Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Gemischte Gefühle in Grenzregionen
Die Niederlande lockern ihre Schutzmaßnahmen, am Niederrhein wächst die Sorge.
DÜSSELDORF Nach vier Monaten strengem Lockdown lockert die niederländische Regierung ab dem 28. April ihre Corona-Schutzmaßnahmen. Stundenweise dürfen Restaurants, Cafés und Geschäfte öffnen, die Gästezahl wird begrenzt und ist auf die Außengastronomie beschränkt. Angesichts einer Inzidenz von aktuell rund 280 scheint das gewagt, meinen Experten.
In den NRW-Grenzregionen wird die Nachricht unterschiedlich aufgenommen. „Seit Beginn der Pandemie kämpfen wir in der Grenzregion mit unterschiedlichen Regelungen und so mit wechselseitigem ‚Tourismus` auf die jeweils andere Seite der Grenze“, sagt Kai Zwicker (CDU), Landrat des Kreises Borken. „Was in normalen Zeiten wirklich wunderbare Nachbarschaft bedeutet, ist dann problematisch.“Umso mehr, seit die Niederlande von der Bundesregierung als Hochinzidenzgebiet eingestuft worden sei. „Gab es vorher Bedenken wegen Einkaufstourismus von Niederländern in Deutschland, befürchten wir jetzt wegen der möglichen Öffnung von Geschäften und Cafés in den Niederlanden Bewegungen in die andere Richtung“, sagt Zwicker.
Der Viersener Landrat Andreas Coenen (CDU) ist zuversichtlich, dass die niederländische Regierung das Risiko gut abgewogen hat. „Entscheidend ist, dass die Lockerungen so gestaltet werden, dass die Menschen weiterhin den nötigen Abstand wahren und das Pandemiegeschehen unter Kontrolle bleibt“, sagt er. Ingo Brohl (CDU), Landrat im Kreis Wesel, möchte das Vorgehen der Niederlande in der Pandemie nicht bewerten. „Hinweise darauf, dass das Pandemiegeschehen in den Niederlanden das Infektionsgeschehen im Kreis Wesel stark beeinflusst, gibt es meiner Kenntnis nach nicht“, sagt er.
Die niederländische Regierung hebt auch die nächtliche Ausgangssperre auf, die seit Januar gegolten hatte. Die Maßnahme hatte zu Ausschreitungen
mit Hunderten Festnahmen geführt. Ab Mitte kommender Woche dürfen die Niederländer wieder zwei Besucher statt bisher nur einen zu Hause empfangen. Das Auswärtige Amt warnt nach wie vor wegen der hohen Infektionszahlen vor nicht notwendigen Reisen in die Niederlande. Wer aus den Niederlanden nach Deutschland reist und umgekehrt, braucht einen negativen Coronatest, der nicht älter als 48 Stunden ist.
Die Gemeinde Gangelt grenzt unmittelbar an die Niederlande. Bürgermeister Guido Willems (CDU) sagt: „Ich halte sehr viel davon, dass Menschen lokal entscheiden können, was sinnvoll ist und was nicht.“Die Lockerungspläne im Nachbarland haben ihn überrascht. „Es wundert mich, weil die Infektionszahlen so hoch sind“, sagt er. „Gleichwohl kann ich verstehen, dass die Menschen eine Perspektive brauchen.“Ob Öffnungen zu diesem Zeitpunkt ein probates Mittel seien, müsse sich zeigen. In Gangelt liegt die Inzidenz derzeit im 30er-Bereich. Willems macht sich keine Sorgen, dass die Gangelter nun zum Shoppen in die Niederlande fahren. „Da vertraue ich auf die Vernunft unserer Einwohner“, sagt er. „Da wir im vergangenen Jahr besonders betroffen waren, geht man hier sehr sorgsam mit dem Thema Corona um.“