Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Lese-Ideen aus dem Bücherschrank
Wer auf der Suche nach neuer Lektüre ist, kann im Neusser Bücherschrank stöbern. Aber lohnt sich das? Fünf Stichproben.
NEUSS Es ist der Zufall, der am Bücherschrank entscheidet: Spontan hat der 45-jährige Marc mit seinem Rad davor Halt gemacht. „Ich schaue gerne in solche Schränke hinein“, sagt er. Gefunden hat er auch etwas: Ein Lesebuch von Heinrich Böll. Einmal, so erinnert sich der Düsseldorfer, hat er darin drei ganz neue Reclam-Ausgaben von Aristoteles gefunden. „Das war außergewöhnlich, um Philosophisches oder Wissenschaftliches zu entdecken, muss man schon Glück haben“, sagt er.
Er ist nicht der einzige, der sich den Schrank in der Neusser Innenstadt an jenem Nachmittag genauer ansieht. Immer wieder bleiben Passanten stehen, lassen mal mehr mal weniger ausgiebig den Blick über die Regale schweifen, nehmen eine Ausgabe heraus oder ziehen buchlos weiter. Wer hierher kommt, ist meist nicht auf der Suche nach etwas Bestimmtem. Und genau das macht den Reiz aus: An jenem Nachmittag ist der Bücherschrank an der Haltestelle „Am Markt“gut gefüllt. Krimis lehnen an Liebesromanen, Sachbücher stehen neben längst vergessener Belletristik und ein Handbuch verspricht, einen „echt einfachen“Umgang mit einer PC-Datenbank aus dem Jahr 1997. Die Auswahl inspiriert, auch einmal Unbekanntes zu testen.
Bärbel Friese-Bast hatte dabei schon öfters Glück: Da war zum Beispiel der Roman, in dem ein Mann in Leinenschuhen um die Welt spaziert ist, der Titel will ihr zwar nicht mehr einfallen, doch hätte sie die Geschichte nachhaltig beeindruckt. Als Vielleserin ist sie immer auf der Suche nach neuem Lesestoff und wenn sie ihre Bücher nicht mehr braucht, gibt sie sie in der Glasvitrine ab. „Es ist schön zu wissen, dass das eigene Buch wieder in gute Hände kommt“, erzählt sie, „ein Buch entsorgen, das könnte ich nie.“
Den Nachhaltigkeitsgedanken wissen auch Hajo und Silvie Hamann zu schätzen. „Man schmeißt schon genug weg“, sagt Silvie Hamann. Die beiden planen den Bücherschrank häufig bei ihren Spaziergängen ein, mal geben sie Bücher ab, ein anderes Mal stöbern sie darin. An jenem Tag nehmen sie ein Buch mit, das Ideen für kreative Geldgeschenke liefert. Zwar sind auf dem Cover noch D-Mark-Scheine abgebildet. Doch: „Das macht nichts“, sagt Silvie Hamann, „die Ideen kann man ja trotzdem umsetzen.“
Rund 250 Bücher passen in die Vitrine. Wie vielseitig das ständig wechselnde Angebot ist, zeigt eine Stichprobe.
Der Klassiker: „Der Tod in Venedig“Lange muss man nicht suchen, um einen Klassiker in dem Bücherschrank zu finden. An jenem Tag war es “Der Tod von Venedig” von Thomas Mann. Wer die Novelle bereits kennt oder kein Fan von ihr ist, muss das Buch jedoch nicht gleich zur Seite legen: Auch andere Erzählungen des Schriftstellers sind darin zu finden – die Länge der Texte ist ideal, um sich eine kurze Leseauszeit zu nehmen. Vielleicht auf einer sonnigen Bank im Park? Danach
kann das Buch wieder zurückgebracht oder behalten werden.
Der Krimi: „Aufruhr in Oxford“Der Roman, der dort im Bücherschrank auf seine Leser wartet, gilt als einer der bedeutendsten Werke der britischen Kriminalliteratur: Geschrieben wurde er von Dorothy L. Sayers. Und darum geht's: Ungewöhnliche Dinge ereignen sich in dem Mädchencollege Oxford: Obszöne Briefe werden verschickt, Bücher und Manuskripte zerstört und dann baumelt eines Tages bedrohlich eine durchbohrt Puppe an einem Balken. Weil die Vorkommnisse diskret behandelt werden sollen, bittet die Dekanin eine ehemalige Absolventin, die sich einen Namen als Krimiautorin gemacht hat, um Unterstützung. Doch als die Schriftstellerin beinahe Opfer eines Mordversuchs wird, schaltet sie einen Amateurdetektiv
ein.
Kinder- und Jugendbuch: „Ein Mädchen kommt ins Landschulheim“Die Auswahl an Kinder- und Jugendbüchern war an jenem Tag spärlich, doch nach einigem Stöbern kam eine Internatsgeschichte zum Vorschein. Leona kommt aus gutem Haus und hat so einige Probleme, sich dort in die neue Gemeinschaft einzufinden. „Ein Mädchen kommt ins Landschulheim” ist zum ersten Mal 1977 erschienen und dürfte bei einigen Bücherschrank-Lesern nostalgische Gefühle wecken. Doch auch für heutige Teenager kann die Lektüre spannend sein, geht es dort auch um den zeitlosen Wert der Freundschaft.
Nicht gesucht, aber gefunden: „Die Feuerzangenbowle“Wer kennt sie nicht, die Geschichte rund um die Feuerzangenbowle, bei der ein Erwachsener auf die Idee kommt, seine Schulzeit nun richtig zu erleben. In seiner Jugend wurde er nämlich nur von einem Privatlehrer unterrichtet und hat all das verpasst, was das Schülerleben ausmacht. Es folgen allerhand Streiche, die nicht nur die Schule gehörig auf den Kopf stellen. Bekannt ist die Komödie vor allen Dingen als Verfilmung mit Heinz Rühmann – in dem Bücherschrank bekommt man die Gelegenheit, den zugrundeliegenden Roman von Heinrich Spoerl zu lesen.
Der Bestseller: „Eat Pray Love“Ebenfalls als Film bekannt ist „Eat, Pray, Love“, eine Bestsellerverfilmung, die auf der Autobiografie von Elizabeth Gilbert beruht. Liz lebt in New York und auch wenn sie ein Leben hat, das von außen „perfekt” scheint, ist sie unglücklich. Als sie sich immer weiter verliert, beschließt sie, zu reisen: Erst nach Italien, wo sie die Freude am Essen wiederentdeckt, dann geht es in ein indisches Ashram und von da nach Bali. Es ist eine Tour, die Liz verändert und die Leser auf eine meditative Reise mitnimmt.