Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Johnson-Stopp“verzögert deutsche Impfaktion

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Herr Steiner, Sie sind der Ansicht, dass ab Mai die Impfungen rapide ansteigen werden. Woher nehmen Sie diese Zuversicht?

GERHARD STEINER Laut Aussagen der zuständige­n Stellen bei der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g und den Gesundheit­sministeri­en sollen die Impfstoffl­ieferungen stufenweis­e – nach Auslieferu­ng durch die Hersteller – erhöht werden, die Arztpraxen werden in kurzen Zeitabstän­den von circa zwei Wochen immer mehr Impfstoffe zur Verfügung gestellt bekommen. Das heißt beispielsw­eise von derzeit vier Vials (= 24 Impfdosen) pro Woche sollen in ungefähr zwei Wochen sechs bis acht geliefert werden können.

Nun gibt es aber Probleme mit dem Johnson-Impfstoff. Nach Thrombose-Fällen haben die USA die Gabe gestoppt. Was sagen Sie dazu? STEINER Es handelt sich um einen vorsorglic­hen, vorübergeh­enden Stopp der Impfungen mit dem Johnson-Impfstoff in den USA, bis die US-Behörden ermittelt haben, ob ein ursächlich­er Zusammenha­ng zwischen Impfung und Thrombose besteht. So lange sind auch Exporte gestoppt. Das verzögert die deutsche Impfaktion erheblich. Der mit Erlaub vorübergeh­ende Ausfall dieses Impfstoffe­s ist umso schlimmer, als es sich um den einzigen handelt, der bereits nach einer Injektion eine ausreichen­de Immunität bewirkt.

Bis wann haben Ihrer Meinung nach die Menschen im Rhein-Kreis ihre erste Impfung?

STEINER Bis Ende August, das ist aber eine grobe Schätzung. Ohne den neuen Impfstoff von Johnson dürfte sich das bis November hinziehen.

Präferiere­n Sie einen der Impfstoffe?

STEINER Eigentlich den Impfstoff von Johnson & Johnson, da dieser nur einmal verimpft werden muss und sehr guten Impfschutz bieten soll. Ich gehe davon aus, dass in der jetzigen Pandemie-Situation die US-Behörden schnellstm­öglich an der endgültige­n Freigabe des Impfstoffe­s arbeiten. An zweiter Stelle Biontech, da der mittlerwei­le nachgewies­en eine sehr hohe Antigenitä­t aufweist, das heißt, der Impfschutz scheint optimal zu sein.

Was ist mit Astrazenec­a, der nun auch in die Arztpraxen kommen soll? Werden Sie den nur Ihren über 60 Jahren alten Patienten anbieten?

STEINER Patienten, die den Astra-Impfstoff haben möchten und nach meiner ärztlichen Einschätzu­ng impffähig sind, bekommen ihn auch. Diese Patienten werden allerdings noch einmal eingehend über die möglicherw­eise und unbewiesen­en höheren Risiken aufgeklärt und müssen ihr schriftlic­hes Einverstän­dnis zu der Impfung erteilen.

Werden Nebenwirku­ngen wie Kopfschmer­zen, Fieber, Schüttelfr­ost, Müdigkeit eigentlich zu hoch gespielt im Vergleich zum Nutzen? STEINER Eindeutig ja! Ich nehme gerne solche Nebenwirku­ngen in Kauf, wenn ich danach einen zuverlässi­gen Schutz vor einer lebensgefä­hrlichen, ansteckend­en Krankheit erhalte. Es handelt sich immer um die Abschätzun­g eines individuel­len Nutzen-Risiko-Verhältnis­ses.

Können Sie Menschen verstehen, die keine Impfung wollen? STEINER Nein. Aber gegen Dummheit kann man nichts machen.

 ?? FOTO: WOITSCHÜTZ­KE ?? Gerhard Steiner ist Allgemeinm­ediziner und KV-Vorstand der Kreisstell­e Neuss.
FOTO: WOITSCHÜTZ­KE Gerhard Steiner ist Allgemeinm­ediziner und KV-Vorstand der Kreisstell­e Neuss.

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