Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Wie Muslime in Corona-Zeiten fasten
Seit einer Woche läuft der Fastenmonat Ramadan. Größere Feiern zum Fastenbrechen bleiben dieses Jahr jedoch aus.
GREVENBROICH Fasten in einer Zeit, in der wegen Corona ohnehin nichts geht? Für viele Muslime auch in Grevenbroich und Umgebung gehört das seit gut einer Woche zum Alltag. Seitdem läuft der 30-tägige Fastenmonat Ramadan – eine Zeit, die für Muslime in etwa so bedeutsam ist wie die Weihnachtszeit für Christen, sagt Ismail Yavuz. Der 30-Jährige ist Vorstandsmitglied des Vereins Ditib Grevenbroich, der türkisch-islamischen Gemeinde, die auch die Moschee Diyanet am Hammerwerk betreibt.
In normalen Jahren treffen sich dort am Abend zahlreiche Muslime zum Fastenbrechen. Auch gegenseitige Besuche stehen auf dem Plan – „aber das ist letztes Jahr schon zu kurz gekommen. Und in diesem Jahr sieht es nicht besser aus“, sagt Ismail Yavuz. Die Pandemie bremst die Feierlichkeiten zum Ramadan aus, große Zusammenkünfte gibt es nicht, auch die Gebete in der Moschee können nur mit stark begrenzter Teilnehmerzahl und auf Abstand stattfinden. Das Fastenbrechen verlagert sich in die einzelnen Familien, die nach Sonnenuntergang gemeinsam beten, essen und im engsten Kreis feiern.
Der Hintergrund des Ramadans? Yavuz, der in Grevenbroich geboren und aufgewachsen ist, erklärt gern, was hinter dem Fasten steckt: „Ziel des Fastens ist es, ein Gefühl dafür zu bekommen, wie es Menschen geht, die in dem Sinne nicht im ,Reichtum' leben, die vielleicht keine geregelten Mahlzeiten haben. Es geht darum, das Bewusstsein zu schärfen, was es heißt, sparsam zu leben.“
Andererseits steht die Gemeinschaft während des 30-tägigen Fastens im Mittelpunkt: Familien besuchen sich gegenseitig, treffen sich zum Fastenbrechen und beziehen auch ältere Mitglieder der Gemeinschaft ein. „Die Moschee lädt in normalen Jahren immer zum Fastenbrechen ein, bietet kostenfrei Speisen unterschiedlicher Art. Jeder, der möchte, ist herzlich willkommen“, sagt Ismail Yavuz. In manchen Jahren würden jeden Abend allein in der Moschee am Hammerwerk
zwischen 200 und 250 Speisen ausgegeben – an ein Zusammentreffen so vieler Menschen ist in diesem Jahr aber nicht zu denken.
Die Speisen zum Fastenbrechen werden normalerweise von den Ehrenamtlern der türkisch-islamischen Gemeinde zubereitet. Keine einfache Aufgabe: Denn wer sich ans
Fasten hält, dürfte die Speisen theoretisch beim Zubereiten nicht einmal abschmecken. Was in normalen Jahren für die Großküche gilt, gilt jetzt im kleinen Kreis: Auch Ismail Yavuz möchte sich ans Fasten halten. Er richtet seit einer Woche Teile seines Alltags danach.
Konkret bedeutet das: Yavuz isst und trinkt tagsüber nichts. „Tagsüber“– das bedeutet in etwa von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Auch die Morgendämmerung zählt schon dazu. Der Verein gibt jedes Jahr entsprechende Kalender heraus, an denen sich gläubige Muslime orientieren können. Um morgens noch etwas zu sich zu nehmen, steht Yavuz extra früh auf: Um kurz vor 5 Uhr isst er noch etwas, stärkt sich für den Tag. Bis etwa 20.40 Uhr verzichtet er komplett auf Speisen und Getränke.
„Die Zeiten verschieben sich jeden Tag etwas. Zum Ende des Ramadans am 12. Mai ist Frühstück bis 4.11 Uhr möglich, das Fastenbrechen beginnt um 21.19 Uhr“, sagt der 30-Jährige, der sich seit seiner Jugend am Ramadan beteiligt – mit ein paar Ausnahmen, wie er zugibt: „Wenn zum Beispiel eine Prüfung anstand.“Grundsätzlich ausgenommen vom Fasten seien Kinder, Schwangere oder Menschen, die erkrankt sind.
Corona verändert daran an sich wenig – aber die Stimmung während des Fastenmonats ist anders als sonst, berichtet Yavuz. „Die Gemeinschaft fehlt. Aber die Gesundheit geht vor“, sagt der Grevenbroicher, der gerne mit dem Irrglauben aufräumt, dass Muslime im Ramadan nach Sonnenuntergang die ganze Nacht speisen: Das, worauf man
„Es geht darum, das Bewusstsein zu schärfen, was es heißt, sparsam zu leben“Ismail Yavuz fastet während des Ramadans
tagsüber verzichtet habe, lasse sich nicht auf einmal aufholen, sagt er und erklärt zum Fastenbrechen: „Oft ist man da nach der Vorspeise schon gut gesättigt.“
Der Ramadan, der in diesem Jahr bis zum 12. Mai geht, endet normalerweise mit einem dreitägigen Fest. „Das wird in diesem Jahr wohl ausfallen müssen“, sagt Yavuz. Auch Besuche der Moschee sind angesichts der Infektionslage nur eingeschränkt möglich. „Gebete gibt es nur noch auf Abstand, wir tragen Masken, führen Kontaktlisten zur Nachverfolgung“, sagt der Grevenbroicher. Bisher soll es in der Gemeinde zu keinem Corona-Ausbruch gekommen sein. Das Hygienekonzept vor Ort sieht auch vor, dass Gläubige, die zum Gebet kommen, ihren eigenen Gebetsteppich mitbringen.