Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Vorhair – Nachhair
Es ist erst 6.15 Uhr als im Salon von Anna Brings zum ersten Mal an diesem Montag das Telefon klingelt. Bereits Großteile ihres Wochenendes hat die 28-Jährige am Hörer verbracht. „Die nächsten freien Termine gibt es erst ab dem 18. oder 19. März“, sagt die Friseurin, die an der Martinstraße in Holzheim ein sechsköpfiges Team führt. Bei der Vergabe gilt das Fairness-Prinzip: Je eher man sich meldet, desto früher ist man an der Reihe.
Die richtige Taktik hat offenbar Selina Kühne gewählt. Die 21-Jährige fragte frühzeitig per Whatsapp an, sodass sie kurz nachdem die Lockerung verkündet wurde, einen Termin vereinbaren konnte. Spitzen schneiden und das Einsetzen von Babylights – natürlich aussehende Strähnen – stehen unter anderem auf dem Programm. Gutes Timing: In zwei Wochen fliegt die 21-Jährige nach Thailand, um dort ihr Auslandssemester zu beginnen. „Da freue ich mich natürlich, mich jetzt wieder frisch zu fühlen“, sagt sie schmunzelnd.
Nur wenige Meter entfernt sitzt Anne Ross mit frisch gewaschenen Haaren. Drei Monate liegt ihr letzter Friseur-Besuch zurück. „Waschen, schneiden, föhnen“, verrät sie ihre Wünsche. Auch sie profitiert von ihrer zeitigen Anfrage: „Ich habe schon angerufen und auf das Band gesprochen, als noch gar nicht feststand, dass die Friseure
wieder öffnen dürfen“, sagt die 67-Jährige, die hinzufügt: „Man fühlt sich einfach wohler, wenn man eine frische Frisur hat.“
Bereits um 9 Uhr sitzt auch Adrian Schöttler (20) auf dem Friseurstuhl, der sich für die Variante „Oben drei Zentimeter kürzer und Seiten auf sechs Millimeter“entschied. „Die nächste Klausur wird mit ordentlicher Frisur geschrieben“, sagt der Holzheimer, der zuvor per E-Mail für einen Termin anfragte. Im Vergleich zu anderen Kunden war die „Verwandlung“bei Adrian schnell geschafft. Nach gut 15 Minuten war der 20-Jährige wieder runter vom Stuhl. Dass sie nach der monatelangen Pause und Zeit voller Ungewissheit endlich wieder Kunden an der Martinstraße 12 begrüßen darf, ist eine große Erleichterung für Anna Brings, die den bereits seit 28 Jahren bestehenden Salon seit 2019 führt. „Wäre der Lockdown noch länger gegangen, dann weiß ich nicht, ob wir es finanziell geschafft hätten“, sagt die 28-Jährige, die am Montag bereits um 8 Uhr öffnete.
Dass die Friseure in NRW wieder arbeiten dürfen, ist jedoch an eine ganze Reihe Sicherheitsvorschriften geknüpft. So dürfen Salons nur mit Terminvergabe arbeiten. Damit sollen größere Personenansammlungen vermieden werden. Wie in Arztpraxen oder dem Einzelhandel müssen zudem in Salons und bei Hausbesuchen medizinische Masken getragen werden.
Die zahlreichen Vorschriften verhinderten aber nicht, dass schon in den Vorwochen viele Kunden die Salons kontaktierten, um Termine zu vereinbaren. „Eigentlich will jeder Kunde schon in der ersten Woche drankommen“, so Harald Esser, Vorsitzender des Friseur- und Kosmetikverbandes NRW. Simon Janssen