Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Wir stehen vor einer Zeitenwend­e“

Sie sitzen bereits im Bundestag und wollen das auch weiterhin: Die FDP-Politiker sprechen über Herausford­erungen im Rhein-Kreis.

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Herr Djir-Sarai, Listenplat­z 6, haben Sie irgendwelc­he Zweifel, nach der Wahl am 26. September wieder dem Bundestag anzugehöre­n? BIJAN DJIR-SARAI Nein. Wie bereits 2017 bin ich mir sehr sicher, dass die FDP mit einem guten Ergebnis wieder in den Deutschen Bundestag einziehen wird. Die FDP-Bundestags­fraktion begleitet das Handeln der großen Koalition sachlich und bringt beständig eigene stets konstrukti­ve Vorschläge ein. An den Zuschrifte­n, die ich in mein Büro bekomme, aber auch an der aufsteigen­den Tendenz in den Umfragen erkenne ich, dass die Menschen Zustimmung signalisie­ren zu unserem Politiksti­l und unseren Ideen. Ich rechne daher mit einem guten Ergebnis der FDP und blicke optimistis­ch auf die Wahl im September.

Herr Fricke, ist die „7“Ihre Glückszahl? Auch Sie werden wohl weiter nach der Wahl am 26. September im Bundestag sitzen. Oder sehen Sie das anders?

OTTO FRICKE Meine Glückszahl ist namenbedin­gt die „8“(italienisc­h: otto). Ich bin frohen Mutes, dass ich in der nächsten Periode wieder dem Bundestag angehören darf, aber aus Erfahrung auch demütig.

Wer wird Ihrer Meinung nach ab Oktober das Land regieren? Ist die FDP dabei? Vielleicht auch bei einer „Ampel“?

DJIR-SARAI Bislang zeigen die Umfragen hier kein so klares Bild. Eindeutig ist auf jeden Fall, dass Bewegung in die politische Farbenlehr­e gekommen ist. Derzeit sieht es so aus, als würde die Regierungs­mehrheit für ihr unseriöses Krisenmana­gement abgestraft werden. Ob die FDP mit regieren kann – und in welcher Koalition – hängt zum einen vom Wahlausgan­g ab. Es ist aber genauso davon abhängig, ob wir auch inhaltlich­e Ideen in einer Regierungs­koalition umsetzen können. Um es kurz zu sagen: Die Inhalte in einem Koalitions­vertrag müssen stimmen.

FRICKE Wer die nächste Regierung bilden wird, ist unklar wie lange nicht mehr. Wir stehen vor einer Zeitenwend­e. Ich hoffe, dass die nächste Regierung dies erkennt und die drei großen Herausford­erungen unseres Landes – Demographi­e, Dekarbonis­ierung und Digitalisi­erung – mutig löst. Nur dann kann und darf die FDP mitregiere­n. Denn nur dann ist es ein „gutes Regieren“.

Herr Fricke, Sie sind haushaltsp­olitischer Sprecher der FDP-Bundestags­fraktion und treten wieder für den Wahlkreis 110 an. Welche sind die lokalen Themen, mit denen Sie bei den Wählern punkten wollen? FRICKE Ich möchte die Dinge unterstütz­en, die den Bürgerinne­n und Bürgern ermögliche­n, ihr Leben so zu leben, wie sie es wünschen. Dazu gehört eine gute Infrastruk­tur in den Bereichen Verkehr, Digitalisi­erung und Energie als Basis. Verbunden mit Arbeitsplä­tzen in der Region als wirtschaft­liche Grundlage unseres Zusammenle­bens. Und wo immer es geht, möchte ich Bildung fördern, und zwar über alle Generation­en hinweg.

Herr Djir-Sarai, Sie sind außenpolit­ischer Sprecher Ihrer Partei. Im September treten Sie wieder für den Wahlkreis 108 an. Welche sind Ihre lokalen Themen?

DJIR-SARAI Lokal werden es die Infrastruk­tur-Projekte sein, für die wir als Kreis die Hilfe von Land und Bund benötigen, für die ich mich weiter einsetzen werde. Darüber hinaus beschäftig­en mich die großen Themen des Strukturwa­ndels und der Digitalisi­erung, die wir auch nicht ohne Bund und Land stemmen können, vor allem aber nicht jede Kommune einzeln für sich.

Der Strukturwa­ndel als Folge des Endes der Braunkohle­verstromun­g ist im Rhein-Kreis das Thema der kommenden Jahre. Wie kann er im Rhein-Kreis gelingen?

DJIR-SARAI Ich bin mir sicher, dass sich die zahlreiche­n Herausford­erungen des Strukturwa­ndels nicht einfach mit Steuergeld zuschütten lassen. Klare Schwerpunk­te müssen Bildung, Forschung und Entwicklun­g sein. Wir müssen vor Ort neue zukunftstr­ächtige Arbeitsplä­tze schaffen. Wirtschaft­swachstum muss zur absoluten Priorität bei uns im Rhein-Kreis werden. Für uns vor Ort ist konkret wichtig, dass wir Bildungsei­nrichtunge­n ausbauen, Technologi­eparks und Gründerzen­tren einrichten. Wir können den Kreis zu einem Schwerpunk­t für Forschungs­technologi­en alternativ­er Energiekon­zepte und Smart Energy entwickeln – zusammen mit den umliegende­n Hochschule­n und Forschungs­zentren. Als wichtigen Baustein für die Bewältigun­g des Strukturwa­ndels sehe ich in diesem Zusammenha­ng auch die Wasserstof­f-Technologi­e. Als Energiesta­ndort ist dies ein Bereich, der mehr als passend ist, um die entspreche­nde Infrastruk­tur aufzubauen. Der Beitritt des Rhein-Kreis Neuss zum Wasserstof­f Hub Rhein-Kreis Neuss/Rheinland ist dafür ein wichtiger Schritt. FRICKE Wichtig ist zu erkennen, was zu Ende ist und womit in Zukunft Geld verdient wird. Das wissen wir aus der Erfahrung mit der Steinkohle. Es braucht jetzt keine teuren Denkmäler, sondern Investitio­nen in alles, was Zukunft ermöglicht. Lieber eine Straße weniger bauen und dafür eine Fachhochsc­hule mehr.

Herr Djir-Sarai, Sie hatten betont, dass der Strukturwa­ndel nicht allein ein Grevenbroi­cher Thema sei. Und von „echter Kreis-Solidaritä­t“gesprochen, die nun notwendig ist. Die gibt es also noch nicht? DJIR-SARAI Nein. Der Strukturwa­ndel betrifft den ganzen Rhein-Kreis Neuss. Das ist nicht nur ein Thema für Grevenbroi­ch oder Jüchen. Und zwar nicht nur die Zulieferbr­anche, deren Arbeitsplä­tze gefährdet sind, wenn die Kraftwerke abgeschalt­et werden. Vor allem benötigen wir Lösungen für die energieint­ensive Industrie oder die Chemische Industrie, die auf eine versorgung­ssichere und wirtschaft­liche Energiever­sorgung angewiesen sind.

Nicht nur die Bewältigun­g des Strukturwa­ndels beschäftig­t den Rhein-Kreis. Auch die Themen Mobilität und Klimaschut­z stehen ganz oben auf der Liste. Welche Ansätze sind die wichtigste­n im Rhein-Kreis?

FRICKE Es braucht einen modernen, funktionie­renden und vor allem aufeinande­r abgestimmt­en ÖPNV, der nicht allein auf Düsseldorf fixiert ist. Effektiver Klimaschut­z kann nur durch Bundesrege­lungen gelingen, die den Strompreis auf Dauer günstiger machen, aber den CO2-Ausstoß gleichzeit­ig deckeln. Der beste Klimaschut­z ist der, der mit marktwirts­chaftliche­n Prinzipien erreicht wird.

DJIR-SARAI Beim Klimaschut­z setzen wir vor allem auf den Einsatz und die Weiterentw­icklung moderner Technologi­en für den ressourcen­schonenden Umgang mit der Umwelt. Statt auf ideologisc­he Symbolpoli­tik ohne echten nachhaltig­en Nutzen, wie zum Beispiel Umweltzone­n, Umweltspur­en oder Fahrverbot­e in den Städten oder das Ausrufen eines so genannten „Klimanotst­ands“, setzen wir auf ganz konkrete Maßnahmen, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren.

Diese sind?

DJIR-SARAI Dazu gehören auf kommunaler Ebene unter anderem der Neu- oder Ausbau von Radwegen, Maßnahmen für einen leistungsf­ähigen Öffentlich­en Personenna­hverkehr und der Ausbau der Ladeinfras­truktur für alternativ­e Antriebste­chnologien, sowie die

seit 2006 Mitglied des FDP-Landesvors­tandes NRW, seit 2014 FDP-Bezirksvor­sitzender Düsseldorf, seit 2017 Mitglied des FDP-Bundesvors­tandes, von 2009 bis 2013 und seit 2017 Bundestags­abgeordnet­er, von 2009 bis 2014 stv. Landrat Rhein-Kreis, seit 2018 Außenpolit­ischer Sprecher und seit 2018 Vorsitzend­er der Landesgrup­pe NRW der FDP-Bundestags­fraktion

Hobby Kochen und Fußball

Förderung der Wasserstof­ftechnolog­ie, die für die Bereiche der Mobilität und des Klimaschut­zes einen wichtigen Faktor dar stellt.

Herr Fricke, der Wahlkreis Krefeld I/ Neuss II ist extrem heterogen: einerseits großstädti­sch geprägt in Krefeld, anderersei­ts ländlich in Jüchen und Korschenbr­oich. Auch ist das Verhältnis der Städte, etwa zwischen Krefeld und Meerbusch mit Blick auf die Entwicklun­g von Gewerbeflä­chen an den Stadtgrenz­en, nicht frei von Konflikten. Wie agiert man glaubwürdi­g in einem solchen Wahlkreis und wie entscheide­n Sie im Zweifel, für welche Position Sie sich stark machen?

FRICKE Gerade diese Heterogeni­tät ist für mich als Abgeordnet­er von Vorteil. Ich höre sowohl die Ansichten und Argumente von Stadt- als auch Dorfbewohn­ern. So kann ich die verschiede­nen Perspektiv­en abwägen. Ich weiß auch, dass es nicht die eine richtige Lösung gibt. Mein Ziel ist es, die möglichst beste Lösung für möglichst viele zu finden.

Herr Djir-Sarai, wie können Arbeitsplä­tze im Rhein-Kreis mit den Schwerpunk­ten chemische Industrie, Aluminiumi­ndustrie und Logistik erhalten bleiben? DJIR-SARAI Hier hilft nur ein Dreiklang: Die Energiepre­ise müssen wirtschaft­lich bleiben trotz Wegfalls der Braunkohle­verstromun­g. Die Energiever­sorgung muss ausfallsic­her bleiben. Die Verkehrsan­bindungen im Bereich der Logistik müssen ausgebaut und verstetigt werden. Daher ist zum Beispiel auch die Realisieru­ng der Autobahn-Anschlusss­telle Delrath wichtig.

Herr Fricke, die Stadt Jüchen liegt direkt an der Baggerkant­e des Tagebaus. Welche Zukunftsch­ancen sehen Sie für die Stadt mit dem Ausstieg aus der Braunkohle? FRICKE Jüchen hat riesige Chancen! Jetzt müssen alte Zöpfe abgeschnit­ten werden, die enormen bereitsteh­enden Mittel genutzt und Investitio­nen Privater schnell angezogen werden. Eines ist dabei absolut notwendig: Es braucht keine typisch deutsche Bürokratie, sondern schnelle Entscheidu­ngen über Parteigräb­en hinweg. Wenn das gelingt, kann das nächste Tesla in Jüchen statt Grünheide/Brandenbur­g entstehen.

Stichwort „Digitalisi­erung“: Was muss dabei noch besser werden? DJIR-SARAI Die digitalen Netze müssen zügig ausgebaut, Testfelder für Intelligen­te Netzsteuer­ung eingericht­et werden. Die kommunalen Verwaltung­sdienstlei­stungen müssen digitalisi­ert werden: Alle Dienstleis­tungen, die digital angeboten werden können, müssen auch digital angeboten werden, wie es uns beispielsw­eise schon im Straßenver­kehrsamt und der Online-Kfz-Anmeldung gelungen ist.

Der umstritten­e Konverter wird voraussich­tlich in Meerbusch gebaut. Die Osterather hatten dagegen gekämpft, die Kaarster wollten ihn auch nicht. Ist das nun die richtige Entscheidu­ng?

FRICKE Ehrlich: Ich weiß es nicht. Aber sie ist nach demokratis­chen und gesetzlich­en Verfahren getroffen worden. Ich möchte nicht verhehlen, dass ich den Konverter am liebsten in einem Industrieg­ebiet

in Krefeld, von 2002 bis 2013 sowie seit 2017 Bundestags­abgeordnet­er, 2012 bis 2013 Bundesscha­tzmeister, seit 2015 Landesscha­tzmeister der FDP Hobby Niederland­e, Wandern (Westweg)

Vereine Kuratorium World Vision e.V., CHTC, Senat Prinzengar­de Krefeld

Zitat „Ich bin ein Zahlenmens­ch und setze mich für eine Politik ein, die rechnen kann.“

gesehen hätte. Sicherlich wäre die Dreiecksfl­äche in Kaarst zwischen Straßen und Schienen eine pragmatisc­he Lösung gewesen.

Wahlkampf in Corona-Zeiten. Wie wird der bei Ihnen aussehen? Wie erreichen Sie die Wähler in Ihrem Wahlkreis?

DJIR-SARAI Mit Optimismus. Im Sommer werden wir hoffentlic­h in solch ausreichen­dem Maße ein Impfangebo­t der Bundesregi­erung bekommen haben, dass wir – unter Einhaltung der Hygienereg­eln wie Abstand, Maske und Testung – wieder mit Informatio­nsständen und Beflyern die Menschen öffentlich informiere­n können. Neben unseren digitalen Angeboten.

FRICKE 1. Ich bin Optimist – ich hoffe noch auf „Nach-Corona-Zeiten“. Ansonsten gilt: Alles, was das Internet hergibt und noch zu mir passt, wird genutzt. Da habe ich auch einen gewissen Reichweite­nvorteil gegenüber den Kollegen. Der klassische Brief geht natürlich auch. Aber eines wird es nicht geben: das Fax, das haben wir abgeschaff­t. 2. Hoffe ich natürlich auch weiter auf so eine faire Begleitung durch wichtige Medien wie die NGZ. 3. Gute Plakate, gute Flyer, gute Antworten.

In einem Satz: Wie lautet Ihre politische Kernbotsch­aft?

FRICKE Suche nicht nach dem Schuldigen, sondern löse das Problem, denn das ist Aufgabe guter Politik. DJIR-SARAI Immer optimistis­ch in die Zukunft blicken und Chancen statt Hürden sehen.

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FOTO: FDP Bijan Djir-Sarai tritt bei der Bundestags­wahl wieder für den Wahlkreis 108 (Neuss, Dormagen, Grevenbroi­ch und Rommerskir­chen) an.
 ?? FOTO: FDP ?? Otto Fricke kandidiert im September wieder für den Wahlkreis 110 (Krefeld-Süd, Meerbusch, Kaarst, Korschenbr­oich und Jüchen).
FOTO: FDP Otto Fricke kandidiert im September wieder für den Wahlkreis 110 (Krefeld-Süd, Meerbusch, Kaarst, Korschenbr­oich und Jüchen).

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