Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Als das Feuer die Existenz bedrohte
Vor einem Jahr brannte der Wald im Nationalpark de Meinweg. Betroffen war der Reitstall der Neusserin Sonja Welter.
NEUSS Es war mitten in der Nacht, als eine Freundin bei Sonja Welter im Reitstall Venhof, der außerhalb der Ortschaft Herkenbosch in den Niederlanden sehr idyllisch im Wald des Nationalparks de Meinweg liegt, anrief und ins Telefon schrie: „Das Dorf wird evakuiert, die Rauchentwicklung ist zu stark. Ihr müsst weg!“. Die Erinnerungen an diese dramatischen Stunden treiben der gebürtigen Neusserin Sonja Welter, die in Rosellerheide aufwuchs, auch ein Jahr später noch Tränen in die Augen. Das Feuer war am Tag zuvor ausgebrochen, wurde von Winden immer wieder entfacht und nun ging es nicht nur darum, sich selber in Sicherheit zu bringen. Unmittelbar vom Brand und Rauch bedroht waren plötzlich Weiden, Reithalle sowie Wohn- und Arbeitsgebäude des Reitstalls, den sie seit 2016 gemeinsam mit ihrem Partner Martin betreibt und – die Tiere. „Wir sind mit 30 Pferden mitten in der Nacht
„20 Meter hinter unserem Restaurant war das Feuer“
Sonja Welter Reitstall Venhof die zwei Kilometer ins Dorf gelaufen, wo ein Nachbar sie zum Glück auf seine Weiden nehmen konnte.“
Was war passiert? Durch die anhaltende Trockenheit im Frühjahr 2020 hatte der Wald im Nationalpark, der auf deutscher Seite in den Naturpark Schwalm-Nette übergeht, Feuer gefangen, das sich über Heidelandschaften und trockene Baumbestände schnell zum Flächenbrand ausbreitete. Fünf Tage kämpften Feuerwehrleute aus Deutschland und den Niederlanden Seite an Seite gegen die Flammen. Von niederländischer Seite wurde sogar das Militär angefordert, das mit Panzern bei der Bekämpfung des Feuers unterstützte. Landwirte und Gartenbauern aus beiden Ländern halfen mit schwerem Gerät. Der Wasserknappheit wurde mit dem Aufstauen von Flüssen begegnet, Hubschrauber flogen es dann in großen Beuteln, sogenannten Bambi Buckets, zu den Feuerherden. „20 Meter hinter unserem Restaurant war das Feuer, als ich mit den letzten Tieren vom Hof gelaufen bin“, erinnert sich Sonja Welter und war sich damals sicher: „Wenn ich wiederkomme, wird meine Existenz niedergebrannt sein.“
In allerletzter Sekunde konnte aus der Luft das Feuer gelöscht und die
Menschen, Tiere und Gebäude des Hofes gerettet werden. Die Auswirkungen der dramatischen Rettungsaktion sind immer noch spürbar. Die Panzer der Hilfskräfte stießen Bäume um, die in die Weiden und auf die Zäune fielen. Der Parkplatz des Hofes wurde zur Kommandozentrale, wo die Einsatzfahrzeuge nicht nur parkten, sondern durch Rangieren auch die Asphaltdecke beschädigten. Die Aufräum- und Reparaturarbeiten sind auch ein Jahr später noch nicht abgeschlossen. Und: Für die entstehenden Kosten fühlt sich keiner verantwortlich.
Doppelt hart trifft das die Familie, da sie seit Beginn der Corona-Pandemie, also ziemlich zur gleichen Zeit des Brandes, kaum noch verlässliche Einnahmen hat. „Normalerweise bieten wir Ausritte, Kutsch- und Planwagenfahrten und unsere beliebten Themenabende
im Restaurant und auf der Terrasse an, aber Corona machte uns einen Strich durch alle Pläne“, sagt Sonja Welter. Selbst der normale Reitschulbetrieb war nur sehr eingeschränkt möglich, Übernachtungen sind gar nicht erlaubt.
Doch Sonja Welter bleibt optimistisch – schließlich wird es eine Zeit nach dem Corona-Lockdown geben – und treibt ein weiteres Standbein voran: „Blockhütten für unsere Gäste vermieten wir schon länger, aber ich habe immer von einem feinen Bed and Breakfast geträumt“. In einer alten Scheune gleich hinter ihrem Wohnhaus erfüllt sie sich nun diesen Traum. Zwei Doppelund zwei große Familienzimmer im Landhausstil sind im Obergeschoss schon fertig, weitere Zimmer folgen im Erdgeschoss, wo auch eine Sattelkammer und ein Aufenthaltsraum für die Übernachtungsgäste entstehen, die eigene Pferde meist mitbringen und in den weitläufigen Ställen des Hofs unterbringen.
Die Neusserin hat in den Niederlanden ihr privates und berufliches Glück gefunden. Knapp 50 Schulpferde, eine Reithalle, Außenplätze und das Restaurant halten sie auf Trab. Bis zur 12. Klasse ging sie aufs Humboldt-Gymnasium in Neuss, bevor sie in Norf eine Ausbildung zur Tierarzthelferin abschloss. Eigentlich wollte sie Tiermedizin studieren und holte daher das Abitur am Spee-Kolleg nach. Da wohnte sie, der Liebe wegen, schon in den Niederlanden und pendelte täglich nach Neuss. Doch dann kam das Leben dazwischen: Hochzeit, die Geburt ihrer beiden Söhne und das fast versehentliche Betreiben eines Pensionsbetriebs in Montfort für gut 30 Pferde. „Eigentlich wollte ich nur etwas dazu verdienen, während ich
Brände Zwei große Waldbrände tobten im April 2020 im Westen – einer davon im Nationalpark de Meinweg.
Reitstall Sonja Welters Reitstall (Venhof 2 in Herkenbosch) findet sich als „Rijstal Venhof“bei Facebook. In der Fernseh-Dokumentation kommt die Neusserin zu Wort. mit Dominic und Dennis zuhause war, aber dann hat es sich irgendwie verselbständigt“, blickt sie heute schmunzelnd auf diese Zeit zurück.
Aus persönlichen Gründen fing sie 2013 eine Ausbildung zur Pharmareferentin und Medizinprodukteberaterin an und war drei Jahre in Deutschland, den Niederlanden und Belgien im Außendienst tätig. Ihre eigenen Pferde hatte sie damals im Venhof untergestellt. Seit 2016 ist sie nun mit Martin dort zu Hause. Sogar Königin Beatrix der Niederlande ist im Venhof schon geritten.
Der WDR nahm den Brand im Grenzgebiet und einen in Gummersbach zum Anlass für das Format „Heimatflimmern“eine Dokumentation zu drehen, die am Freitagabend (20.15 Uhr) und am Sonntagmorgen (11.40 Uhr) im WDR gezeigt wird. Sonja Welter kommt auch zu Wort.