Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Gräuelfotos und Katzen-Content
Frankreichs Rechtspopulistin Marine Le Pen ist im Prozess um das Verbreiten von IS-Schockfotos freigesprochen worden. Nur ein Trumpf in ihrer Neuinszenierung.
PARIS Die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen hat einen weiteren, kleinen Sieg errungen. Sie ist in einem Prozess um das Verbreiten von Gräuelfotos Ende 2015 der Terrormiliz Islamischer Staat freigesprochen worden. Die Veröffentlichung kurz nach den Terroranschlägen in Paris auf die Konzerthalle Bataclan, Cafés und das Fußballstadion Stade de France habe einen informativen Zweck gehabt, sei Teil eines politischen Protestes und trage zur öffentlichen Debatte bei, hieß es am Dienstag im Urteil eines Gerichts in Nanterre. Die Veröffentlichung zu kriminalisieren, sei angesichts des Kontextes ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Meinungsfreiheit, heißt es.
Derweil inszeniert sich die Chefin des extrem rechten Rassemblement National zuletzt zunehmend nahbar als schmusende Katzenmama. Im März gab Marine Le Pen der französischen Wochenzeitung „Valeurs Actuelles“mit einer rechten bis extrem-rechten Leserschaft einen der sehr seltenen Einblicke in ihr Privatleben. Sie plauderte über Kindererziehung und präsentierte stolz fünf bengalische Kätzchen. Die nette Geschichte, dekoriert mit einigen Katzenbildern, machte die Runde in mehreren französischen Klatschblättern und beschrieb eine freundliche Frau, die nicht nur das harte Politikgeschäft im Kopf hat. Marine Le Pen hatte ihr Ziel erreicht.
Dass die rechtspopulistische Politikerin tatsächlich ein großes Faible für Katzen hat, ist ein offenes Geheimnis – sie betreibt sogar einen Instagram-Kanal, auf dem sie diese präsentiert. Doch zum ersten Mal in ihrer Karriere versucht sie, einen Vorteil daraus zu ziehen. Denn müssten die Franzosen Le Pen beschreiben, fielen sehr oft die drei Worte: hart, verbissen, rücksichtslos. schreckte sie auch vor politischem Vatermord nicht zurück. Das rechtsradikale Familienoberhaupt wurde von Marine Le Pen kurzerhand aus der Partei geworfen, und der Front National wurde in das weniger aggressiv klingende Rassemblement National (Nationale Sammlungsbewegung) umbenannt.
War es über Jahre ihr Ziel, die Stimmen enttäuschter Konservativer und Linker einzusammeln, kann sie nun auch auf desillusionierte Macron-Anhänger hoffen. Ihre Chancen auf den Wahlsieg stehen so gut wie nie zuvor. Während Le Pen im Mai 2017 in der Stichwahl Emmanuel Macron noch deutlich unterlag, muss der Amtsinhaber diesmal ein Kopf-an-Kopf-Rennen fürchten. Nach Gelbwesten-Protesten und einem Zickzackkurs bei der Pandemiebekämpfung halten rund 60 Prozent der Franzosen Macron für einen „schlechten Präsidenten“. Le Pen schlägt immer wieder in diese Kerbe und warnte jüngst, eine zweite Amtszeit für den Staatschef wäre „das größte Unglück Frankreichs“, soziale Unruhen und Plünderungen wären unausweichlich. Für Le Pen ist auch der jüngste Urteilsfreispruch ein eindeutiger Hinweis dafür, dass sie sich auf dem richtigen Weg befindet. Der soll sie am Ende in den Elysée-Palast führen, den Amtssitz des französischen Präsidenten.