Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Frau ohne Chance
ANALYSE Der Rat wählt heute mit rot-grüner Mehrheit Torsten Spillmann zum Beigeordneten. Seine Mitbewerberin fiel machtpolitischen Interessen zum Opfer.
DORMAGEN Für Neueinsteiger in die Kommunalpolitik gibt es kluge Bücher und Seminare. Letztlich ersetzt aber nichts die praktische Erfahrung. Wie Politik auch funktioniert, das erlebten „Newbies“in der vergangenen Woche, als es darum ging, sich auf zwei Kandidaten für die Besetzung der Beigeordneten-Stellen im Rathaus zu einigen. Beim Technischen Beigeordneten ging das rasch, der Zonser Martin Brans überzeugte die Beteiligen. Etwas anders gelagert war dann die Auswahl für die zweite Position, für die Bewerberinnen und Bewerber auch das Rüstzeug mitbringen sollten, den Finanzbereich führen zu können. Es soll Torsten Spillmann aus dem 15.000 Einwohner zählenden Bad Laasphe in der Ratssitzung am heutigen Donnerstag gewählt werden. Er setzte sich gegen eine Mitbewerberin durch, die in der Verwaltung einer nordrhein-westfälischen Großstadt arbeitet.
Eigentlich ein normaler Vorgang, der nicht weiter betrachtet werden bräuchte. Nur: Es ist ein Lehrstück, wie Politik nicht funktionieren sollte. In der machtpolitisches Interesse eine Sachentscheidung überlagert.
In diesem Fall bot sich offenbar eine große Chance, ohne Quotenregelung eine sehr qualifizierte weibliche Kraft für eine Spitzenposition zu gewinnen. Für die CDU war nach der zweiten Vorstellungsrunde klar: „Die Bewerberin konnte mit Kompetenz, Modernität, Engagement und vielem mehr punkten, als nur der Tatsache, dass sie eben eine Frau ist“, sagte Ratsmitglied Carola Westerheide. Ihre Kollegin Cordula Krücken war überzeugt: „Sie war ihrem männlichen Mitbewerber in der Vorstellungsrunde eindeutig überlegen, zumal sie Verwaltung von der Pike auf gelernt hat. Schade, dass man in unserer Stadt nicht einer Frau, die Familienleben, Arbeitsleben und Ehrenamt fantastisch vereint, eine Chance gibt.“Auch Michaela Jonas (UWG), sagte: „Sie war die überzeugendere Kandidatin. Ich hätte mich für sie entschieden.“
Doch es kam anders. Obwohl laut CDU auch die drei Frauen der Grünen, die bei der Vorstellungsrunde dabei waren, von der Bewerberin überzeugt waren. Mit dieser Haltung gingen die Grünen ins Gespräch mit ihrem Koalitionspartner SPD und kamen mit der Faust in der Tasche wieder heraus: Rot-Grün stimmt heute für Spillmann. Es heißt, Bürgermeister Lierenfeld wolle unbedingt Spillmann und „seine“SPD folgte treu.
Das heißt übersetzt: Die Grünen, bei der die Frauenquote zur Partei-DNA gehört, opfern ihr Grundprinzip der Treue zur noch frischen Koalition. Natürlich: Ein Beharren auf die Kandidatin hätte eine schwere Koalitionskrise oder gar das Aus bedeuten können. Diese Position ist den Grünen offenbar keinen Kampf wert. Andererseits: Bürgermeister und SPD benötigen die Grünen, um mit ihr die politische Richtung in Dormagen angeben zu können. Es ist wahrscheinlich mehr als Spekulation: In einer Schwarz-Grünen-Koalition würde heute Abend jemand anderes zur Beigeordneten gewählt. Eine Ratspolitikerin ist überzeugt: „Sie war einfach zu gut.“