in Grevenbroi­ch.
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