Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Willkommen im Clubhouse
Es gibt eine neuen Grund, Arbeiten aufzuschieben: die Social-Media-App Clubhouse bietet jede Menge Ablenkung im Studentenalltag.
Die unzähligen Verführungen der Prokrastination sind seit einigen Wochen um eine Komponente reicher geworden: die Social-Media-App Clubhouse. Zugegeben, die erste Welle ist schon wieder leicht verebbt, dennoch hat sich Clubhouse für manchen als einen neuen Zeitkiller etabliert.
Die App hält ein einfaches Konzept bereit, das viele Möglichkeiten mit sich bringt. Man tritt einem Raum bei oder eröffnet einen eigenen, wählt eine Handvoll Redner aus und tauscht sich aus. Jeder kann beitreten, zuhören und gegebenenfalls mitreden, sofern er oder sie von einem Moderator ausgewählt wird. Quasi eine riesige Talkrunde, wenn man mitreden möchte. Oder aber ein nie enden wollender Podcast, wenn man als stiller Zuhörer fungiert.
Der Algorithmus schlägt einem dauerhaft Räume zum Beitreten vor. Die Themen sind vielfältig und jeder kann sich frei äußern. Das kann auch einmal anstrengend werden, denn manchem Teilnehmer
geht eine gesittete Diskussionskultur abhanden. Es kann aber auch wirklich erhellend sein, da man Einblicke bekommt, die man in gescripteten Formaten wahrscheinlich kaum erleben würde.
So erfährt man beispielsweise von Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow, wie es auf den Ministerkonferenzen zugeht, welches Level er bei Candy
Crush erreicht hat und welchen Spitznamen die Ministerpräsidenten Angela Merkel hinter vorgehaltener Hand gegeben haben. Auch andere Personen des öffentlichen Lebens haben sich bereits um Kopf und Kragen geredet – und im Nachhinein wohl etwas zu sehr aus dem Nähkästchen geplaudert.
Aber Clubhouse erfährt auch eine Menge Kritik. Denn Verstöße, die nicht von der Rede- und Meinungsfreiheit gedeckt werden, bleiben ungeahndet. Und es ist mehr als fragwürdig, dass Clubhouse versucht, auf die Telefonbücher der Nutzer zuzugreifen, was bei fahrlässiger Zustimmung zu der Datenfreigabe Dritter führt.
In Clubhouse schlummert eine Menge Potenzial. Die App befindet sich in der Beta-Version und bedarf Nachbesserungen. Aber ich bin mir sicher, dass sie in Zukunft noch einigen den Schlaf rauben wird, etwa wenn man nachts um drei noch völlig fremden Menschen beim Diskutieren zuhört – und seit Tagen mit der Hausarbeit beginnen sollte.