Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Hydro: „Fair-Owner“-Vertrag soll Arbeiter absichern
Der Konzern Hydro verkauft seine Walzsparte für knapp 1,4 Milliarden Euro an den US-Investor KPS Capital Partners. Von dem Eigentümerwechsel sind rund 4500 Arbeitnehmer im Rhein-Kreis betroffen. Gewerkschaften und Betriebsräte pochen auf den Bestand geltender Vereinbarungen.
RHEIN-KREIS In den Werken von Hydro Aluminium Rolled Products herrscht seit Freitagmorgen eine Stimmung, die der Grevenbroicher Betriebsratsvorsitzende Heinz Höhner als „verhalten euphorisch“beschreibt: Einerseits haben die Beschäftigten endlich Gewissheit darüber, wer die Hydro-Walzsparte kauft. Andererseits mischt ein mulmiges Gefühl mit: Denn viele Fragen sind offen, darunter die, ob die mit Mühe errungenen Arbeitgeberleistungen auch für die New Yorker Investmentgesellschaft KPS Capital Partners Bestand haben.
Mit ihren Unterschriften besiegelten die Chefs der US-Gesellschaft und des norwegischen Hydro-Mutterkonzerns am Freitag den knapp 1,4 Milliarden Euro schweren Deal. Die Amerikaner übernehmen das komplette Walzgeschäft von den Norwegern, deren Verkaufspläne bereits Anfang Februar bekanntgeworden waren. Der Mutterkonzern will sich neu ausrichten und so seine Bilanz stärken.
Mit einer Börseninfo am Freitag um 7.30 Uhr wurde bekannt, mit wem die Konzerspitze über Monate geheim verhandelt hatte. Die Mitglieder des Aufsichtsrats von Hydro Aluminium Deutschland hatten dem Verkauf bereits am Donnerstag bei ihrer Sitzung zugestimmt. Wie Hydro-Sprecher Moritz Rank bestätigte, soll der bisherige Sparten-Vize Einar Glomnes Geschäftsführer der neuen KPS-Marke werden, sobald die Wettbewerbsbehörden dem Geschäft zugestimmt haben.
Der Eigentümerwechsel betrifft im Rhein-Kreis Neuss zusammengerechnet etwa 4500 Beschäftigte, die sich auf den Hydro-Standort in Grevenbroich (1600 Mitarbeiter), auf das Rheinwerk in Neuss (700) und auf Alunorf (2200) verteilen. Bei Alunorf handelt es sich um ein Joint Venture mit Novelis; die Unternehmen halten je 50 Prozent der Anteile. Anfang des Jahres hatte Hydro Rolled Products mit einem Freiwilligenprogramm massiv Personal
abgebaut, allein in Grevenbroich unterschrieben 600 Mitarbeiter Altersteilzeit-, Vorruhestands- oder Abfindungsverträge. Wie ein Insider sagte, werde das Programm von vielen rückblickend als Mittel betrachtet, das Unternehmen vor dem Verkauf „aufzuräumen“.
Für die Mitarbeiter ändere sich zunächst einmal nichts, da der Verkauf als sogenannter Share Deal (Kauf durch Erwerb von Anteilen) abgewickelt werden soll. Die Walzsparte samt Tochtergesellschaften soll gesamtheitlich verkauft werden und weiter bestehen, heißt es in einer Stellungnahme der Gewerkschaften IG Metall und IG BCE.
Die Betriebsräte sehen alle Standorte als einen Verbund. „Wir sind so aufgebaut, dass wir auch ohne Konzern funktionieren“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Höhner. Er will eine Zerstückelung unbedingt vermeiden. In einer Videobotschaft an die Belegschaft, die unserer Redaktion vorliegt, sagte er zum Verkauf der kompletten Sparte, dass der „ganze Kuchen eine neue Glasur“erhalte: „,Tutti' wollen wir auch bleiben. Nur so sind wir effektiv und zukunftsfähig.“Das zeigten auch die Ergebnisse 2020 deutlich.
Im vergangenen Jahr hatte die Walzsparte mit einem Umsatz von 24 Milliarden norwegischen Kronen (umgerechnet 2,35 Milliarden Euro) etwa 17 Prozent des Umsatzes des Gesamtkonzerns erzielt. Auch aktuell soll die Auftragslage sehr gut sein. Vor diesem Hintergrund glaubt Heinz Höhner nicht an eine „Filetierung“der Sparte. Grundsätzlich seien Arbeitnehmervertreter Investoren
gegenüber skeptisch. Höhner begründet den vorsichtigen Optimismus jedoch damit, dass KPS in der Vergangenheit bereits Verträge mit Gewerkschaften geschlossen habe. „Wir werden die Gesellschaft an ihren Taten messen“, betont er.
Die Erwartungen etwa in Bezug auf den Fortbestand der übertariflichen Bezahlung, der betrieblichen Altersvorsorge und den Erhalt von Arbeitsplätzen und Produktionsstätten mit entsprechenden Investitionen in Ausbildung und Maschinen
hat der Betriebsrat bereits formuliert. Eine „Fair-Owner“-Vereinbarung soll den Arbeitnehmern zusätzlich Sicherheit geben.
Die Regelungen für Mitarbeiter sollen verbindlich festgehalten werden, Verhandlungen dazu sollen zeitnah anlaufen. „Das hat Hydro als Ansinnen der Gewerkschaften in den Verkaufsprozess eingebracht“, sagt der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende und IG-Metall-Branchenbeauftragter Manuel Bloemers. In einem ersten
Gespräch habe die KPS signalisiert, die kollektiven Regeln zum Wohl der Mitarbeiter respektieren und diese weiterführen zu wollen.
Aus Sicht der Gewerkschaft ist eine tarifliche Zukunftsvereinbarung wichtig, „damit die derzeit gültigen Tarifverträge, die Sicherung der Altersvorsorge und ein klares Bekenntnis zur deutschen Mitbestimmung fest und verbindlich verankert werden“, sagt Volker Consoir, Geschäftsführer der IG-Metall Düsseldorf-Neuss.