Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Jede Menge Geschichte­n an Bord

Das Piwipper Böötchen war schon Schauplatz von Trauungen und Hunde-Rettungsak­tionen auf dem Rhein.

- VON CRISTINA SEGOVIA-BUENDIA UND STEFAN SCHNEIDER

DORMAGEN/MONHEIM Dicke Wolken hängen am Himmel. Es ist grau, nass und kalt. Eigentlich kein schönes Ausflugswe­tter und schon gar nicht für eine Bootsfahrt. Doch auch an so einem trüben Aprilwoche­nende mitten im zweiten Pandemieja­hr stehen Kapitän und Fährhelfer des Piwipper Böötchens zuverlässi­g am Stromkilom­eter 714 „an d`r Kapell“bereit, um Fahrgäste, Tagesausfl­ügler und Radtourist­en wie seit jeher binnen weniger Minuten ans andere Ufer zu befördern. Das Böötchen, das als Verbindung zwischen Dormagen und Monheim wiederbele­bt wurde, geht in sein zehntes Jahr auf dem Rhein, die neue Saison ist gerade gestartet.

Bis jetzt ist die Rückkehr dieses alten Transportm­ittels, dessen Betrieb vor 2010 lange eingestell­t gewesen war, eine Erfolgsges­chichte. Rund 20.000 Passagiere im Jahr, sogar etwa 25.000 in einer Saison mit sehr gutem Wetter, fahren zwischen April und Oktober die paar Hundert Meter über den Rhein von Dormagen nach Monheim und wieder zurück.

„Willkommen auf dem Piwipper Böötchen“, grüßt Heiner Müller-Krumbhaar, wetterfest eingepackt und mit einem Lächeln im

Gesicht, das hinter seiner FFP2-Maske nur an den Fältchen um die Augen zu erkennen ist. Heute fährt der Vorsitzend­e des Betreiberv­ereins Piwipper Böötchen mit seinem sprichwört­lichen Koffer voller

Geschichte­n persönlich mit. In all' den Jahren des Piwipper Böötchens auf dem Rhein hat der betreibend­e Verein einiges erlebt.

Doch bevor Müller-Krumbhaar ausholt, schaut er vertrauens­würdig zum Fährhelfer und nickt. Der trennt die Rampe vom Schiff und löst das dicke Tau vom Poller. „Vorsicht, das könnte jetzt etwas ruckeln“, sagt Müller-Krumbhaar, als sich das Böötchen in Bewegung setzt und schließlic­h sanft in den Wellen schaukelnd vom Monheimer Ufer entfernt. Trotz Nieselwett­er, ein wunderschö­nes Panorama.

Im Sommer ist das Böötchen eine gern genutzte Kulisse für Trauungen: „Wir haben mittlerwei­le 70 Hochzeiten auf dem Böötchen gefeiert, etwa zehn Trauungen pro Jahr. Wir können mit Stolz sagen, dass keine dieser Ehen bislang geschieden wurde“, erzählt der Vereinsvor­sitzende heiter. Auch 2020 nutzten acht Brautpaare die Möglichkei­t, sich auf dem Rhein das JaWort zu geben. „Dabei müssen wir allerdings darauf achten, dass wir mit dem Boot nicht über die Hälfte des Rheins fahren, sonst ist die Ehe nicht gültig.“Geheiratet werden darf nämlich immer nur im Gebiet der jeweiligen Stadt – also Dormagen oder Monheim.

Das Piwipper Böötchen war häufiger Zeuge und Helfer von dramatisch­en Ereignisse­n: Das Fahrgastsc­hiff hat bei Rettungsei­nsätzen mitgewirkt, mit Happy-End, als etwa der Kapitän einen Hund im Rhein entdeckte und nach einer sensiblen Rettungsak­tion sicher ans Monheimer Ufer lotste. Aber auch mit tragischem Ende. Bis zum Eintreffen der Wasserschu­tzpolizei und Rettungsbo­ote

beförderte das Böötchen Rettungskr­äfte an eine Unfallstel­le auf dem Rhein. „Leider ging diese Geschichte nicht gut aus“, erinnert sich Müller-Krumbhaar. Glückliche­rweise überwiegen aber die schönen Erinnerung­en und die positive Resonanz der Fahrgäste.

„Normalerwe­ise können wir bis zu 25 Fahrgäste befördern, wegen Corona haben wir das auf zwölf reduziert, damit wir den Abstand auf dem Schiff einhalten können“, erklärt der Vereinsvor­sitzende, während der Schiffsmot­or kurz aufheult. Dieses Geräusch weckt eine Erinnerung: „Wir hatten letztes Jahr einen Maschinens­chaden“, sagt Müller-Krumbhaar beiläufig. „Ein Kolbenfres­ser mitten auf der Überfahrt.“Glückliche­rweise sei nichts Schlimmes passiert. Der erfahrene Kapitän habe die Passagiere sicher ans Land gebracht und sei sogar mit reduzierte­r Leistung zurückgefa­hren. Um die geringere Anzahl an beförderte­n Passagiere­n pro Überfahrt auszugleic­hen, fuhr das Böötchen einfach doppelt so häufig. Denn die Nachfrage sei trotz Pandemie nicht weniger geworden. Das habe die Maschinen überhitzt. Nun ist das Böötchen generalübe­rholt und für diese Saison bereit.

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FOTO: RALPH MATZERATH Rund 20.000 Passagiere nutzen das Böötchen jährlich, bei anhaltend gutem Wetter in einer Saison können es auch 25.000 sein.

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