Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Dem Bienenfresser auf der Spur
In den Lößhängen des Kaiserstuhls im Südwesten BadenWürttembergs ist der kunterbunte Vogel aus den Subtropen wieder heimisch.
„Weißt Du eigentlich, dass ganz bei uns in der Nähe exotische Vögel wieder heimisch werden?“, fragt mich mein Schwager Rainer, als ich ihn in Freiburg besuche. „Im Kaiserstuhl ist nämlich mit etwas Glück der Bienenfresser, der zu den farbenprächtigsten Vögeln Europas zählt, zu bewundern. Eigentlich stammt er aus den Tropen, baut aber seit einigen Jahren in den Lößhängen des Kaiserstuhls seine Bruthöhlen. Und es gibt sogar einen speziellen Bienenfresserpfad, der einen Ausflug wert ist.“
Das klingt sehr interessant. Doch bevor wir loswandern, machen wir noch einen Halt im Naturzentrum Kaiserstuhl in Ihringen, das vom Schwarzwaldverein getragen wird, und erfahren dort von Birgit Sütterlin und Reinhold Treiber noch interessante Einzelheiten zu der geplanten Tour. „Die wunderschönen Vögel, die eigentlich in südlichen Gefilden zu Hause sind, profitieren eindeutig vom Klimawandel“, erläutert uns Birgit Sütterlin. „Wir beobachten hier am Kaiserstuhl in den vergangenen Jahren deutlich mehr Brutpaare. Flurbereinigungen in der Gegend werden seit ein paar Jahren vom Naturzentrum Kaiserstuhl ökologisch begleitet.“
Bevor wir uns auf die Suche begeben, erklimmen wir noch – allerdings nicht per Rennrad, sondern im Auto – den Texaspass, der die beiden Orte Oberbergen und Kiechlinsbergen verbindet, und von wo aus man eine grandiose Aussicht in die üppige Landschaft des Kaiserstuhls genießen kann. Bekannt ist der Pass, der eigentlich eher in den USA zu vermuten wäre, bei Bikern vor allem durch das Radrennen Regio-Tour, das im Dreiländereck zum Elsass und der Schweiz stattfindet. Die Schlussetappe führt dabei immer auf einem Rundweg durch den Kaiserstuhl, wobei der 385 Meter hohe Texaspass mehrere Male erklommen werden muss.
Unseren Einstieg in den 16,1 Kilometer langen Bienenfresserpfad, der von Ihringen bis Königschaffhausen führt, nehmen wir im Weindorf Bickensohl. Bald danach erreichen wir Hohlgassen aus Löß und sichten darin eine Vielzahl von
Bruthöhlen, die die in Kolonien lebenden Vögel bis zu zwei Meter tief graben und in denen sie während der Brutzeit zwischen Mai und Juni im Durchschnitt drei bis fünf Jungvögel aufziehen. Bereits nach kurzem Warten wird unser Ausflug belohnt, denn wir sichten auf einem Ast zwei der bunten Gesellen, die sich sogar per Teleobjektiv ablichten lassen und mit „prr prr prr“auf sich aufmerksam machen.
Die Hohlgassen aus Löß haben sich im Laufe der Jahrhunderte gebildet, als die Kaiserstühler Vorfahren noch mit Pferd- und Ochsenkarren unterwegs waren. Mit dem Tritt der Zugtiere, dem Rollen der Wagenräder und dem Bremskeil wurde der Lößuntergrund zu pulverförmigem Staub zermahlen und gleichzeitig festgetreten. Der Regen tat sein Übriges und schwemmte in Bächen den Löß nach unten ab. Insgesamt existieren am Kaiserstuhl um die 100 Hohlwege.
Der Bienenfresserpfad schlängelt sich in einem steten Auf und Ab durch die Weinberge, und immer wieder gibt es schöne Ausblicke auf die Rheinebene und die Vogesen. Einen Höhepunkt des Weges bilden dann noch die Aussichtspunkte bei Kiechlinsbergen, von wo aus sich im Dunst die Spitze des Straßburger Münsters erahnen lässt.
„Aufgrund seines Nahrungsspektrums ist der Bienenfresser auf ein warmes Klima angewiesen“, erläutert Claudia Wild, Pressesprecherin des Nabu Baden-Württemberg auf Anfrage. „Im Laufe der Jahrhunderte hat der papageienbunte Vogel sein Areal immer mal wieder nach Norden ausgeweitet. Derzeit ist er wieder auf dem Vormarsch, sogar in Dänemark wurden Brutpaare beobachtet. In Baden-Württemberg bietet ihm das Gebiet am sonnigen Kaiserstuhl, wo der Bienenfresser seit 1990 wieder heimisch ist, mit seinen Lößböden die besten Bedingungen.“
Etwa so groß wie eine Amsel und bunt wie ein Papagei ist der Bienenfresser mit seiner schwarz abgesetzten gelben Kehle, seinem kastanienbraunen bis orangenen Rücken und dem leuchtend türkisfarbenen Bauch einer der farbenprächtigsten Vögel Europas. Sein Schnabel ist spitz, lang und leicht gebogen und damit zur Jagd von Schmetterlingen, Käfern, Libellen, und – wie sein Name verrät – Bienen, Wespen, Hummeln und Hornissen bestens geeignet. Wie der Nabu weiter berichtet, knetet der Bienenfresser giftige Insekten
sorgfältig durch und drückt deren Giftdrüsen an Zweigen aus, bevor er das Beutetier verschluckt oder an seine Jungen verfüttert.
„Um dem rapiden Insektenrückgang entgegenzuwirken, wird im Kaiserstuhl zwischen den Rebstöcken artenreiche Kräutersaat ausgebracht und so die Insektenwelt gefördert“, erläutert Reinhold Treiber vom Naturzentrum Kaiserstuhl. „Zusätzlich werden die zahllosen Rebböschungen durch den Landschaftserhaltungsverband so gepflegt, dass blütenreiche Bereiche erhalten bleiben und gefördert werden. Diese ökologisch vorbildlichen Maßnahmen für bessere Nahrungsbedingungen sind vor allem dem großen Engagement zahlreicher umweltbewusster Winzer zu verdanken“, sagt der Experte. „Diese setzen im Weinbau schon seit Jahren keine Insektizide mehr ein, sondern bekämpfen die Vermehrung des Traubenwicklers, eines gefährlichen Schädlings für die Reben, durch Pheromone und den Einsatz von Verwirrungsverfahren. Die häufig ökologisch zertifizierten Winzer tragen maßgeblich zur Landschaftserhaltung bei. Und das dadurch verbesserte Nahrungsangebot erlaubt es dem farbenfrohen Bienenfresser, sich hier erfolgreich fortzupflanzen.“
Für unseren nächsten Aufenthalt am Kaiserstuhl haben wir auch bereits Pläne. Denn es gibt viele ornithologische Exkursionen in Jahresprogramm des Naturzentrums Kaiserstuhl. Die meisten finden von April bis Anfang Juli statt. Zudem locken herrliche Wanderungen durch Weinberge, Wald und Wiesen, bei denen es eine mediterrane Pflanzenwelt und 23 Orchideenarten zu entdecken gilt. Und mit etwas Glück findet man seltene Vögel wie Nachtigall, Pirol, Wiedehopf, Zaunammer oder Steinkauz, unzählige Schmetterlinge oder vielleicht auch Smaragdeidechsen und eine Gottesanbeterin.
Für sportliche Akteure gibt es dann noch ein besonderes Highlight: den von Breisach bis Sasbach führenden Wiedehopfpfad. Der Weg führt von Breisach über Achkarren, Oberrotweil, Burkheim und Jechtingen nach Sasbach und misst stolze 31,5 Kilometer. Diverse Anstiege verlangen eine gute Kondition. „Da musst du noch ein wenig trainieren“, merkt mein Schwager Rainer an und schmunzelt.
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