Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
„Integrationsrat als Stiefkind behandelt“
Bouchra El Maazi war Vorsitzende des Kaarster Integrationsrates. Die 42-Jährige blickt auf eine schwierige Zeit zurück, in der falsche Personen Schlüsselpositionen inne hatten. Der Stadt fehle die politische Teilhabe der Migranten.
KAARST Für Bouchra el Maazi ist klar: „Integration ist ein andauernder Prozess ohne Beginn und Ende“, sagt die 42-Jährige ehemalige Vorsitzende des Kaarster Integrationsrates, den es nicht mehr gibt. Laut El Maazi würde er der Stadt nützen, um einen anderen Blick auf Migranten und ihre Bedürfnisse zu haben. Aber die als selbstständige Integrationsmentorin tätige Mutter von vier Töchtern ist sich sicher, dass es in Kaarst keinen Integrationsrat mehr geben wird: „Das stößt nicht auf offene Ohren“, meint die gebürtige Neusserin mit marokkanischen Wurzeln.
El Maazi sammelte ab 2014 über 400 Unterschriften zur Durchsetzung des Rates. Bei der Kommunalwahl 2015 wurden drei Mitglieder der „Internationalen Brücke für Kaarst“und Niels Rentergent (CDU) gewählt: „Dessen Funktion war, uns zu kontrollieren“, mutmaßt El Maazi. Drei weitere Mitglieder waren von der Stadt bestellt. 2017 traten die Mitglieder der „Brücke“zurück: „Der Integrationsrat wurde als ungewolltes Stiefkind behandelt und es gab kein Miteinander und keine Zusammenarbeit, da damals falsche Personen an den Schlüsselpositionen saßen“, resümiert El Maazi. Stadtsprecher Peter Böttner erklärt dazu auf Anfrage: „Der Integrationsrat kommt seinem Auftrag nach, wenn er sich über Anträge und Anfragen in die Arbeit des Stadtrates einbringt. Diese politische Mitbestimmung funktioniert aber nur dann, wenn sich das Gremium wenig mit sich selbst und mehr mit den Interessen der Migrantinnen und Migranten befasst“. Der übrig gebliebene Niels Rentergent trat nicht mehr in Erscheinung. Bei der vergangenen Kommunalwahl wurde auf Grundlage der Gemeindeordnung NRW kein Rat gewählt: „Zur Kommunalwahl 2020 hätten demnach in Kaarst mindestens 200 Wahlberechtigte die Bildung eines Integrationsrates beantragen müssen. Dies ist nicht geschehen“, so Böttner.
Bouchra El Maazi hat Zeit, Nerven, Geduld und Ehrgeiz in ihre Ratsarbeit hineingesteckt. Denn als sie 2010 nach Kaarst zog, erlebte sie Migranten als unsichtbar. Sie ist stolz auf die von ihr hinterlassenen Spuren: Projekte im Rahmen der Internationalen
Woche gegen Rassismus, eine interkulturelle Weihnachtsfeier in der VHS Kaarst-Korschenbroich, Teilnahme am Kulturfest „Eine Stadt – viele Nationen“, Etablierung von Arabisch-Unterricht, Einführung einer Bürgersprechstunde und das erste Friedensgebet der christlichen Kirchen mit Vertretern muslimischen Glaubens. Ohne Integrationsrat fehle in einer vielfältigen Stadt wie Kaarst die politische Teilhabe der Migranten, meint El Maazi.
Schon das Integrationskonzept vom September 2018 wurde ohne Rücksprache mit dem Integrationsrat beschlossen. „Man kann
Menschen nicht in ein vorgegebenes Korsett zwingen und sich wundern, dass es nicht passt“, sagt sie. Für sie sind Migranten wieder unsichtbar, was aber kein Zeichen gelungener Integration sein muss, da El Maazi die Probleme der Migranten durch ihre Arbeit bekannt sind. Stadtsprecher Böttner bekräftigt: „Ein funktionierender Integrationsrat wäre eine sinnvolle Einrichtung, um die Teilhabe und die Mitbestimmung Kaarster mit Migrationshintergrund zu fördern“. Große Hoffnung setzt Bouchra El Maazi in das neu geschaffene Integrationsmanagement.