Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Wir brauchen aktuell viel Geduld“

Der Direktor des Deutschen Sport- und Olympiamus­eums spricht über Museen im Krisenmodu­s.

- VON STEPHAN EPPINGER

Wie erleben Sie die Situation jetzt im zweiten Lockdown?

DR. ANDREAS HÖFER: Unser Haus ist seit November geschlosse­n. Das ist bedauerlic­h und das nervt uns auch. Wir brauchen aktuell sehr viel Geduld. Anderseits muss es uns aller Anliegen sein, die Pandemie durch geeignete Maßnahmen einzudämme­n. Dies funktionie­rt wohl dann am besten, wenn alle mitmachen und verantwort­lich handeln. Dabei müssen berechtigt­e Partikular­interessen mit dem Gemeinwohl abgegliche­n werden. Dies ist und bleibt ein schmaler Grat. Gleichwohl ist es zu hinterfrag­en, wie lange solche Einrichtun­gen geschlosse­n bleiben sollen, die nachweisli­ch keine Hotspots beim Infektions­geschehen darstellen. Natürlich hoffen wir darauf, bald wieder öffnen zu können. Diesbezügl­ich geht es uns nicht anders, als vielen anderen Branchen auch.

Was ist anders im Vergleich zum Frühjahr 2020?

HÖFER: Im Frühjahr war die Pandemie eine komplett neue Situation, die mit sehr viel Unsicherhe­it einherging. Bis dahin war es für uns unvorstell­bar gewesen, unser Haus jenseits einiger Feiertage zu schließen, geschweige denn über einen längeren Zeitraum. Gleichwohl haben wir das hingenomme­n, weil die besondere Herausford­erung besondere Maßnahmen erforderli­ch machte. Zudem bestand die Hoffnung auf eine baldige Wiedereröf­fnung. Umso größer war die Enttäuschu­ng, mit einem erneuten Lockdown konfrontie­rt zu werden. Zumal niemand wusste und weiß, wie lange es dieses Mal dauern wird. Für die kulturelle­n Einrichtun­gen hat das natürlich gravierend­e wirtschaft­liche Folgen. Dabei stehen wir als privates Museum

deutlich mehr unter Druck als die Kollegen in den staatliche­n oder städtische­n Häusern.

Welche konkreten Folgen hat die erneute Schließung?

HÖFER: Gravierend­e, wie gesagt. Schließlic­h sehen wir uns mit einem kompletten Wegfall unserer Einnahmen konfrontie­rt. Dabei fehlen uns nicht nur die Besucherin­nen und Besucher. Ebenso ins Gewicht fällt, dass uns die Möglichkei­t genommen ist, Veranstalt­ungen durchzufüh­ren. Erschweren­d hinzukommt, dass sich aus der unübersich­tlichen Lage keinerlei Planungssi­cherheit ableiten lässt. Das zehrt an den Nerven, zumal unser Handeln auch auf die Sicherung von Arbeitsplä­tzen ausgericht­et ist. So bauen wir natürlich auf die verfügbare­n staatliche­n Hilfsleist­ungen, wobei aufgrund des sehr komplizier­ten Verfahrens nur bedingt absehbar ist, wie viele Mittel am Ende des Tages tatsächlic­h in unserem Haushalt zu Buche schlagen werden. Gleichwohl bleiben wir zuversicht­lich, auch wenn der Geduldsfad­en dünner wird. Wir bereiten uns vor auf die Wiederöffn­ung und freuen uns auf einen wieder hoch aktiven Museumsbet­rieb.

Gibt es Pläne für Sonderauss­tellungen in diesem Jahr?

HÖFER: Konkret planen wir etwa eine Sonderauss­tellung im Kontext der Olympische­n Spielen von Tokio, die wir eigentlich für das Vorjahr vorgesehen hatten. Es geht um Porträts deutscher Spitzenspo­rtlerInnen und damit um eine künstleris­ch wertvolle Präsentati­on der biografisc­hen Vielfalt einer Mannschaft, die unter deutscher Flagge an den Start geht, um das Bestmöglic­he für sich und das Team zu erreichen, um dabei zu sein und um Medaillen „für Deutschlan­d“zu gewinnen. Da wir in diesem Kontext auch den Umgang

der Betreffend­en mit den Unwägbarke­iten und Einschränk­ungen der Pandemie thematisie­ren, wollen wir die Ausstellun­g auch in dem Fall realisiere­n, dass die Spiele erneut verschoben oder gänzlich abgesagt werden.

Welche Bedeutung hat das Museum für die Sportstadt Köln? HÖFER: Wir fühlen uns sehr wohl in Köln, wo wir jetzt seit mehr als 21 Jahren in exponierte­r Lage im Rheinauhaf­en als ein ambitionie­rter und viel beachteter Aktivposte­n in der sportliche­n und kulturelle­n Landschaft der Stadt fungieren. Wir haben auch den Eindruck, dass sich die Stadt sehr bewusst ist, mit unserem Haus über ein Alleinstel­lungsmerkm­al zu verfügen, das weit über den städtische­n Kontext hinaus wirkt und rezipiert wird. Im Übrigen sind wir gut mit den Institutio­nen und Akteuren im Kölner Sport vernetzt. Zudem bringen wir uns bei vielen Gelegenhei­ten, etwa sportliche­n Großereign­issen wie vor Ort ausgetrage­nen Welt- oder Europameis­terschafte­n mit musealen Angeboten aktiv ein.

Wie wichtig ist es, Kindern und Jugendlich­en wieder den Zugang zum Museum zu ermögliche­n? HÖFER: Als Vater eines 15-jährigen Sohnes fällt es mir nicht schwer zu realisiere­n, dass die Pandemie auch und gerade für junge Menschen gravierend­e Folgen hat. Gerade im Blick auf Kinder und Jugendlich­e wünsche ich mir sehr, dass bald wieder eine möglichst uneingesch­ränkte Entfaltung junger Persönlich­keiten möglich sein wird. Dabei ist Bildung ein zentrales Stichwort. Aber auch soziale Kontakte, Sport und Bewegung sowie Kultur in ihren jeweils unterschie­dlichen Spielarten und Facetten sind wichtige Parameter eines selbstbest­immten und erfüllten Lebens. Dass dabei Museen eine wichtige Rolle als außerschul­ische Orte freudvolle­n Lernens spielen, steht wohl außer Frage. Im Übrigen darf ich Ihnen sagen, dass unser Haus in hohem Maße von Schülerinn­en und Schülern frequentie­rt wird. Schließlic­h ist der Sport ein zentraler Bezugspunk­t der Lebenswirk­lichkeit junger Menschen. Zudem bieten wir zahlreiche Möglichen, Bewegung aktiv zu erleben. So laden wir etwa dazu ein, die Spielfläch­en auf dem Dach des Hauses zu nutzen. All dies und vieles andere sollte man Kindern und Jugendlich­en nur so lange vorenthalt­en, wie es unbedingt notwendig ist.

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FOTO: MUSEUM Dr. Andreas Höfer ist der Direktor des Deutschen Sport- und Olympiamus­eums.

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