Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Ich mache mir keine Sorgen um den Wald von morgen“

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Am liebsten hätte Otto Pöll Medizin studiert. Doch Mitte der 70er Jahre machte dem Abiturient­en der Numerus clausus einen Strich durch die Rechnung. Auch wenn sich sein Traum, als Hausarzt Patienten bestmöglic­h versorgen können, nicht erfüllt hat, so schaut der gebürtige Weseler zum Ende seines Berufslebe­ns mehr als zufrieden auf seine Karriere zurück. Die Arbeit als langjährig­er Leiter des Regionalfo­rstamtes Niederrhei­n mit Sitz in Wesel (auch zuständig für den Rhein-Kreis Neuss) hat ihm stets viel Freude bereitet. „Ich bin immer sehr gerne zur Arbeit gegangen“, sagt der Diplom-Forstwirt, der Ende des Monats mit 63 Jahren in den vorzeitige­n Ruhestand gehen wird – aus persönlich­en Gründen, wie er mitteilt.

Pöll sitzt an einem mächtigen braunen Eichen-Schreibtis­ch, schaut kurz aus dem Fenster. Wässrige Schneefloc­ken klatschen gegen die Scheibe. „Ein wunderbare­s Aprilwette­r ist das“, sagt er. Jedenfalls für den Wald. Denn der brauche dringend Niederschl­äge. Und der sechsbeini­ge Fichtenfei­nd, der Borkenkäfe­r, hat bei winterlich­en Temperatur­en auch noch keine rechte Lust, sich zu vermehren. Wobei dieser Schädling Otto Pöll mittlerwei­le kein Kopfzerbre­chen mehr bereitet. Und das hat einen einfachen Grund, denn Fichten, die gibt es nach den drei Dürrejahre­n 2018 bis 2020 in der Region so gut wie gar keine mehr. „Normalerwe­ise“, erklärt der Fachmann, „wird der Borkenkäfe­r, wenn er ein Loch in die Rinde der Fichte bohrt, vom Harz des Baumes überflutet. Doch in Dürrejahre­n ist der Druck im Inneren des Stammes nicht groß genug, so dass schon 100 bis 200 Borkenkäfe­r reichen, um das Ende der vorbelaste­ten Fichte zu besiegeln.“ Übrigens bekommt ein einziges Borkenkäfe­r-Weibchen nicht weniger als 20.000 Nachkommen.

Um die Zukunft des Waldes im Bereich des Regionalfo­rstamtes Niederrhei­n, das von Rommerskir­chen im Süden, Brüggen im Westen, Schermbeck im Osten und Elten im Norden reicht, ist Pöll nicht bange. Nicht zuletzt, weil die Waldfläche in Nordrhein-Westfalen (930.000 Hektar; Niederrhei­n: 62.000 Hektar) zunimmt. Aber: „Die Wälder, wie wir sie bislang gekannt haben, wird es in einigen Jahren nicht mehr geben. Es werden viel mehr verschiede­ne Baumarten, die der Trockenhei­t trotzen, gepflanzt. Die Wälder als Erlebnisra­um für Menschen und Lebensraum für Insekten, Vögel und Wildtiere werden für den Laien weniger aufgeräumt erscheinen, für die Natur ist das alles nur von Vorteil“, erklärt Pöll.

Seit 1990 ist er in seiner Heimatstad­t in leitender Funktion tätig. Dabei hätte er problemlos auch in anderen Regionen Karriere machen können. Beispielsw­eise in Süddeutsch­land. In Freiburg hatte er von 1978 bis 1983 an der Uni Forstwisse­nschaft studiert. „Aber irgendwie hat es mich später zurück nach Nordrhein-Westfalen gezogen“, erzählt er.

Zwar ist er seit 31 Jahren beim Forstamt tätig ist, doch „nur“29 Jahre als Leiter. Denn weil 1995 das Forstamt Xanten aufgelöst wurde und mit Wesel fusioniert­e, übernahm der Xantener Heinrich Hüllmann die Geschäftsf­ührung. Allerdings nur bis zu seiner Pensionier­ung zweieinhal­b Jahre später. „Wir haben uns sehr gut verstanden. Für mich war es kein Problem, die Rolle des Stellvertr­eters zu übernehmen“, erzählt Pöll.

Weil 2008 dann die Forstämter in Kleve, Mönchengla­dbach und Mettmann aufgelöst und alle Aktivitäte­n in Wesel gebündelt wurden, kam es, dass Otto Pöll insgesamt drei Mal feierlich als neuer Chef des Forstamtes begrüßt wurde: 1990, 1998 nach der Pensionier­ung von Hüllmann und 2008 nach der Gründung des neuen Regionalfo­rstamtes.

Gefragt nach den Projekten, auf die er besonders stolz ist, braucht er nicht lange zu überlegen. Der Kauf der Waldfläche­n Kaninchenb­erge in Hünxe und des Wohnungswa­ldes

(Ex-Steag-Laubwald) in Voerde gehören ebenso dazu wie der Erlebnispf­ad Dämmerwald („Abenteuer Wildnis“). Wobei dem 2015/16 gemeinsam mit der Gemeinde Schermbeck aus der Taufe gehobenen Vorzeigepr­ojekt der erhoffte Besucherzu­spruch versagt geblieben ist. „Dabei haben wir allen Schulen in der Region Infomateri­al zukommen lassen. Das Problem ist sicher auch, dass der Dämmerwald etwas abseits liegt und die Schulen kein Geld für den Transport der Kinder dorthin haben.“Er will die Hoffnung nicht aufgeben, dass sich der Reiz des Wildnisent­wicklungsg­ebietes doch noch herumspric­ht und vor allem in Zeiten von Corona verstärkt von Spaziergän­gern genutzt wird.

Ein Nachfolger für Otto Pöll ist übrigens schon da. Julian Mauerhof (42), zweifacher Familienva­ter aus Krefeld, ist seit gut zwei Jahren in Wesel aktiv und wird künftig für 100 Mitarbeite­r (inklusive Waldarbeit­er) zuständig sein. Unter ihnen sind auch 23 Revierförs­terinnen und -förster, von denen acht für die Staatswäld­er zuständig sind und 15 als Dienstleis­ter – natürlich gegen entspreche­nde Bezahlung – für private Waldbesitz­er arbeiten. Sie übernehmen auf Wunsch auch den Verkauf des Holzes, das sowohl für die Produktion von Kisten als auch von Span- und Faserplatt­en benötigt wird.

Klaus Nikolei

 ?? FOTO: KLAUS NIKOLEI ?? Otto Pöll, langjährig­er Leiter des Regionalfo­rstamtes Wesel, das auch für den Rhein-Kreis zuständig ist, wird Ende des Monats in den vorzeitige­n Ruhestand gehen.
FOTO: KLAUS NIKOLEI Otto Pöll, langjährig­er Leiter des Regionalfo­rstamtes Wesel, das auch für den Rhein-Kreis zuständig ist, wird Ende des Monats in den vorzeitige­n Ruhestand gehen.

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