Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Jetzt formiert sich das Reul-Lager

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND MAXIMILIAN PLÜCK

Von einer Verschiebu­ng des CDU-Landespart­eitags in den Herbst hält der einflussre­iche Innenminis­ter nichts. Seine Kollegin Scharrenba­ch bringt ihn als Parteichef ins Spiel.

DÜSSELDORF Die nordrhein-westfälisc­he CDU steuert auf einen kurzen Machtkampf um die Nachfolge von Armin Laschet an der Spitze des mitglieder­stärksten Landesverb­ands zu. Nachdem in den vergangene­n Tagen die Diskussion deutlich an Fahrt gewonnen hatte, weil sich zunehmend ranghohe Mitglieder öffentlich an die Seite des 45-jährigen NRW-Verkehrsmi­nisters Hendrik Wüst gestellt hatten, positionie­rt sich nun das Lager um Innenminis­ter Herbert Reul. Die ebenfalls gehandelte Chefin der Frauen-Union in NRW, Kommunal- und Bauministe­rin Ina Scharrenba­ch, sagte im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Ich bin der Auffassung, dass Herbert Reul in der aktuellen Situation dafür der geeignete Kandidat ist.“

Reul selbst äußerte sich im Gespräch mit unserer Redaktion zwar nicht offen dazu, ob er antreten wolle. Allerdings machte er klar, dass die Partei schnell eine Entscheidu­ng herbeiführ­en müsse. In den vergangene­n Tagen hatte es Berichte des Mediendien­stes „The Pioneer“gegeben, wonach Laschet erwäge, den für Juni geplanten Landespart­eitag in den Herbst zu verschiebe­n, um Zeit zu gewinnen. Argumentat­iv wäre das bei der favorisier­ten Präsenzver­anstaltung problemlos mit Verweis auf den Infektions­schutz möglich. Ein digitaler Parteitag gilt als deutlich aufwendige­r und kostspieli­ger.

Von einer Vertagung der Entscheidu­ng auf die Zeit nach der Bundestags­wahl rät Reul aber klar ab: „Wir haben den Parteitag ein paar Mal verschoben und befinden uns leider in einer Personalde­batte“, sagte er unserer Redaktion. „Die halten wir nicht auf, indem wir den Parteitag noch einmal bis zum Herbst verschiebe­n.“Er halte es für klüger, jetzt eine Entscheidu­ng für die Partei zu treffen. „Dann hat Armin Laschet auch den Rücken frei für den Bundestags­wahlkampf.“

Reul hat zahlreiche Fans in der NRW-CDU; der joviale Minister gilt als begnadeter Strippenzi­eher und hat sich mit einer Null-Toleranz-Politik gegenüber Clans und Kinderschä­ndern ein Law-and-Order-Image zugelegt. Wüst genießt als Chef der Mittelstan­dsvereinig­ung Rückhalt im konservati­ven Wirtschaft­sflügel; mit dem Chef des Sozialflüg­els CDA NRW, Dennis Radtke, ist er seit den gemeinsame­n Tagen in der Jungen Union befreundet. Und auch die Jugendorga­nisation der CDU machte unmissvers­tändlich klar, dass sie sich einen NRW-CDU-Chef Wüst wünscht.

Von einem langwierig­en Machtkampf rät Reul ab: „Wenn wir die Bundestags­wahl und die Landtagswa­hl gewinnen wollen, müssen wir an einem Strang ziehen. Wenn wir uns so wie in den vergangene­n Monaten oder während der Flüchtling­skrise entzweien, goutiert das der Wähler nicht.“Und eingetrübt hatten sich die Umfragewer­te für die CDU zuletzt nicht nur im Bund, sondern auch im Land.

Aus dem Innenminis­ter spricht – wenn auch verklausul­iert – die Enttäuschu­ng über das Vorpresche­n des Wüst-Lagers: „Die Debatte, die jetzt stattfinde­t, hätte nicht sein müssen, weil sie uns als Partei nicht weiterhilf­t. Auch für den Erfolg unseres Spitzenkan­didaten Armin Laschet

ist es wichtig, dass der Laden geordnet ist.“

Doch wie schafft man in einer solchen Situation, in der die Partei derart verunsiche­rt ist, die für einen Ordnungspr­ozess so bitter nötige Ruhe? „Wir brauchen jetzt schnell Klarheit“, sagt der Innenminis­ter. „Armin Laschet kann dazu beitragen, indem er bald sagt, was er will. Aber man muss ihn auch lassen. Die Debatte über die Kanzlerkan­didatenfra­ge war ja noch nicht abgeschlos­sen, da gingen die Debatten in NRW schon los.“

Dass Hendrik Wüst derart forsch zum jetzigen Zeitpunkt den Führungswe­chsel im Land vorantreib­t, hat den Druck auf das Reul-Lager erheblich erhöht. „Meine Hoffnung war und ist, dass es eine Einigung über die Nachfolge gibt. Denn Kandidatur und Gegenkandi­datur und ein damit verbundene­r Streit wären nicht sehr intelligen­t. Ich bin ja Optimist, ich hoffe, dass sich das ordentlich fügt.“Und Reul fügt noch ein paar Weisheiten hinzu: „Ich habe in meinem politische­n Leben gelernt, dass es besser ist, kleinere Dinge zu verspreche­n und die dann einzuhalte­n. Das schätzen die Leute sehr. Und so gewinnt man Vertrauen zurück. Die Leute wollen, dass wir uns kümmern und unsere Arbeit machen.“

Auch wenn ein Reul-Sprecher darauf hinweist, dass es sich um allgemeine Aussagen und mitnichten um einen Verweis auf Wüst handele, wird sich der Verkehrsmi­nister davon trotzdem angesproch­en fühlen, hatte er doch jüngst im Interview mit unserer Redaktion eine ganze Reihe von Vorschläge­n – etwa zur verbindlic­hen Frauenquot­e in Konzernen, Stärkung der Tarifauton­omie, Gentechnik und Generation­engerechti­gkeit – gemacht.

Für eine Austragung des Machtkampf­s bietet sich bereits kommende Woche eine Bühne: Am Montag tagt digital der Landesvors­tand der Partei. Auf der Tagesordnu­ng steht dann unzweifelh­aft die Frage nach der personelle­n Zukunft der CDU in Nordrhein-Westfalen.

 ?? FOTO: KRICK/DPA ?? Die NRW-Minister Hendrik Wüst (l., Verkehr) und Herbert Reul (Inneres) von der CDU unterhalte­n sich nach einer Kabinettss­itzung im August 2020.
FOTO: KRICK/DPA Die NRW-Minister Hendrik Wüst (l., Verkehr) und Herbert Reul (Inneres) von der CDU unterhalte­n sich nach einer Kabinettss­itzung im August 2020.

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