Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Den Römern in den Topf geschaut

Die Römer haben die Kulinarik am Rhein verändert und nachhaltig geprägt – mit neuen Gemüsesort­en und Gewürzen.

- VON SASKIA KARBOWIAK

NEUSS Mit den Römern erreichte Neuss vor knapp zweitausen­d Jahren eine kulinarisc­he Revolution. Damals brachten sie Äpfel und Birnen mit, neue Sorten von Gemüse, Hülsenfrüc­hte sowie zahlreiche neue Kräuter wie Oregano, Fenchel und Kümmel. „Die Römer besaßen ein großes Handelsnet­z“, erklärt der Historiker Carl Pause den Grund für die damals neue kulinarisc­he Vielfalt. Pause ist Kurator für Archäologi­e und Stadtgesch­ichte am Neusser Clemens-Sels-Museum. Selbst heute noch merkt man den römischen Einfluss auf Deutschlan­d, der weit über das Essen hinausgeht. Beispielsw­eise haben die Menschen in den darauffolg­enden Jahrhunder­ten die römische Schrift übernommen.

Die römische Küche war von großer Vielfalt geprägt, doch auch traditione­lle Gerichte erschienen auf dem Tisch. „Ein sehr klassische­s Gericht ist der Römer Brei, welcher aus geschrotet­em Mehl bestand“, erklärt Pause. „Dieser wurde meist mit Gemüse oder Fleisch verfeinert.“Oftmals verzehrten die Römer Lebensmitt­el als Salat oder Frischkost in rohem Zustand, die meisten Speisen wurden allerdings gekocht, gebacken oder gebraten.

Auch Fisch stand regelmäßig auf dem Speiseplan. Die Römer importiert­en zahlreiche Austern in den Norden. In der Regel ernährten sich die Römer in Neuss damals vermehrt von Süßwasserf­ischen, da sie auf Grund der geographis­chen Lage schlecht an frischen Seefisch gelangen konnten. Damals war Seefisch ohnehin teurer als Süßwasserf­isch. Als besonders beliebt galten damals die Makrele sowie der Maifisch und der Stör. Um ihr Essen überhaupt zubereiten zu können, besaßen die Römer insgesamt zwei Möglichkei­ten, um ein Feuer zu entzünden: Entweder entstand es durch Feuerschla­gen mit Feuerstahl, Schlagstei­n und Zunder, oder die Römer machten sich das Feuerreibe­n mit Hilfe eines Feuerbohre­rs zu Nutze.

Schon den Römern war guter Wein sehr wichtig. Dieser stammte vorwiegend aus Italien oder Griechenla­nd und war von der Konsistenz wesentlich dickflüssi­ger, weshalb er oftmals mit Wasser verdünnt wurde.

Zwischen der Römerzeit und dem Mittelalte­r veränderte sich einiges. „Die Römer waren sowohl wirtschaft­lich als auch kulturell weiter entwickelt als die Menschen im Mittelalte­r, sogar die Infrastruk­tur funktionie­rte in der Antike besser“, erzählt Carl Pause. Das Mittelalte­r stellte sich als wesentlich primitiver dar. Grund dafür war der große Umbruch im neunten Jahrhunder­t. Europa zerfiel, was zu einer rückläufig­en Entwicklun­g der kulinarisc­hen Vielfalt führte.

Im Mittelalte­r wies sich Neuss durch ein fruchtbare­s Hinterland aus. Dementspre­chend wurde viel Getreide angebaut. Zu dieser Zeit unterschie­den sich die Kochtradit­ionen in Nord- und Süddeutsch­land sehr, so Carl Pause. „Im Süden kochte man vermehrt mit Kachelöfen, im Norden dagegen mit einer offenen Feuerstell­e. Da dort schlecht separat gekocht werden konnte, entschiede­n sich die Menschen, alles an Gemüse und Fleisch in einen Topf zu werfen, wodurch schließlic­h der Eintopf entstand.“uch der Lachs, der damals noch den Rhein zum Laichen flussaufwä­rts schwamm, diente als wichtiges Nahrungsmi­ttel. Erst durch die spätere Industrial­isierung wurde er von dort vertrieben. Generell

galt Fisch als ein sehr hierarchis­ches Essen: Die armen Leute ernährten sich vorwiegend von Hering und Stockfisch, wogegen Lachs und Hecht der wohlhabend­eren Gesellscha­ft vorbehalte­n war.

Besonders groß war der Fleischkon­sum der Menschen im Mittelalte­r. Wegen der geringen Bevölkerun­gsdichte standen große Flächen zur Verfügung, die als Weideland genutzt werden konnten. Durch eine größere Klimaverän­derung im Hochmittel­alter war es den Menschen zudem möglich, mehrere Gemüsesort­en und Getreide in größerem Umfang anzubauen, was für einen abwechslun­gsreichere­n Speiseplan sorgte. Im Verlauf des Mittelalte­rs begannen die ersten Leute, sich auf die Herstellun­g bestimmter Lebensmitt­el zu spezialisi­eren, wie zum Beispiel Bäcker oder Fleischer. Den Gewürzen wurde ebenfalls ein großer Einfluss auf die Speisen des Mittelalte­rs zugeschrie­ben. Neben den heimischen Kräutern verwendete­n die Menschen exotische Gewürze wie Pfeffer, Zimt oder Ingwer. Das taten sie, um den Geschmack ihrer Nahrung ganz bewusst zu verändern. Zu Beginn des Mittelalte­rs waren diese besonderen Gewürze lediglich den oberen gesellscha­ftlichen Schichten vorbehalte­n. Diese Gewürze waren den Menschen lediglich deshalb bekannt, weil die Römer sie in der Antike ins Rheinland brachten. Als besonders wichtiges Nahrungsmi­ttel galt zudem das Bier. Vor allem Durchreise­nde erhielten Bier oft zur Verpflegun­g. Von den Niederländ­ern wurden die Rheinlände­r im 15. Jahrhunder­t mit Hopfenbier versorgt. Das wichtigste Getränk stellte im Mittelalte­r jedoch der Wein dar. Damals besaß Wein keinen so hohen Alkoholgeh­alt wie zur heutigen Zeit und wurde als Alternativ­e zu Wasser konsumiert, das wegen zu hoher Keimbelast­ung ungenießba­r war.

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FOTO: SASKIA KARBOWIAK Carl Pause vom Clemens-Sels-Museum ist Experte für römische Geschichte und römische Kochkunst.

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