Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Fiese Männer zum Weltfrauen­tag

Kommissar Borowski und Kollegin Mila Sahin machen Jagd auf Verschwöru­ngstheoret­iker.

- VON CHRISTIAN SIEBEN

KIEL Am Rande einer Kieler Industrieb­rache wird die Leiche einer jungen Frau gefunden. Das Opfer wurde mit Tritten übel zugerichte­t, doch die Todesursac­he ist unklar. In der Nähe des Fundorts befindet sich eine Disco, deren Besucher Drogen nicht abgeneigt sind. Klaus Borowski (Axel Milberg) und seine Kollegin MA ila Sahin (Almila Bagriacik) finden am Tatort die Zahl 14, das nicht mehr ganz so geheime Erkennungs­zeichen einer rechtsradi­kalen Bewegung aus den USA, deren Mitglieder die „Macht des weißen Mannes“mit allen Mitteln verteidige­n wollen.

Mitglieder der Bewegung propagiere­n die Verschwöru­ngstheorie, dass die westliche Frau deshalb berufstäti­g und emanzipier­t sein soll, damit sie weniger Kinder bekommt. Dies wiederum soll es Menschen anderer Hautfarbe erleichter­n, im sogenannte­n Abendland die Vorherrsch­aft zu übernehmen. Einen Verdächtig­en haben Borowski und Sahin auch schnell am Wickel: den jungen Parkhauswä­chter Mario Lohse, der bei den Frauen wenig Glück hat, sich nachts in rechtsradi­kalen Chatgruppe­n herumtreib­t und kurz vor dem Mord in der Disco vergeblich versucht hatte, dem späteren Opfer Avancen zu machen. Im Zuge der Ermittlung­en schleust sich Borowski undercover in die Selbsthilf­egruppe eines dubiosen „Pickup-Artists“(toll gespielt von Arnd Klawitter) ein, der mit seinen am Leben gescheiter­ten Seminartei­lnehmern klandestin­e Absichten zu verfolgen scheint. Die Gruppe steht unter anderem im Verdacht, etwas mit den seit Wochen laufenden Drohungen gegen eine Kieler

Lokalpolit­ikerin und Feministin zu tun zu haben.

„Borowski und die Angst der weißen Männer“von Regisseuri­n Nicole Wegmann thematisie­rt am Vorabend des Weltfrauen­tags die wachsende Gefahr durch sogenannte Incel-Täter („involuntar­y celibacy“, zu Deutsch „unfreiwill­iges Zölibat“). Gemeint sind meist junge, bei Frauen chronisch erfolglose Männer, deren sexuelles Unvermögen sich in Hass gegen Frauen verwandelt. In Chatgruppe­n radikalisi­eren sich die Männer, es werden Gewaltfant­asien und rechtsradi­kale Verschwöru­ngstheorie­n ausgetausc­ht. Der Attentäter von Hanau, der im Februar 2020 neun Menschen mit Migrations­hintergrun­d erschossen hat, wird von Experten der Incel-Szene zugerechne­t.

Die Autoren Peter Probst und Daniel Nocke versuchen, das Incel-Milieu und die Mechanisme­n der Radikalisi­erung genau zu beschreibe­n. Dass einige Szenen etwas dick aufgetrage­n und klischeebe­laden geraten sind, lässt sich da nicht immer vermeiden. Doch stellenwei­se hat der Zuschauer leider das Gefühl, er habe es nicht mit einem Krimi, sondern mit der Verfilmung des Wikipedia-Eintrags „Incel“zu tun. Dass Borowski der einzige halbwegs sympathisc­he Mann ist, den der Zuschauer in 90 Minuten sieht, muss man aufgrund der Thematik wohl auch verzeihen. Anderersei­ts arbeitet der Film sehenswert die kleinen, alltäglich­en Momente heraus, in denen Frauen mit feindliche­n, aggressive­n und herablasse­nden Anwürfen von präpotente­n Männern zu kämpfen haben. Dass die neue Ermittleri­n Mila Sahin den früher etwas gemächlich­en Fällen aus Kiel neuen Drive verleiht, wurde schon in den vergangene­n Fällen deutlich. Alles in allem lohnt sich alsot tatsächlic­h das Einschalte­n.

„Borowski und die Angst der weißen Männer“: Das Erste, So. 20.15 Uhr

 ?? FOTO: NDR/CHRISTINE SCHROEDER ?? Kommissar Borowski (Axel Milberg, links) ermittelt im Gespräch mit Hank Massmann (Arndt Klawitter) auch in einer recht zwielichti­gen Selbsthilf­egruppe für enttäuscht­e Männer.
FOTO: NDR/CHRISTINE SCHROEDER Kommissar Borowski (Axel Milberg, links) ermittelt im Gespräch mit Hank Massmann (Arndt Klawitter) auch in einer recht zwielichti­gen Selbsthilf­egruppe für enttäuscht­e Männer.

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