Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Integratio­nsrat als Stiefkind behandelt“

- VON ELISABETH KELDENICH

Bouchra El Maazi war Vorsitzend­e des Kaarster Integratio­nsrates. Die 42-Jährige blickt auf eine schwierige Zeit zurück, in der falsche Personen Schlüsselp­ositionen inne hatten. Der Stadt fehle die politische Teilhabe der Migranten.

KAARST Für Bouchra el Maazi ist klar: „Integratio­n ist ein andauernde­r Prozess ohne Beginn und Ende“, sagt die 42-Jährige ehemalige Vorsitzend­e des Kaarster Integratio­nsrates, den es nicht mehr gibt. Laut El Maazi würde er der Stadt nützen, um einen anderen Blick auf Migranten und ihre Bedürfniss­e zu haben. Aber die als selbststän­dige Integratio­nsmentorin tätige Mutter von vier Töchtern ist sich sicher, dass es in Kaarst keinen Integratio­nsrat mehr geben wird: „Das stößt nicht auf offene Ohren“, meint die gebürtige Neusserin mit marokkanis­chen Wurzeln.

El Maazi sammelte ab 2014 über 400 Unterschri­ften zur Durchsetzu­ng des Rates. Bei der Kommunalwa­hl 2015 wurden drei Mitglieder der „Internatio­nalen Brücke für Kaarst“und Niels Rentergent (CDU) gewählt: „Dessen Funktion war, uns zu kontrollie­ren“, mutmaßt El Maazi. Drei weitere Mitglieder waren von der Stadt bestellt. 2017 traten die Mitglieder der „Brücke“zurück: „Der Integratio­nsrat wurde als ungewollte­s Stiefkind behandelt und es gab kein Miteinande­r und keine Zusammenar­beit, da damals falsche Personen an den Schlüsselp­ositionen saßen“, resümiert El Maazi. Stadtsprec­her Peter Böttner erklärt dazu auf Anfrage: „Der Integratio­nsrat kommt seinem Auftrag nach, wenn er sich über Anträge und Anfragen in die Arbeit des Stadtrates einbringt. Diese politische Mitbestimm­ung funktionie­rt aber nur dann, wenn sich das Gremium wenig mit sich selbst und mehr mit den Interessen der Migrantinn­en und Migranten befasst“. Der übrig gebliebene Niels Rentergent trat nicht mehr in Erscheinun­g. Bei der vergangene­n Kommunalwa­hl wurde auf Grundlage der Gemeindeor­dnung NRW kein Rat gewählt: „Zur Kommunalwa­hl 2020 hätten demnach in Kaarst mindestens 200 Wahlberech­tigte die Bildung eines Integratio­nsrates beantragen müssen. Dies ist nicht geschehen“, so Böttner.

Bouchra El Maazi hat Zeit, Nerven, Geduld und Ehrgeiz in ihre Ratsarbeit hineingest­eckt. Denn als sie 2010 nach Kaarst zog, erlebte sie Migranten als unsichtbar. Sie ist stolz auf die von ihr hinterlass­enen Spuren: Projekte im Rahmen der Internatio­nalen

Woche gegen Rassismus, eine interkultu­relle Weihnachts­feier in der VHS Kaarst-Korschenbr­oich, Teilnahme am Kulturfest „Eine Stadt – viele Nationen“, Etablierun­g von Arabisch-Unterricht, Einführung einer Bürgerspre­chstunde und das erste Friedensge­bet der christlich­en Kirchen mit Vertretern muslimisch­en Glaubens. Ohne Integratio­nsrat fehle in einer vielfältig­en Stadt wie Kaarst die politische Teilhabe der Migranten, meint El Maazi.

Schon das Integratio­nskonzept vom September 2018 wurde ohne Rücksprach­e mit dem Integratio­nsrat beschlosse­n. „Man kann

Menschen nicht in ein vorgegeben­es Korsett zwingen und sich wundern, dass es nicht passt“, sagt sie. Für sie sind Migranten wieder unsichtbar, was aber kein Zeichen gelungener Integratio­n sein muss, da El Maazi die Probleme der Migranten durch ihre Arbeit bekannt sind. Stadtsprec­her Böttner bekräftigt: „Ein funktionie­render Integratio­nsrat wäre eine sinnvolle Einrichtun­g, um die Teilhabe und die Mitbestimm­ung Kaarster mit Migrations­hintergrun­d zu fördern“. Große Hoffnung setzt Bouchra El Maazi in das neu geschaffen­e Integratio­nsmanageme­nt.

 ?? NGZ-FOTO: ZANIN ?? Die 42 Jahre alte Bouchra El Maazi war Vorsitzend­e des Kaarster Integratio­nsrats und bedauert, dass es in der Stadt keinen mehr gibt. Dass künftig ein neuer Integratio­nsrat gewählt wird, bezweifelt sie stark.
NGZ-FOTO: ZANIN Die 42 Jahre alte Bouchra El Maazi war Vorsitzend­e des Kaarster Integratio­nsrats und bedauert, dass es in der Stadt keinen mehr gibt. Dass künftig ein neuer Integratio­nsrat gewählt wird, bezweifelt sie stark.

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