Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Dem Bienenfres­ser auf der Spur

- VON ERNST LEISTE

In den Lößhängen des Kaiserstuh­ls im Südwesten BadenWürtt­embergs ist der kunterbunt­e Vogel aus den Subtropen wieder heimisch.

„Weißt Du eigentlich, dass ganz bei uns in der Nähe exotische Vögel wieder heimisch werden?“, fragt mich mein Schwager Rainer, als ich ihn in Freiburg besuche. „Im Kaiserstuh­l ist nämlich mit etwas Glück der Bienenfres­ser, der zu den farbenpräc­htigsten Vögeln Europas zählt, zu bewundern. Eigentlich stammt er aus den Tropen, baut aber seit einigen Jahren in den Lößhängen des Kaiserstuh­ls seine Bruthöhlen. Und es gibt sogar einen speziellen Bienenfres­serpfad, der einen Ausflug wert ist.“

Das klingt sehr interessan­t. Doch bevor wir loswandern, machen wir noch einen Halt im Naturzentr­um Kaiserstuh­l in Ihringen, das vom Schwarzwal­dverein getragen wird, und erfahren dort von Birgit Sütterlin und Reinhold Treiber noch interessan­te Einzelheit­en zu der geplanten Tour. „Die wunderschö­nen Vögel, die eigentlich in südlichen Gefilden zu Hause sind, profitiere­n eindeutig vom Klimawande­l“, erläutert uns Birgit Sütterlin. „Wir beobachten hier am Kaiserstuh­l in den vergangene­n Jahren deutlich mehr Brutpaare. Flurberein­igungen in der Gegend werden seit ein paar Jahren vom Naturzentr­um Kaiserstuh­l ökologisch begleitet.“

Bevor wir uns auf die Suche begeben, erklimmen wir noch – allerdings nicht per Rennrad, sondern im Auto – den Texaspass, der die beiden Orte Oberbergen und Kiechlinsb­ergen verbindet, und von wo aus man eine grandiose Aussicht in die üppige Landschaft des Kaiserstuh­ls genießen kann. Bekannt ist der Pass, der eigentlich eher in den USA zu vermuten wäre, bei Bikern vor allem durch das Radrennen Regio-Tour, das im Dreiländer­eck zum Elsass und der Schweiz stattfinde­t. Die Schlusseta­ppe führt dabei immer auf einem Rundweg durch den Kaiserstuh­l, wobei der 385 Meter hohe Texaspass mehrere Male erklommen werden muss.

Unseren Einstieg in den 16,1 Kilometer langen Bienenfres­serpfad, der von Ihringen bis Königschaf­fhausen führt, nehmen wir im Weindorf Bickensohl. Bald danach erreichen wir Hohlgassen aus Löß und sichten darin eine Vielzahl von

Bruthöhlen, die die in Kolonien lebenden Vögel bis zu zwei Meter tief graben und in denen sie während der Brutzeit zwischen Mai und Juni im Durchschni­tt drei bis fünf Jungvögel aufziehen. Bereits nach kurzem Warten wird unser Ausflug belohnt, denn wir sichten auf einem Ast zwei der bunten Gesellen, die sich sogar per Teleobjekt­iv ablichten lassen und mit „prr prr prr“auf sich aufmerksam machen.

Die Hohlgassen aus Löß haben sich im Laufe der Jahrhunder­te gebildet, als die Kaiserstüh­ler Vorfahren noch mit Pferd- und Ochsenkarr­en unterwegs waren. Mit dem Tritt der Zugtiere, dem Rollen der Wagenräder und dem Bremskeil wurde der Lößuntergr­und zu pulverförm­igem Staub zermahlen und gleichzeit­ig festgetret­en. Der Regen tat sein Übriges und schwemmte in Bächen den Löß nach unten ab. Insgesamt existieren am Kaiserstuh­l um die 100 Hohlwege.

Der Bienenfres­serpfad schlängelt sich in einem steten Auf und Ab durch die Weinberge, und immer wieder gibt es schöne Ausblicke auf die Rheinebene und die Vogesen. Einen Höhepunkt des Weges bilden dann noch die Aussichtsp­unkte bei Kiechlinsb­ergen, von wo aus sich im Dunst die Spitze des Straßburge­r Münsters erahnen lässt.

„Aufgrund seines Nahrungssp­ektrums ist der Bienenfres­ser auf ein warmes Klima angewiesen“, erläutert Claudia Wild, Pressespre­cherin des Nabu Baden-Württember­g auf Anfrage. „Im Laufe der Jahrhunder­te hat der papageienb­unte Vogel sein Areal immer mal wieder nach Norden ausgeweite­t. Derzeit ist er wieder auf dem Vormarsch, sogar in Dänemark wurden Brutpaare beobachtet. In Baden-Württember­g bietet ihm das Gebiet am sonnigen Kaiserstuh­l, wo der Bienenfres­ser seit 1990 wieder heimisch ist, mit seinen Lößböden die besten Bedingunge­n.“

Etwa so groß wie eine Amsel und bunt wie ein Papagei ist der Bienenfres­ser mit seiner schwarz abgesetzte­n gelben Kehle, seinem kastanienb­raunen bis orangenen Rücken und dem leuchtend türkisfarb­enen Bauch einer der farbenpräc­htigsten Vögel Europas. Sein Schnabel ist spitz, lang und leicht gebogen und damit zur Jagd von Schmetterl­ingen, Käfern, Libellen, und – wie sein Name verrät – Bienen, Wespen, Hummeln und Hornissen bestens geeignet. Wie der Nabu weiter berichtet, knetet der Bienenfres­ser giftige Insekten

sorgfältig durch und drückt deren Giftdrüsen an Zweigen aus, bevor er das Beutetier verschluck­t oder an seine Jungen verfüttert.

„Um dem rapiden Insektenrü­ckgang entgegenzu­wirken, wird im Kaiserstuh­l zwischen den Rebstöcken artenreich­e Kräutersaa­t ausgebrach­t und so die Insektenwe­lt gefördert“, erläutert Reinhold Treiber vom Naturzentr­um Kaiserstuh­l. „Zusätzlich werden die zahllosen Rebböschun­gen durch den Landschaft­serhaltung­sverband so gepflegt, dass blütenreic­he Bereiche erhalten bleiben und gefördert werden. Diese ökologisch vorbildlic­hen Maßnahmen für bessere Nahrungsbe­dingungen sind vor allem dem großen Engagement zahlreiche­r umweltbewu­sster Winzer zu verdanken“, sagt der Experte. „Diese setzen im Weinbau schon seit Jahren keine Insektizid­e mehr ein, sondern bekämpfen die Vermehrung des Traubenwic­klers, eines gefährlich­en Schädlings für die Reben, durch Pheromone und den Einsatz von Verwirrung­sverfahren. Die häufig ökologisch zertifizie­rten Winzer tragen maßgeblich zur Landschaft­serhaltung bei. Und das dadurch verbessert­e Nahrungsan­gebot erlaubt es dem farbenfroh­en Bienenfres­ser, sich hier erfolgreic­h fortzupfla­nzen.“

Für unseren nächsten Aufenthalt am Kaiserstuh­l haben wir auch bereits Pläne. Denn es gibt viele ornitholog­ische Exkursione­n in Jahresprog­ramm des Naturzentr­ums Kaiserstuh­l. Die meisten finden von April bis Anfang Juli statt. Zudem locken herrliche Wanderunge­n durch Weinberge, Wald und Wiesen, bei denen es eine mediterran­e Pflanzenwe­lt und 23 Orchideena­rten zu entdecken gilt. Und mit etwas Glück findet man seltene Vögel wie Nachtigall, Pirol, Wiedehopf, Zaunammer oder Steinkauz, unzählige Schmetterl­inge oder vielleicht auch Smaragdeid­echsen und eine Gottesanbe­terin.

Für sportliche Akteure gibt es dann noch ein besonderes Highlight: den von Breisach bis Sasbach führenden Wiedehopfp­fad. Der Weg führt von Breisach über Achkarren, Oberrotwei­l, Burkheim und Jechtingen nach Sasbach und misst stolze 31,5 Kilometer. Diverse Anstiege verlangen eine gute Kondition. „Da musst du noch ein wenig trainieren“, merkt mein Schwager Rainer an und schmunzelt.

Mehr unter www.naturgarte­nkaiserstu­hl.de/de-de/wege/ bienenfres­serpfad

 ?? FOTO: ERNST LEISTE ?? Blick vom Texaspass in den Kaiserstuh­l
FOTO: ERNST LEISTE Blick vom Texaspass in den Kaiserstuh­l
 ?? FOTO: NABU/TOM DOVE ?? Der auffallend bunte Bienenfres­ser überwinter­t in Afrika. Die Vogelart ist recht scheu.
FOTO: NABU/TOM DOVE Der auffallend bunte Bienenfres­ser überwinter­t in Afrika. Die Vogelart ist recht scheu.

Newspapers in German

Newspapers from Germany