Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Pfusch am Berg

- VON ANNE-SOPHIE GALLI, SIDDHARTHA KUMAR UND ROSHAN SEDHAI FOTO: ZHANG RUFENG/DPA

Ein Aufstieg auf den Mount Everest bedeutet Ruhm und Ansehen. Aber wie wird geprüft, ob man wirklich ganz oben war? In Nepal gibt es darum Ärger.

KATHMANDU

(dpa) Mehr als 10.000 Mal stand ein Mensch schon ganz oben auf dem Mount Everest. Das besagen die offizielle­n Statistike­n aus Nepal und China. Das sind die beiden Länder, deren gemeinsame Grenze über den höchsten Berg der Welt läuft.

Doch nun hat das nepalesisc­he Tourismusm­inisterium mitgeteilt, Nachforsch­ungen zu einer Bergsteige­rin und einem Bergsteige­r aus Indien auf der Liste der erfolgreic­hen Kletterer hätten ergeben, dass sie gar nicht wie dort vermerkt 2016 auf 8848,86 Meter Höhe gestanden hätten. Sie würden für den Betrug bestraft, indem es ihnen rückwirken­d sechs Jahre ab dem vermeintli­chen Aufstieg verboten wird, Berge in Nepal zu besteigen.

Wie kann so etwas passieren? Die Chefin des nepalesisc­hen Tourismusm­inisterium­s, Mira Acharya, sagt, ihr seien etwa acht andere Betrugsfäl­le bekannt. Und der amerikanis­che Bergsteige­r und Blogger Alan Arnette betont: „Traurigerw­eise ist es mit der heutigen Technologi­e und den schlampige­n Behördenpr­ozessen nicht allzu schwierig, eine falsche Behauptung zu machen.“

Die Behörden in Nepal und China prüfen jeden Aufstieg. Doch ganz oben, in der sogenannte­n Todeszone, kann kein Mitarbeite­r

auf Ankömmling­e warten. So müssten Bergsteige­r stattdesse­n als Aufstiegsb­eweis ein Ganzkörper­foto von sich mit unbedeckte­m Gesicht – also ohne Sonnenbril­le und Sauerstoff­maske – auf dem schneebede­ckten Gipfel zeigen, sagt Arnette. Außerdem müssten der Leiter der Bergsteige­rgruppe sowie ein Behördenmi­tarbeiter im Basislager den Aufstieg zertifizie­ren. Da der Gruppenlei­ter selbst jedoch selten ganz nach oben steige, verließen sich die Behörden meist auf das Wort des Bergsteige­rs sowie dessen Sherpa-Führers, sagt Arnette. Sein Gesicht in das Foto eines anderen Bergsteige­rs einzufügen, sei einfach, fügt er hinzu. Alle Beteiligte­n hätten ein Interesse an vielen erfolgreic­hen Aufstiegen. Den Sherpas bringe das mehr Aufträge, teils mehr Honorar oder gar eine eigene Bergführer­firma. Diese Unternehme­n und Regierunge­n könnten damit den Tourismus fördern. Besonders für Nepal, das zu den am wenigsten entwickelt­en Ländern der Welt gehört, ist das Geld der Alpinisten wichtig. Ein durchschni­ttlicher Aufstieg

kostet nach Arnettes Angaben rund 40.000 Euro. Kletterer mit hohem Budget geben auch das Doppelte oder Dreifache aus.

Im Fall der Bergsteige­rin und des Bergsteige­rs, deren Namen nun von der Liste gestrichen sind, hätten andere Bergsteige­r das Tourismusm­inisterium informiert, dass die beiden ihren Aufstieg abgebroche­n hätten, weil es ihnen gesundheit­lich schlechter gegangen sei, berichtete die Zeitung „Hindustan Times“. Sie hätten bearbeitet­e Bilder verwendet. Das Ministeriu­m prüfte anschließe­nd. Einer der Betroffene­n, Narender Singh Yadav, sagt allerdings, er sei sehr wohl 2016 oben gewesen; entspreche­nde Fotos und Videos seien gezeigt worden. Er wirft seinem Gruppenfüh­rer vor, sich aus Eifersucht an das Ministeriu­m gewandt zu haben. Denn Yadav sollte etwas später die höchste Auszeichnu­ng seines Landes für Bergsteige­r erhalten, den Tenzing Norgay Adventure Award, wie es von der indischen Bergsteige­rvereinigu­ng hieß. Wegen der Kontrovers­e habe er den Preis schließlic­h nicht bekommen. Yadav sagte, er wolle gegen den Gruppenfüh­rer gerichtlic­h vorgehen.

Auch den Führer bestrafte das Tourismusm­inisterium – ebenfalls mit einem sechsjähri­gen Verbot, Nepals Berge zu besteigen. Begründung: Er habe den Betrug nicht schon früher gemeldet. Die Bergsteige­rfirma Seven Summit Treks, die den Aufstieg organisier­t hatte, muss ein Bußgeld von umgerechne­t 355 Euro zahlen, der Sherpa-Bergführer etwa 70 Euro. Der Behördenmi­tarbeiter, der damals zertifizie­rte, sei verwarnt worden.

„Wenn Bergsteige­r einen Aufstieg faken, wie soll die Bergsteige­rfirma davon wissen?“, sagte der Chef von Seven Summit Treks, Mingma Sherpa, dazu der Zeitung „The Indian Express“. „Die zwei indischen Bergsteige­r zeigten uns die Bilder ihres Aufstiegs, und wir schrieben, dass sie aufgestieg­en wären.“

Andere Schummler haben schon härtere Strafen erhalten. 2016 belegte Nepal ein indisches Polizisten-Ehepaar mit einem zehnjährig­en Bergverbot, weil die beiden ebenfalls gefälschte Bilder verwendet haben sollen. Indien entließ die beiden Beamten anschließe­nd.

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