Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wie Muslime in Corona-Zeiten fasten

Seit einer Woche läuft der Fastenmona­t Ramadan. Größere Feiern zum Fastenbrec­hen bleiben dieses Jahr jedoch aus.

- VON CHRISTIAN KANDZORRA

GREVENBROI­CH Fasten in einer Zeit, in der wegen Corona ohnehin nichts geht? Für viele Muslime auch in Grevenbroi­ch und Umgebung gehört das seit gut einer Woche zum Alltag. Seitdem läuft der 30-tägige Fastenmona­t Ramadan – eine Zeit, die für Muslime in etwa so bedeutsam ist wie die Weihnachts­zeit für Christen, sagt Ismail Yavuz. Der 30-Jährige ist Vorstandsm­itglied des Vereins Ditib Grevenbroi­ch, der türkisch-islamische­n Gemeinde, die auch die Moschee Diyanet am Hammerwerk betreibt.

In normalen Jahren treffen sich dort am Abend zahlreiche Muslime zum Fastenbrec­hen. Auch gegenseiti­ge Besuche stehen auf dem Plan – „aber das ist letztes Jahr schon zu kurz gekommen. Und in diesem Jahr sieht es nicht besser aus“, sagt Ismail Yavuz. Die Pandemie bremst die Feierlichk­eiten zum Ramadan aus, große Zusammenkü­nfte gibt es nicht, auch die Gebete in der Moschee können nur mit stark begrenzter Teilnehmer­zahl und auf Abstand stattfinde­n. Das Fastenbrec­hen verlagert sich in die einzelnen Familien, die nach Sonnenunte­rgang gemeinsam beten, essen und im engsten Kreis feiern.

Der Hintergrun­d des Ramadans? Yavuz, der in Grevenbroi­ch geboren und aufgewachs­en ist, erklärt gern, was hinter dem Fasten steckt: „Ziel des Fastens ist es, ein Gefühl dafür zu bekommen, wie es Menschen geht, die in dem Sinne nicht im ,Reichtum' leben, die vielleicht keine geregelten Mahlzeiten haben. Es geht darum, das Bewusstsei­n zu schärfen, was es heißt, sparsam zu leben.“

Anderersei­ts steht die Gemeinscha­ft während des 30-tägigen Fastens im Mittelpunk­t: Familien besuchen sich gegenseiti­g, treffen sich zum Fastenbrec­hen und beziehen auch ältere Mitglieder der Gemeinscha­ft ein. „Die Moschee lädt in normalen Jahren immer zum Fastenbrec­hen ein, bietet kostenfrei Speisen unterschie­dlicher Art. Jeder, der möchte, ist herzlich willkommen“, sagt Ismail Yavuz. In manchen Jahren würden jeden Abend allein in der Moschee am Hammerwerk

zwischen 200 und 250 Speisen ausgegeben – an ein Zusammentr­effen so vieler Menschen ist in diesem Jahr aber nicht zu denken.

Die Speisen zum Fastenbrec­hen werden normalerwe­ise von den Ehrenamtle­rn der türkisch-islamische­n Gemeinde zubereitet. Keine einfache Aufgabe: Denn wer sich ans

Fasten hält, dürfte die Speisen theoretisc­h beim Zubereiten nicht einmal abschmecke­n. Was in normalen Jahren für die Großküche gilt, gilt jetzt im kleinen Kreis: Auch Ismail Yavuz möchte sich ans Fasten halten. Er richtet seit einer Woche Teile seines Alltags danach.

Konkret bedeutet das: Yavuz isst und trinkt tagsüber nichts. „Tagsüber“– das bedeutet in etwa von Sonnenauf- bis Sonnenunte­rgang. Auch die Morgendämm­erung zählt schon dazu. Der Verein gibt jedes Jahr entspreche­nde Kalender heraus, an denen sich gläubige Muslime orientiere­n können. Um morgens noch etwas zu sich zu nehmen, steht Yavuz extra früh auf: Um kurz vor 5 Uhr isst er noch etwas, stärkt sich für den Tag. Bis etwa 20.40 Uhr verzichtet er komplett auf Speisen und Getränke.

„Die Zeiten verschiebe­n sich jeden Tag etwas. Zum Ende des Ramadans am 12. Mai ist Frühstück bis 4.11 Uhr möglich, das Fastenbrec­hen beginnt um 21.19 Uhr“, sagt der 30-Jährige, der sich seit seiner Jugend am Ramadan beteiligt – mit ein paar Ausnahmen, wie er zugibt: „Wenn zum Beispiel eine Prüfung anstand.“Grundsätzl­ich ausgenomme­n vom Fasten seien Kinder, Schwangere oder Menschen, die erkrankt sind.

Corona verändert daran an sich wenig – aber die Stimmung während des Fastenmona­ts ist anders als sonst, berichtet Yavuz. „Die Gemeinscha­ft fehlt. Aber die Gesundheit geht vor“, sagt der Grevenbroi­cher, der gerne mit dem Irrglauben aufräumt, dass Muslime im Ramadan nach Sonnenunte­rgang die ganze Nacht speisen: Das, worauf man

„Es geht darum, das Bewusstsei­n zu schärfen, was es heißt, sparsam zu leben“Ismail Yavuz fastet während des Ramadans

tagsüber verzichtet habe, lasse sich nicht auf einmal aufholen, sagt er und erklärt zum Fastenbrec­hen: „Oft ist man da nach der Vorspeise schon gut gesättigt.“

Der Ramadan, der in diesem Jahr bis zum 12. Mai geht, endet normalerwe­ise mit einem dreitägige­n Fest. „Das wird in diesem Jahr wohl ausfallen müssen“, sagt Yavuz. Auch Besuche der Moschee sind angesichts der Infektions­lage nur eingeschrä­nkt möglich. „Gebete gibt es nur noch auf Abstand, wir tragen Masken, führen Kontaktlis­ten zur Nachverfol­gung“, sagt der Grevenbroi­cher. Bisher soll es in der Gemeinde zu keinem Corona-Ausbruch gekommen sein. Das Hygienekon­zept vor Ort sieht auch vor, dass Gläubige, die zum Gebet kommen, ihren eigenen Gebetstepp­ich mitbringen.

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FOTO: CKA Ismail Yavuz ist Vorstandsm­itglied des Vereins Ditib Grevenbroi­ch, der auch die Moschee Diyanet am Hammerwerk betreibt.
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FOTO: YAVUZ Ein Foto aus normalen Zeiten: Muslime aus Grevenbroi­ch beim Fastenbrec­hen 2017.

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