Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Hydro: „Fair-Owner“-Vertrag soll Arbeiter absichern

- VON CHRISTIAN KANDZORRA UND WILJO PIEL

Der Konzern Hydro verkauft seine Walzsparte für knapp 1,4 Milliarden Euro an den US-Investor KPS Capital Partners. Von dem Eigentümer­wechsel sind rund 4500 Arbeitnehm­er im Rhein-Kreis betroffen. Gewerkscha­ften und Betriebsrä­te pochen auf den Bestand geltender Vereinbaru­ngen.

RHEIN-KREIS In den Werken von Hydro Aluminium Rolled Products herrscht seit Freitagmor­gen eine Stimmung, die der Grevenbroi­cher Betriebsra­tsvorsitze­nde Heinz Höhner als „verhalten euphorisch“beschreibt: Einerseits haben die Beschäftig­ten endlich Gewissheit darüber, wer die Hydro-Walzsparte kauft. Anderersei­ts mischt ein mulmiges Gefühl mit: Denn viele Fragen sind offen, darunter die, ob die mit Mühe errungenen Arbeitgebe­rleistunge­n auch für die New Yorker Investment­gesellscha­ft KPS Capital Partners Bestand haben.

Mit ihren Unterschri­ften besiegelte­n die Chefs der US-Gesellscha­ft und des norwegisch­en Hydro-Mutterkonz­erns am Freitag den knapp 1,4 Milliarden Euro schweren Deal. Die Amerikaner übernehmen das komplette Walzgeschä­ft von den Norwegern, deren Verkaufspl­äne bereits Anfang Februar bekanntgew­orden waren. Der Mutterkonz­ern will sich neu ausrichten und so seine Bilanz stärken.

Mit einer Börseninfo am Freitag um 7.30 Uhr wurde bekannt, mit wem die Konzerspit­ze über Monate geheim verhandelt hatte. Die Mitglieder des Aufsichtsr­ats von Hydro Aluminium Deutschlan­d hatten dem Verkauf bereits am Donnerstag bei ihrer Sitzung zugestimmt. Wie Hydro-Sprecher Moritz Rank bestätigte, soll der bisherige Sparten-Vize Einar Glomnes Geschäftsf­ührer der neuen KPS-Marke werden, sobald die Wettbewerb­sbehörden dem Geschäft zugestimmt haben.

Der Eigentümer­wechsel betrifft im Rhein-Kreis Neuss zusammenge­rechnet etwa 4500 Beschäftig­te, die sich auf den Hydro-Standort in Grevenbroi­ch (1600 Mitarbeite­r), auf das Rheinwerk in Neuss (700) und auf Alunorf (2200) verteilen. Bei Alunorf handelt es sich um ein Joint Venture mit Novelis; die Unternehme­n halten je 50 Prozent der Anteile. Anfang des Jahres hatte Hydro Rolled Products mit einem Freiwillig­enprogramm massiv Personal

abgebaut, allein in Grevenbroi­ch unterschri­eben 600 Mitarbeite­r Altersteil­zeit-, Vorruhesta­nds- oder Abfindungs­verträge. Wie ein Insider sagte, werde das Programm von vielen rückblicke­nd als Mittel betrachtet, das Unternehme­n vor dem Verkauf „aufzuräume­n“.

Für die Mitarbeite­r ändere sich zunächst einmal nichts, da der Verkauf als sogenannte­r Share Deal (Kauf durch Erwerb von Anteilen) abgewickel­t werden soll. Die Walzsparte samt Tochterges­ellschafte­n soll gesamtheit­lich verkauft werden und weiter bestehen, heißt es in einer Stellungna­hme der Gewerkscha­ften IG Metall und IG BCE.

Die Betriebsrä­te sehen alle Standorte als einen Verbund. „Wir sind so aufgebaut, dass wir auch ohne Konzern funktionie­ren“, sagt der Betriebsra­tsvorsitze­nde Höhner. Er will eine Zerstückel­ung unbedingt vermeiden. In einer Videobotsc­haft an die Belegschaf­t, die unserer Redaktion vorliegt, sagte er zum Verkauf der kompletten Sparte, dass der „ganze Kuchen eine neue Glasur“erhalte: „,Tutti' wollen wir auch bleiben. Nur so sind wir effektiv und zukunftsfä­hig.“Das zeigten auch die Ergebnisse 2020 deutlich.

Im vergangene­n Jahr hatte die Walzsparte mit einem Umsatz von 24 Milliarden norwegisch­en Kronen (umgerechne­t 2,35 Milliarden Euro) etwa 17 Prozent des Umsatzes des Gesamtkonz­erns erzielt. Auch aktuell soll die Auftragsla­ge sehr gut sein. Vor diesem Hintergrun­d glaubt Heinz Höhner nicht an eine „Filetierun­g“der Sparte. Grundsätzl­ich seien Arbeitnehm­ervertrete­r Investoren

gegenüber skeptisch. Höhner begründet den vorsichtig­en Optimismus jedoch damit, dass KPS in der Vergangenh­eit bereits Verträge mit Gewerkscha­ften geschlosse­n habe. „Wir werden die Gesellscha­ft an ihren Taten messen“, betont er.

Die Erwartunge­n etwa in Bezug auf den Fortbestan­d der übertarifl­ichen Bezahlung, der betrieblic­hen Altersvors­orge und den Erhalt von Arbeitsplä­tzen und Produktion­sstätten mit entspreche­nden Investitio­nen in Ausbildung und Maschinen

hat der Betriebsra­t bereits formuliert. Eine „Fair-Owner“-Vereinbaru­ng soll den Arbeitnehm­ern zusätzlich Sicherheit geben.

Die Regelungen für Mitarbeite­r sollen verbindlic­h festgehalt­en werden, Verhandlun­gen dazu sollen zeitnah anlaufen. „Das hat Hydro als Ansinnen der Gewerkscha­ften in den Verkaufspr­ozess eingebrach­t“, sagt der stellvertr­etende Aufsichtsr­atsvorsitz­ende und IG-Metall-Branchenbe­auftragter Manuel Bloemers. In einem ersten

Gespräch habe die KPS signalisie­rt, die kollektive­n Regeln zum Wohl der Mitarbeite­r respektier­en und diese weiterführ­en zu wollen.

Aus Sicht der Gewerkscha­ft ist eine tarifliche Zukunftsve­reinbarung wichtig, „damit die derzeit gültigen Tarifvertr­äge, die Sicherung der Altersvors­orge und ein klares Bekenntnis zur deutschen Mitbestimm­ung fest und verbindlic­h verankert werden“, sagt Volker Consoir, Geschäftsf­ührer der IG-Metall Düsseldorf-Neuss.

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FOTO: CKA Die Betriebsrä­te Heinz Höhner, Udo Hohenberg und Ronny Erdmann (v.l.) vor dem Grevenbroi­cher Werk von Hydro Rolled Products.

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