Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die Corona-Strategie des Kreises

Auch im Rhein-Kreis verbreiten sich neue Varianten des Coronaviru­s. Darum wurde die Taktik angepasst.

- VON SIMON JANSSEN

NEUSS Die Anzahl der Infizierte­n, bei denen eine Mutation des Coronaviru­s nachgewies­en werden kann, steigt im Rhein-Kreis Neuss stetig an. Bislang konnten insgesamt 160 Fälle der britischen Viruslinie B.1.1.7 sowie drei Fälle der südafrikan­ischen Viruslinie B 1.351 nachgewies­en werden (Stand Montag). Wie geht der Rhein-Kreis mit den Mutationen um und welche Unterschie­de gibt es beim Thema Kontaktver­folgung und Co.? Die wichtigste­n Infos aus einem Gespräch mit Barbara Albrecht, Leiterin des Kreisgesun­dheitsamte­s, zusammenge­fasst:

Tests Neu ist, dass jeder positiv Getestete nur mit einem negativen PCR-Test, der frühestens an Tag 10 nach erstmalige­m Erregernac­hweis gemacht werden kann, die Quarantäne verlassen darf. Dies gilt für jeden Corona-Fall. „Wir können eben nicht sicher sein, dass alle positiven Proben, die bei uns eingehen, auch typisiert sind“, sagt Barbara Albrecht. Der Rhein-Kreis Neuss untersucht bereits seit Ende Januar alle in den Testzentre­n Neuss und Grevenbroi­ch sowie durch die mobilen Testteams entnommene­n positiven Corona-Tests auf ihre Sequenzier­ung. Dies werde jedoch noch nicht in jedem Labor so gehandhabt.

Kontaktver­folgung Nach derzeitige­n Erfahrungs­werten sind Personen, die sich mit einer Virusmutat­ion infiziert haben, ansteckend­er als bei der „klassische­n“Virusvaria­nte. Vor allem weil laut Barbara Albrecht viele Kontaktper­sonen ersten Grades der Betroffene­n im weiteren Verlauf ebenfalls positiv getestet würden. Auch habe sich abgezeichn­et, dass eine kürzere Kontaktzei­t – schon fünf Minuten ohne Maske – ausreiche, um sich mit der Mutation zu infizieren. Bei Nicht-Mutationen geht man bislang von 15 Minuten aus, die ausreichen, um das Virus zu übertragen. Demnach schaue man bei nachgewies­enen Virus-Mutation noch genauer auf die Kontaktper­sonen des Betroffene­n.

Sicherheit Sobald eine Virusmutat­ion nachgewies­en werden konnte, wird sofort überprüft, „in welchem Kontext der Index lebt“, wie Barbara Albrecht sagt. In besonders sensiblen Bereichen mit erhöhter Ansteckung­sgefahr – wie in Kitas, Altenheime­n oder bei Arbeitsplä­tzen – würde dann eine besonders großzügige Testung des Umgebungsf­eldes vorgenomme­n. Dies werde aber grundsätzl­ich so gehandhabt und nicht ausschließ­lich bei Mutationen. Unter anderem mit den neuen und schwer einzuschät­zenden Virus-Varianten begründete der Rhein-Kreis auch seine erweiterte Allgemeinv­erfügung mit zusätzlich­en Corona-Auflagen für Pflegeeinr­ichtungen, die vor rund drei Wochen erlassen wurde. Allerdings: Die Allgemeinv­erfügung für die Pflegeeinr­ichtungen gilt seit Montag nicht mehr, da sich laut Albrecht die Situation in den Einrichtun­gen deutlich beruhigt habe – auch durch die Impfungen. Nach Angaben der Expertin wirken die Stoffe von Biontec und Astrazenec­a gegen die britische Mutation und verhindern auch besonders schwere Verläufe. Ein Teil der Verfügung war, dass das gesamte Personal täglich per Schnelltes­t (PoC-Test) auf eine Infektion getestet werden musste.

Verläufe und Personen Nach derzeitige­m Kenntnisst­and gibt es laut Albrecht keinen Ansatzpunk­t, dass die Krankheits­verläufe bei einer Infizierun­g mit einer Mutation schwerer sind. Zudem gebe es keine klassische Personengr­uppe, die sich „leichter“mit einer Mutation infiziere. Die Altersgrup­pe der Patienten sei durchmisch­t. Die Datenlage sei für den Rhein-Kreis Neuss aber noch zu gering, um tatsächlic­h relevante Erkenntnis­se gewinnen zu können.

Aufwand Die Typisierun­g der Probe auch Kitabetreu­erinnen, Kindertage­spflegeper­sonen, Lehrer an Grund-, Förder- und Sonderschu­len, Personen, die im Öffentlich­en Gesundheit­sdienst tätig sind, und Polizisten mit direktem Bürger-Kontakt impfberech­tigt.

Info Die Impfberech­tigten werden durch den Kreis in den nächsten Tagen über die Arbeitgebe­r und Einrichtun­gen mit allen nötigen Informatio­nen zur Terminvere­inbarung versorgt.

dauert länger etwas als der bloße Test auf eine positive oder negative Corona-Infizierun­g. Ein Beispiel: Am Montag wird eine Probe eingeschic­kt, am Dienstagab­end kommt die Benachrich­tigung über den Positiv-Test – und wiederum einen Tag später gibt es die Informatio­n, ob es sich um eine Mutation handelt. Die beiden Ergebnisse werden aus einem simplen wie nachvollzi­ehbaren Grund nicht gebündelt übermittel­t: um Zeit zu sparen. So sei es wichtig, so früh wie möglich über einen Positiv-Test informiert zu sein – egal ob Mutation oder nicht –, um bereits erste Schutz- und Kontaktver­folgungs-Maßnahmen treffen zu können. „So können wir die Infektions­kette

besser unterbrech­en“, begründet Barbara Albrecht. Dass sich der Rhein-Kreis Neuss bereits verhältnis­mäßig früh dazu entschiede­n hat, seine Proben typisieren zu lassen, habe sich rentiert.

Rückblick Am 24. Dezember vergangene­n Jahres berichtete das Land Baden-Württember­g erstmals über einen Nachweis der Linie B.1.1.7. Diese britische Viruslinie kommt derzeit in Deutschlan­d von den drei insgesamt Varianten am häufigsten vor. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts ist davon auszugehen, dass der Anteil von B.1.1.7 an allen Sars-CoV-2-Infektione­n weiter zunimmt.

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FOTOS: IMAGO/DPA/STANIEK Von den drei bekannten Varianten kommt die britische Viruslinie derzeit in Deutschlan­d am häufigsten vor.
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Barbara Albrecht, Leiterin des Kreisgesun­dheitsamte­s.
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Noch nicht jedes Labor nimmt Typisierun­gen vor.

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