Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Jede Menge Geschichten an Bord
Das Piwipper Böötchen war schon Schauplatz von Trauungen und Hunde-Rettungsaktionen auf dem Rhein.
DORMAGEN/MONHEIM Dicke Wolken hängen am Himmel. Es ist grau, nass und kalt. Eigentlich kein schönes Ausflugswetter und schon gar nicht für eine Bootsfahrt. Doch auch an so einem trüben Aprilwochenende mitten im zweiten Pandemiejahr stehen Kapitän und Fährhelfer des Piwipper Böötchens zuverlässig am Stromkilometer 714 „an d`r Kapell“bereit, um Fahrgäste, Tagesausflügler und Radtouristen wie seit jeher binnen weniger Minuten ans andere Ufer zu befördern. Das Böötchen, das als Verbindung zwischen Dormagen und Monheim wiederbelebt wurde, geht in sein zehntes Jahr auf dem Rhein, die neue Saison ist gerade gestartet.
Bis jetzt ist die Rückkehr dieses alten Transportmittels, dessen Betrieb vor 2010 lange eingestellt gewesen war, eine Erfolgsgeschichte. Rund 20.000 Passagiere im Jahr, sogar etwa 25.000 in einer Saison mit sehr gutem Wetter, fahren zwischen April und Oktober die paar Hundert Meter über den Rhein von Dormagen nach Monheim und wieder zurück.
„Willkommen auf dem Piwipper Böötchen“, grüßt Heiner Müller-Krumbhaar, wetterfest eingepackt und mit einem Lächeln im
Gesicht, das hinter seiner FFP2-Maske nur an den Fältchen um die Augen zu erkennen ist. Heute fährt der Vorsitzende des Betreibervereins Piwipper Böötchen mit seinem sprichwörtlichen Koffer voller
Geschichten persönlich mit. In all' den Jahren des Piwipper Böötchens auf dem Rhein hat der betreibende Verein einiges erlebt.
Doch bevor Müller-Krumbhaar ausholt, schaut er vertrauenswürdig zum Fährhelfer und nickt. Der trennt die Rampe vom Schiff und löst das dicke Tau vom Poller. „Vorsicht, das könnte jetzt etwas ruckeln“, sagt Müller-Krumbhaar, als sich das Böötchen in Bewegung setzt und schließlich sanft in den Wellen schaukelnd vom Monheimer Ufer entfernt. Trotz Nieselwetter, ein wunderschönes Panorama.
Im Sommer ist das Böötchen eine gern genutzte Kulisse für Trauungen: „Wir haben mittlerweile 70 Hochzeiten auf dem Böötchen gefeiert, etwa zehn Trauungen pro Jahr. Wir können mit Stolz sagen, dass keine dieser Ehen bislang geschieden wurde“, erzählt der Vereinsvorsitzende heiter. Auch 2020 nutzten acht Brautpaare die Möglichkeit, sich auf dem Rhein das JaWort zu geben. „Dabei müssen wir allerdings darauf achten, dass wir mit dem Boot nicht über die Hälfte des Rheins fahren, sonst ist die Ehe nicht gültig.“Geheiratet werden darf nämlich immer nur im Gebiet der jeweiligen Stadt – also Dormagen oder Monheim.
Das Piwipper Böötchen war häufiger Zeuge und Helfer von dramatischen Ereignissen: Das Fahrgastschiff hat bei Rettungseinsätzen mitgewirkt, mit Happy-End, als etwa der Kapitän einen Hund im Rhein entdeckte und nach einer sensiblen Rettungsaktion sicher ans Monheimer Ufer lotste. Aber auch mit tragischem Ende. Bis zum Eintreffen der Wasserschutzpolizei und Rettungsboote
beförderte das Böötchen Rettungskräfte an eine Unfallstelle auf dem Rhein. „Leider ging diese Geschichte nicht gut aus“, erinnert sich Müller-Krumbhaar. Glücklicherweise überwiegen aber die schönen Erinnerungen und die positive Resonanz der Fahrgäste.
„Normalerweise können wir bis zu 25 Fahrgäste befördern, wegen Corona haben wir das auf zwölf reduziert, damit wir den Abstand auf dem Schiff einhalten können“, erklärt der Vereinsvorsitzende, während der Schiffsmotor kurz aufheult. Dieses Geräusch weckt eine Erinnerung: „Wir hatten letztes Jahr einen Maschinenschaden“, sagt Müller-Krumbhaar beiläufig. „Ein Kolbenfresser mitten auf der Überfahrt.“Glücklicherweise sei nichts Schlimmes passiert. Der erfahrene Kapitän habe die Passagiere sicher ans Land gebracht und sei sogar mit reduzierter Leistung zurückgefahren. Um die geringere Anzahl an beförderten Passagieren pro Überfahrt auszugleichen, fuhr das Böötchen einfach doppelt so häufig. Denn die Nachfrage sei trotz Pandemie nicht weniger geworden. Das habe die Maschinen überhitzt. Nun ist das Böötchen generalüberholt und für diese Saison bereit.