Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
EU-Gericht urteilt gegen Bayer
Im Rechtsstreit um bienenschädliche Insektizide ist der Chemieriese gescheitert. Der EuGH wies Einsprüche gegen Beschränkungen beim Einsatz sogenannter Neonikotinoide zurück. Das trifft den Konzern in ohnehin schwerer Zeit.
BRÜSSEL (dpa/rtr) Der Europäische Gerichtshof hat das teilweise Verbot von bestimmten Insektiziden zum Schutz von Bienen bestätigt. Das Gericht wies am Donnerstag die Berufung des Bayer-Konzerns ab, der damit die Entscheidung eines anderen EU-Gerichts kippen wollte. Das Gericht der Europäischen Union in Luxemburg hatte im Jahr 2018 Beschränkungen beim Einsatz von drei Insektiziden verhängt. Dabei geht es um die Neonikotinoide Imidacloprid von Bayer Crop Science, Clothianidin von Takeda Chemical und Bayer Crop Science sowie Thiamethoxam von Syngenta.
„Bayer ist enttäuscht darüber, dass die wesentlichen Aspekte dieses Falles vom Gericht nicht anerkannt wurden“, sagte ein Sprecher des Leverkusener Pharma- und Chemiekonzerns. „Das Urteil klingt wie ein Freifahrtschein für die Europäische Kommission, bestehende Genehmigungen aufgrund von geringsten Hinweisen zu überprüfen und infrage zu stellen.“Dabei müsse es sich nicht einmal um neue wissenschaftliche Daten handeln.
Die Europäische Kommission hatte im Jahr 2013 EU-weite Auflagen für den Einsatz der drei Wirkstoffe erlassen. Diese werden zur Behandlung von Pflanzen- und Getreidearten verwendet, die Bienen besonders anziehen. Nach den Feststellungen der Kommission gefährden diese Pflanzenschutzmittel die Bienen aber.
Der Bund für Umwelt- und Naturschutz begrüßte das Luxemburger Urteil als Sieg der Vernunft. „Neonikotinoide gefährden Bienen und andere Insekten enorm und sind mitverantwortlich für das dramatische Insektensterben“, erklärte der Umweltverband. „Der Schutz der Artenvielfalt ist absolut unvereinbar mit der Aufhebung des Verbots von hochwirksamen Nervengiften für Bienen und Wildbienen.“Auch Greenpeace begrüßte das Urteil des Europäischen Gerichtshofs.
Die EuGH-Generalanwältin Juliane Kokott hatte im September 2020 Bayer noch Hoffnung gemacht. Damals wies sie darauf hin, dass zwischenzeitlich noch schärfere Auflagen für die beiden Bayer-Produkte eingeführt worden seien; die Zulassung von Clothianidin sei sogar ausgelaufen. „Ein Erfolg des vorliegenden Rechtsmittels oder gar der Klage würde somit Bayer nicht die weitere Vermarktung dieser Wirkstoffe ermöglichen“, schrieb Kokott in ihrem Gutachten für den Prozess vor dem EuGH. Etwaige Schadenersatzansprüche seien verjährt.
Dennoch habe Bayer ein berechtigtes Interesse an rechtlicher Klärung, bemerkte die Generalanwältin damals. Das Unternehmen stelle weitere Pflanzenschutzmittel her und dringe darauf, mögliche Rechtsfehler künftig zu vermeiden. Solche Fehler sah Kokott in dem Teil der Kommissionsentscheidung, der nicht-gewerbliche Anwender der beiden Insektizide betraf. Diese habe sich nicht auf die verfügbaren wissenschaftlichen Kenntnisse gestützt. In diesem Punkt sei das angefochtene Urteil deshalb aufzuheben. Die Empfehlung der Generalanwältin war nicht bindend – das Gericht folgte ihr nicht.
Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs trifft den Bayer-Konzern in einer ohnehin schwierigen Zeit. Fast drei Jahre nach dem ersten Urteil im US-Rechtsstreit um angebliche Krebsrisiken glyphosathaltiger Düngemittel beschäftigt Bayer das Thema noch immer. Wegen Milliarden-Rückstellungen für die Streitigkeiten und hoher Abschreibungen im Agrargeschäft fiel 2020 ein Verlust von mehr als zehn Milliarden Euro an. Mit einem Minus von rund einem Drittel war die Bayer-Aktie 2020 Schlusslicht im deutschen Leitindex Dax. Entsprechend harsch fiel vor wenigen Tagen die Kritik der Aktionäre des Agrarchemieund Pharmakonzerns auf der Online-Hauptversammlung aus.