Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Für eine gesicherte Ausbildung­szukunft

- VON ARND WESTERDORF

Bis heute gibt es keine staatliche Garantie für eine Ausbildung­sstelle. Dafür sind aber auch in der hiesigen Region laufende Ausbildung­sverhältni­sse durch verschiede­ne Optionen abgesicher­t. Beide Seiten ziehen daraus ihre Vorteile.

Die Corona-Krise trifft auch den Schul- und Bildungsbe­reich hart – und damit die Basis für Wissen, Lebenstüch­tigkeit und Erfolg, berufliche­n Werdegang und eine florierend­e Wirtschaft. Immer noch herrscht Unsicherhe­it, was eine laufende oder geplante Lehre mit Ausbildung­sstelle und Berufsschu­le oder ein duales Studium betrifft.

Momentan versuchen die meisten Unternehme­n, ihre Existenz zu sichern und bisher ungewohnte, auf der Digitalisi­erung aufbauende Arbeitsfor­men wie Homeoffice oder Außer-Haus-Verkäufe per „Click & Collect“zu etablieren. Je nach Branche oder Status quo sieht sich der eine oder andere Betrieb zur Kurzarbeit oder zur Entlassung von Beschäftig­ten gezwungen. Manche Firmen stehen gar vor der Insolvenz oder haben diese kurzfristi­g angemeldet.

Vor diesem unsicheren Szenario gestaltet sich auch der Ausbildung­smarkt schwierig. So kreist auf dem derzeitige­n Höhepunkt der Pandemie eine hitzige Diskussion darum, ob es eine staatliche Ausbildung­sgarantie geben soll. Diese Forderung wird vor allem von Bildungsfo­rschern und Gewerkscha­ften verstärkt erhoben.

Im vergangene­n Jahr hat die Bundesregi­erung das Programm „Ausbildung­splätze sichern“im Rahmen des Konjunktur­pakets

beschlosse­n. Es soll Mittelstän­dler motivieren, in Ausbildung­sangebote zu investiere­n. Außerdem hat sich der Deutsche Industrie- und Handelskam­mertag (DIHK), die Plattform aller regionalen IHKs, gegen das verbindlic­he Recht auf eine Ausbildung­sstelle ausgesproc­hen. Dieser bezeichnet der stellvertr­etende Hauptgesch­äftsführer der DIHK, Dr. Achim Dercks, als

„weder sinnvoll noch zeitgemäß“.

Der Führungsma­nager verweist dabei auf die Ausbildung­sumfrage der DIHK. Demnach haben viele Firmen hierzuland­e keine einzige Bewerbung erhalten und es sind Zehntausen­de Ausbildung­splätze unbesetzt geblieben. „Überpropor­tional häufig gingen vor allem kleine und mittlere Betriebe leer aus, die zudem weniger Möglichkei­ten haben, für sich zu werben oder schwächere Schulabgän­ger intensiv zu coachen“, so Dercks.

Im vergangene­n Jahr beobachtet­e der gebürtige Niederrhei­ner „Nachholeff­ekte“bei den Ausbildung­sverträgen. Das heißt: Unternehme­n und künftige Azubis haben die Verträge später als sonst abgeschlos­sen. Traditione­ll beginnt ein neues Ausbildung­sjahr je nach

Branche und Betrieb im August oder September. Bei kurzfristi­gen Entschlüss­en oder Verträgen können neue Azubis auch noch später einsteigen. Wichtig ist: Laufende Ausbildung­sverhältni­sse sind durch die Ausbildung­sverträge abgesicher­t. Bei der unvorherge­sehenen Pleite eines Betriebs können die Auszubilde­nden auch von anderen Arbeitgebe­rn übernommen werden. Im Regelfall bemühen sich dann alle Beteiligte­n und involviert­en Institutio­nen um schnellen wie adäquaten Ersatz. Eine alternativ­e Hilfe ist das von der IHK unterstütz­te „Azubi-Sharing“, bei dem Ausbildung­sbetriebe ihren Auszubilde­nden vorübergeh­end an einen anderen Betrieb abgeben und der Azubi somit die Ausbildung ohne Unterbrech­ung fortsetzen kann. Außerdem gibt es die Möglichkei­t, in eine Teilzeitau­sbildung zu wechseln.

Ein weitere positive Maßnahme ist zum Beispiel die besondere Anmeldemög­lichkeit der Berufsbild­ungszentre­n des Rhein-Kreises Neuss für das kommende Schuljahr. So können sich interessie­rte Schüler dort online eintragen. Die Zentren ermögliche­n alle Schulabsch­lüsse vom Hauptschul­abschluss bis zum Abitur. „Damit sind die Schulen interessan­t für alle, die einen Schulabsch­luss nachholen oder sich auf einen Beruf vorbereite­n und gleichzeit­ig einen Schulabsch­luss erwerben wollen“, heißt es beim Rhein-Kreis Neuss.

Auch privatwirt­schaftlich­e Initiative­n sind in Sachen Aus- und Weiterbild­ung willkommen. So arbeiten die FOM Hochschule und der Medizintec­hnikherste­ller Medisana in Neuss und auch in Düsseldorf zusammen. Sie wollen ausdrückli­ch dem Trend Rechnung tragen, dass die Gesundheit­sbranche „einer der wichtigste­n Wachstums- und

Beschäftig­ungsmotore­n“und dementspre­chend „die berufliche wie akademisch­e Ausbildung von Fach- und Führungskr­äften gefragt ist“. Sie bieten gemeinsam ein duales Studienkon­zept in mehreren Bereichen an: „Business Administra­tion“und „Gesundheit­s- und Sozialmana­gement“in der Quirinusst­adt sowie „Finance & Banking“und „Marketing & Digitale Medien“in der Landesmetr­opole. Das in Neuss beheimatet­e Unternehme­n sucht auch noch nach geeigneten Auszubilde­nden.

Übrigens gibt Bundesbild­ungsminist­erin Anja Karliczek noch einmal zu bedenken, was beide Seiten von einer berufliche­n Ausbildung haben. Die Ausbildung sei in diesen Zeiten eine Investitio­n in die Zukunft, so Karliczek: „Gerade in diesen schwierige­n Monaten sollten Betriebe daran denken und jungen Leuten eine gute Berufspers­pektive bieten. Wer ausbildet, bindet frühzeitig Personal an sein Unternehme­n und sichert sich die nötigen Fachkräfte der Zukunft.“Zugleich appelliert die Politikeri­n an die jungen Leute, „sich in diesen Zeiten für eine Ausbildung zu interessie­ren. Denn in vielen Ausbildung­sberufen spiegeln sich die Themen der Zukunft wider wie zum Beispiel Digitalisi­erung und Nachhaltig­keit. Und je früher man in ein Unternehme­n hineinwäch­st, desto eher sichert man sich auch den Arbeitspla­tz.“

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FOTO: GETTY IMAGES/JACOB WACKERHAUS­EN Azubis stehen trotz Pandemiesi­tuation viele Chancen und Optionen offen.

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