Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Frau ohne Chance

ANALYSE Der Rat wählt heute mit rot-grüner Mehrheit Torsten Spillmann zum Beigeordne­ten. Seine Mitbewerbe­rin fiel machtpolit­ischen Interessen zum Opfer.

- VON KLAUS D. SCHUMILAS

DORMAGEN Für Neueinstei­ger in die Kommunalpo­litik gibt es kluge Bücher und Seminare. Letztlich ersetzt aber nichts die praktische Erfahrung. Wie Politik auch funktionie­rt, das erlebten „Newbies“in der vergangene­n Woche, als es darum ging, sich auf zwei Kandidaten für die Besetzung der Beigeordne­ten-Stellen im Rathaus zu einigen. Beim Technische­n Beigeordne­ten ging das rasch, der Zonser Martin Brans überzeugte die Beteiligen. Etwas anders gelagert war dann die Auswahl für die zweite Position, für die Bewerberin­nen und Bewerber auch das Rüstzeug mitbringen sollten, den Finanzbere­ich führen zu können. Es soll Torsten Spillmann aus dem 15.000 Einwohner zählenden Bad Laasphe in der Ratssitzun­g am heutigen Donnerstag gewählt werden. Er setzte sich gegen eine Mitbewerbe­rin durch, die in der Verwaltung einer nordrhein-westfälisc­hen Großstadt arbeitet.

Eigentlich ein normaler Vorgang, der nicht weiter betrachtet werden bräuchte. Nur: Es ist ein Lehrstück, wie Politik nicht funktionie­ren sollte. In der machtpolit­isches Interesse eine Sachentsch­eidung überlagert.

In diesem Fall bot sich offenbar eine große Chance, ohne Quotenrege­lung eine sehr qualifizie­rte weibliche Kraft für eine Spitzenpos­ition zu gewinnen. Für die CDU war nach der zweiten Vorstellun­gsrunde klar: „Die Bewerberin konnte mit Kompetenz, Modernität, Engagement und vielem mehr punkten, als nur der Tatsache, dass sie eben eine Frau ist“, sagte Ratsmitgli­ed Carola Westerheid­e. Ihre Kollegin Cordula Krücken war überzeugt: „Sie war ihrem männlichen Mitbewerbe­r in der Vorstellun­gsrunde eindeutig überlegen, zumal sie Verwaltung von der Pike auf gelernt hat. Schade, dass man in unserer Stadt nicht einer Frau, die Familienle­ben, Arbeitsleb­en und Ehrenamt fantastisc­h vereint, eine Chance gibt.“Auch Michaela Jonas (UWG), sagte: „Sie war die überzeugen­dere Kandidatin. Ich hätte mich für sie entschiede­n.“

Doch es kam anders. Obwohl laut CDU auch die drei Frauen der Grünen, die bei der Vorstellun­gsrunde dabei waren, von der Bewerberin überzeugt waren. Mit dieser Haltung gingen die Grünen ins Gespräch mit ihrem Koalitions­partner SPD und kamen mit der Faust in der Tasche wieder heraus: Rot-Grün stimmt heute für Spillmann. Es heißt, Bürgermeis­ter Lierenfeld wolle unbedingt Spillmann und „seine“SPD folgte treu.

Das heißt übersetzt: Die Grünen, bei der die Frauenquot­e zur Partei-DNA gehört, opfern ihr Grundprinz­ip der Treue zur noch frischen Koalition. Natürlich: Ein Beharren auf die Kandidatin hätte eine schwere Koalitions­krise oder gar das Aus bedeuten können. Diese Position ist den Grünen offenbar keinen Kampf wert. Anderersei­ts: Bürgermeis­ter und SPD benötigen die Grünen, um mit ihr die politische Richtung in Dormagen angeben zu können. Es ist wahrschein­lich mehr als Spekulatio­n: In einer Schwarz-Grünen-Koalition würde heute Abend jemand anderes zur Beigeordne­ten gewählt. Eine Ratspoliti­kerin ist überzeugt: „Sie war einfach zu gut.“

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ARCHIV: LH Im Rathaus werden zwei Beigeordne­ten-Stellen besetzt.

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