Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Für eine gesicherte Ausbildungszukunft
Bis heute gibt es keine staatliche Garantie für eine Ausbildungsstelle. Dafür sind aber auch in der hiesigen Region laufende Ausbildungsverhältnisse durch verschiedene Optionen abgesichert. Beide Seiten ziehen daraus ihre Vorteile.
Die Corona-Krise trifft auch den Schul- und Bildungsbereich hart – und damit die Basis für Wissen, Lebenstüchtigkeit und Erfolg, beruflichen Werdegang und eine florierende Wirtschaft. Immer noch herrscht Unsicherheit, was eine laufende oder geplante Lehre mit Ausbildungsstelle und Berufsschule oder ein duales Studium betrifft.
Momentan versuchen die meisten Unternehmen, ihre Existenz zu sichern und bisher ungewohnte, auf der Digitalisierung aufbauende Arbeitsformen wie Homeoffice oder Außer-Haus-Verkäufe per „Click & Collect“zu etablieren. Je nach Branche oder Status quo sieht sich der eine oder andere Betrieb zur Kurzarbeit oder zur Entlassung von Beschäftigten gezwungen. Manche Firmen stehen gar vor der Insolvenz oder haben diese kurzfristig angemeldet.
Vor diesem unsicheren Szenario gestaltet sich auch der Ausbildungsmarkt schwierig. So kreist auf dem derzeitigen Höhepunkt der Pandemie eine hitzige Diskussion darum, ob es eine staatliche Ausbildungsgarantie geben soll. Diese Forderung wird vor allem von Bildungsforschern und Gewerkschaften verstärkt erhoben.
Im vergangenen Jahr hat die Bundesregierung das Programm „Ausbildungsplätze sichern“im Rahmen des Konjunkturpakets
beschlossen. Es soll Mittelständler motivieren, in Ausbildungsangebote zu investieren. Außerdem hat sich der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), die Plattform aller regionalen IHKs, gegen das verbindliche Recht auf eine Ausbildungsstelle ausgesprochen. Dieser bezeichnet der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der DIHK, Dr. Achim Dercks, als
„weder sinnvoll noch zeitgemäß“.
Der Führungsmanager verweist dabei auf die Ausbildungsumfrage der DIHK. Demnach haben viele Firmen hierzulande keine einzige Bewerbung erhalten und es sind Zehntausende Ausbildungsplätze unbesetzt geblieben. „Überproportional häufig gingen vor allem kleine und mittlere Betriebe leer aus, die zudem weniger Möglichkeiten haben, für sich zu werben oder schwächere Schulabgänger intensiv zu coachen“, so Dercks.
Im vergangenen Jahr beobachtete der gebürtige Niederrheiner „Nachholeffekte“bei den Ausbildungsverträgen. Das heißt: Unternehmen und künftige Azubis haben die Verträge später als sonst abgeschlossen. Traditionell beginnt ein neues Ausbildungsjahr je nach
Branche und Betrieb im August oder September. Bei kurzfristigen Entschlüssen oder Verträgen können neue Azubis auch noch später einsteigen. Wichtig ist: Laufende Ausbildungsverhältnisse sind durch die Ausbildungsverträge abgesichert. Bei der unvorhergesehenen Pleite eines Betriebs können die Auszubildenden auch von anderen Arbeitgebern übernommen werden. Im Regelfall bemühen sich dann alle Beteiligten und involvierten Institutionen um schnellen wie adäquaten Ersatz. Eine alternative Hilfe ist das von der IHK unterstützte „Azubi-Sharing“, bei dem Ausbildungsbetriebe ihren Auszubildenden vorübergehend an einen anderen Betrieb abgeben und der Azubi somit die Ausbildung ohne Unterbrechung fortsetzen kann. Außerdem gibt es die Möglichkeit, in eine Teilzeitausbildung zu wechseln.
Ein weitere positive Maßnahme ist zum Beispiel die besondere Anmeldemöglichkeit der Berufsbildungszentren des Rhein-Kreises Neuss für das kommende Schuljahr. So können sich interessierte Schüler dort online eintragen. Die Zentren ermöglichen alle Schulabschlüsse vom Hauptschulabschluss bis zum Abitur. „Damit sind die Schulen interessant für alle, die einen Schulabschluss nachholen oder sich auf einen Beruf vorbereiten und gleichzeitig einen Schulabschluss erwerben wollen“, heißt es beim Rhein-Kreis Neuss.
Auch privatwirtschaftliche Initiativen sind in Sachen Aus- und Weiterbildung willkommen. So arbeiten die FOM Hochschule und der Medizintechnikhersteller Medisana in Neuss und auch in Düsseldorf zusammen. Sie wollen ausdrücklich dem Trend Rechnung tragen, dass die Gesundheitsbranche „einer der wichtigsten Wachstums- und
Beschäftigungsmotoren“und dementsprechend „die berufliche wie akademische Ausbildung von Fach- und Führungskräften gefragt ist“. Sie bieten gemeinsam ein duales Studienkonzept in mehreren Bereichen an: „Business Administration“und „Gesundheits- und Sozialmanagement“in der Quirinusstadt sowie „Finance & Banking“und „Marketing & Digitale Medien“in der Landesmetropole. Das in Neuss beheimatete Unternehmen sucht auch noch nach geeigneten Auszubildenden.
Übrigens gibt Bundesbildungsministerin Anja Karliczek noch einmal zu bedenken, was beide Seiten von einer beruflichen Ausbildung haben. Die Ausbildung sei in diesen Zeiten eine Investition in die Zukunft, so Karliczek: „Gerade in diesen schwierigen Monaten sollten Betriebe daran denken und jungen Leuten eine gute Berufsperspektive bieten. Wer ausbildet, bindet frühzeitig Personal an sein Unternehmen und sichert sich die nötigen Fachkräfte der Zukunft.“Zugleich appelliert die Politikerin an die jungen Leute, „sich in diesen Zeiten für eine Ausbildung zu interessieren. Denn in vielen Ausbildungsberufen spiegeln sich die Themen der Zukunft wider wie zum Beispiel Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Und je früher man in ein Unternehmen hineinwächst, desto eher sichert man sich auch den Arbeitsplatz.“