Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Was ein DFB-Chef können muss
Der Fußballverband steckt in einer Führungskrise. Das Anforderungsprofil für einen möglichen neuen Präsidenten.
DÜSSELDORF Über seine Motivation einst gefragt, warum er danach streben würde, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zu werden, offenbarte Reinhard Grindel in einer persönlichen Begegnung eine sehr ehrliche Motivationslage: Auf Augenhöhe mit den Mächtigen des Landes sein. So oder ähnlich war es schon ganz oft in der Geschichte des größten Sportfachverbands der Welt der Fall. Das Streben nach Einfluss stand über der grundsätzlichen Auseinandersetzung, ob eine Eignung für dieses Spitzenamt vorhanden ist. Dazu müsste man aber zunächst definieren, was man will.
Das Amt Als DFB-Präsident repräsentiert man stolze 7,2 Millionen Mitglieder. Also es geht um weitaus mehr als nur die Nationalmannschaft. Wer also an der Spitze steht, darf es nicht als lästige Pflicht ansehen, am Wochenende am Rande eines Kunstrasensplatzes irgendwo in der Republik zu stehen. Das ist das Tagesgeschäft. Öffentlichkeit schaffen für die breite Masse.
Die Erfahrung Um DFB-Präsident zu sein, muss man nicht Vereinsmeier von der Picke auf sein. Es ist allerdings nicht schädlich, wenn man sich der Strukturen bewusst ist und versteht, dass es im Schwerpunkt um die Vertretung einer Organisation geht, die auf dem Fundament des Ehrenamts aufgebaut ist.
Das Geschlecht Darf überhaupt keine Rolle spielen. 2021 ist die Zeit überreif für eine Präsidentin. Zur Wahrheit gehört allerdings auch: aufgrund der bestehenden Strukturen gab es bislang einfach nicht ausreichend Kandidatinnen, die nach ganz oben gedrängt haben. Da muss noch deutlich mehr geschehen, damit der Verband sich diverser aufstellt und wirklich alle Mitglieder gleichermaßen zum Beispiel im Präsidium vertreten sind – nicht nur bezogen auf das Geschlecht, sondern auch in puncto Migrationshintergrund.
Die Stärken Wer das Amt übernimmt, muss im Scheinwerferlicht stehen wollen – aber auch bereit sein, anderen Platz auf der Bühne zu lassen. Er muss Verständnis mitbringen für die ökonomischen Zwänge von Profis und Amateuren gleichermaßen. Also der DFL mit ihren 36 angeschlossenen Profivereinen eine angemessene Spielwiese bieten, dabei aber nicht vernachlässigen, dass die Basis von allem der Amateurklub um die Ecke ist. Diese Wertschätzung muss der Amtsinhaber ausstrahlen und auch leben. Er muss nicht Ex-Profi gewesen sein und Dax-Vorstand. Er muss neugierig sein, vorhandene Strukturen analysieren, bewerten und dementsprechend handeln.
Die Agenda Was will ein DFB-Präsident erreichen? Bisher waren das immer recht unkonkrete Visionen. Der eine (Theo Zwanziger) hat sich angeblich besonders für Frauenfußball eingesetzt, beim anderen (Wolfgang Niersbach) gab es überhaupt kein Programm, ein anderer (Reinhard Grindel) betonte stets, Transparenz sei ihm besonders wichtig – man ahnt es, woran er am Ende gescheitert ist. Das Problem: die meisten DFB-Präsidenten haben sich komplett verstrickt im Versuch, allen gleichermaßen gefallen zu wollen, ohne auch nur im Ansatz deutlich zu machen, was sie überhaupt erreichen wollen. Deshalb müssten direkt zum Antritt klare Ziele formuliert werden.
Die Machtverteilung Deutschland ist im Weltfußball mittlerweile bei weitem nicht mehr so einflussreich, wie noch in den 1980er-Jahren. Damals schaffte es der Verband durch seine Stiftungen einerseits international viel Gutes zu tun und anderseits sich dadurch auch der Unterstützung der Verbände sicher zu sein. Heutzutage verteilt die Fifa die Gaben und der jeweilige Präsident sichert so seine Macht ab. Der DFB hat immer wieder andere Kräfte aufs internationale Parkett geschickt – ein Fehler. Der Verband bräuchte einen Außenminister aus der Liga
Karl-Heinz Rummenigge oder Philipp Lahm für diese Aufgaben. Unmöglich, dass eine Person alleine den Spagat zwischen Aschenplatz in Kerpen und Menschenrechten in Katar schafft.
Die Strukturen Der DFB steckt schon Mitten in einem Transformationsprozess und ist gerade erst am Anfang. Die Kommerziellen Bereiche müssen noch deutlicher abgegrenzt werden – mit einem Geschäftsführer oder Vorstand an der Spitze. Der DFB hat seine Finger in vielen Bereichen im Spiel, verdient das meiste Geld noch immer über die Vermarktung der Nationalmannschaft. Was will und muss man sich aber künftig leisten? Wie viele Abteilungen sind dafür nötig? In den vergangenen Jahren ist einiges unkontrolliert gewachsen. Der neue DFB-Präsident muss auch da Ordnung reinbringen.