Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Das Büro für Leichte Sprache übersetzt Informationen für Alle
DORMAGEN Aus einem Anschreiben vom Amt zum Thema Müllentsorgung: „Hinsichtlich der Abfalltrennung und Entsorgung der bei Ihnen anfallenden Abfälle haben Sie die Möglichkeit, die Getrennthaltung am Entstehungsort verschieden zu organisieren und umzusetzen.“
Alles klar? Eben gerade nicht. Und genau da beginnt die Arbeit des Dormagener Büros für Leichte Sprache der Lebenshilfe Rhein-Kreis Neuss. Denn an Satz-Ungetümen wie diesen, scheitern selbst im Umgang mit den Tücken der deutschen Sprache geübte Zeitgenossen. Und wie ergeht es dann erst Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen? Aktionen zum eigentlichen Protesttag für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen, immer am 5. Mai, sollen auf deren Nöte aufmerksam machen. „In diesem Jahr mussten wir besonders kreativ sein, da Präsenzveranstaltungen natürlich nicht stattfinden konnten“, sagt Michaela Holzberg, die das Büro für Leichte Sprache in Dormagen leitet. „Deshalb hatten wir uns für eine Anzeigenkampagne entschieden, in der wir Barrierefreiheit in Bezug auf verständliche Kommunikation für alle fordern. Gesellschaftliche Teilhabe kann nur gelingen, wenn alle Menschen Zugang zu verständlichen Informationen haben.“Zusätzlich zur Anzeigenkampagne beantwortete sie mit ihrem 20-köpfigen Team von Samstag bis Mittwoch am Telefon auch Fragen rund um Corona. „Wir haben genau das getan, was wir am besten können: beraten in leicht verständlicher Sprache.“Dabei richtete sich das Angebot nicht nur an Menschen mit Behinderung, sondern auch an Ältere und Nichtmuttersprachler. Zum Team gehörte bei jeder Schicht neben einem „Übersetzer“auch immer ein „Prüfer“, der die Antworten als Experte „mit Handikap“auf deren Verständlichkeit hin abklopfte.
Das abzuarbeitende Themenfeld ist wahrlich riesig: Ging es während der vergangenen Tage vor allem um grundlegende Fragen zur Inzidenz oder Hygiene, so ist von den Universalexperten im Office übers
Jahr gesehen nicht selten ein mit viel Recherchearbeit verbundenes Spezialwissen gefordert. Doch sie stellt klar: „Es gibt keine dummen Fragen – und wir halten auch niemanden für dumm, nur weil er etwas nicht versteht!“Dabei gilt: Den Luxus „schöner“Sprache kann sich im Kontext von Leichter Sprache niemand leisten. Es geht vielmehr darum, ob Menschen Informationen aufnehmen und verstehen können oder nicht. So sind zum Beispiel nur Hauptsätze erlaubt, keine Nebensätze. Dass Leichte Sprache immer noch mit einem Stigma versehen ist, vermag Michaela Holzberg nicht zu akzeptieren. Sie nimmt viel lieber die Perspektive der Hilfesuchenden ein: „Man kann nicht alles verstehen – und dann freut man sich, dass es Leute gibt, die es einem erklären.“