Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Die Entzauberung von Jens Spahn
In normalen Zeiten besteht die Herausforderung für einen Bundesgesundheitsminister darin, Forderungen von Kliniken, Ärzten und Industrie abzuwehren. In der Pandemie aber ist ein Feuerwehrmann gefragt. Jens Spahn nahm die Aufgabe beherzt an; er ist im Dauereinsatz, um zu organisieren und erklären. Doch die Ergebnisse sind überschaubar. Spahn ist verantwortlich für gleich drei Pannen: Lächerlich hat er sich mit der Verteilung von FFP2-Masken an Ältere gemacht. Das löste vor Weihnachten einen virologisch bedenklichen Ansturm auf die Apotheken aus und war Bürokratie in DDR-Manier: Als es die Masken schon günstig im Supermarkt gab, warteten Ältere noch immer auf Bezugsscheine, die auf Papier der Bundesdruckerei gedruckt werden mussten. Was für eine Wichtigtuerei für ein paar Euro. Die nächste Schlappe erlebt Spahn nun mit den Schnelltests. Keine Frage: Sie ebnen neben den Impfungen den Weg aus der Krise, sie können die Öffnung von Schulen und Kitas absichern. Der Minister versprach kostenlose Schnelltests ab 1. März – zunächst von Profis durchgeführt, später als Test für daheim. Doch weil das Verteil- und Finanzkonzept hinter der knackigen Ankündigung fehlte, bremsten die Länder ihn aus. Spahn kann den 1. März nicht halten.
Sein größtes Problem bleibt die Impfkampagne. Spahn ließ es zu, dass die EU-Kommission die Bestellung bei Biontech vergeigte. Zudem wettete er voreilig auf Astrazeneca – den Impfstoff, der ausgerechnet an Ältere nicht gehen darf. Gewiss: Bürger, die das Privileg haben, jetzt einen Impftermin zu bekommen, schädigen sich und andere, wenn sie sich von irrationalen Ängsten vor Astrazeneca leiten lassen und ihre Chance nicht nutzen. Doch der Minister sollte mehr handeln statt reden, Konzepte statt PR sind gefragt. Sonst wird das nichts mit dem Stoppen der dritten Welle. BERICHT TAUSENDE IMPFDOSEN BLEIBEN LIEGEN, TITELSEITE