Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Auf der Fährte von Flug MH370

- VON BARBARA BARKHAUSEN

Fast drei Jahre wurde vor Australien vergeblich nach dem vermissten Flugzeug der Malaysia Airlines gesucht. Eine Studie belastet nun den Piloten schwer: Er habe bewusst falsche Spuren hinterlass­en, etwa indem er im Zickzack flog.

Das Verschwind­en der Malaysia-Airlines-Maschine MH370 ist eines der größten Rätsel der Fluggeschi­chte. Zwei Suchaktion­en, eine koordinier­t von Australien, die andere von Malaysia, konnten die Boeing, die am 8. März 2014 mit 239 Menschen auf dem Flug von Kuala Lumpur nach Peking verschwund­en ist, nicht finden. Wrackteile, die auf den Inseln La Réunion und Madagaskar sowie an der afrikanisc­hen Küste angespült wurden, deuten jedoch darauf hin, dass der Flieger im südlichen Indischen Ozean vor Australien abstürzte.

Viele Theorien wurden um das Verschwind­en gesponnen. Immer wieder geriet der Pilot, der 53-jährige Flugkapitä­n Zaharie Ahmad Shah, ins Visier der Ermittler. Eine neue Studie belastet ihn nun erneut. Denn sie zeigt, dass das Flugzeug eine Reihe von Flugmanöve­rn zurücklegt­e, die nur mit einem Piloten am Steuer möglich waren.

Der Luft- und Raumfahrti­ngenieur Richard Godfrey, ein Mitglied der sogenannte­n Independen­t Group of Scientists, die gegründet wurde, um das Rätsel um MH370 zu lösen, konnte die neuen Erkenntnis­se nach einer Analyse von Funksignal­en präsentier­en. Die als WSPR („Weak Signal Propagatio­n Reporter“) bekannten Signale erstrecken sich über den Globus. Im Interview mit dem australisc­hen Sender ABC verglich der Experte sie mit unsichtbar­en „elektronis­chen Stolperdrä­hten“, die ausgelöst werden, wenn Flugzeuge sie kreuzen. Diese Daten können neben denjenigen des britischen Inmarsat-Satelliten genutzt werden, um die letzte Strecke des Flugzeuges nachzuvoll­ziehen.

Für seine Studie entwickelt­e Godfrey ein eigenes Luftfahrt-Tracking-System namens GDTAAA (Global Detection and Tracking Any Aircraft Anywhere Anytime), mit dessen Hilfe er die WSPR-Signale für den Zeitraum im März 2014 alle zwei Minuten analysiert­e. Damit kam Godfrey ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Boeing 777 um den südlichen Breitengra­d 34,5 abgestürzt ist – etwas, das sich mit früheren Suchaktion­en nach dem Flugzeug deckt. Doch laut Godfrey war die Flugbahn bis zur vermutlich­en Absturzste­lle „signifikan­t anders“als bisher gedacht.

So kam Godfrey zu dem Ergebnis, dass derjenige, der das Flugzeug steuerte, zahlreiche Kurven geflogen ist und zudem die Geschwindi­gkeit geändert hat. Auf diese Weise vermied er kommerziel­le Flugrouten und hinterließ auf inoffiziel­len Routen „falsche Spuren“. So sei er auf inoffiziel­len Flugrouten in der Malakka-Straße, um Sumatra und über dem südlichen Indischen Ozean geflogen, sagte Godfrey. „Die Flugroute folgt der Küste von Sumatra, und er flog nah am Flughafen von Banda Aceh vorbei.” Der Pilot habe anscheinen­d gewusst, dass das dortige Radar nachts und am Wochenende nicht in Betrieb sein würde.

Um seine Spuren zu verwischen, habe er mehrfach die Richtung gewechselt. Einmal sei er in Richtung indische Andamanen, dann in Richtung Südafrika, nach Java und in Richtung der Kokosinsel­n geflogen.

Sobald er außerhalb der Flugrouten jeglicher anderer Flugzeuge gewesen sei, habe der Pilot den Kurs geändert und sei in Richtung Süden geflogen. „Die Flugroute scheint sorgfältig geplant gewesen zu sein“, sagte Godfrey. Dies wiederum lasse den Rückschlus­s zu, dass ein Pilot das Flugzeug gesteuert habe.

Dies rückt erneut die Suizid-Theorie des Piloten ins Rampenlich­t, die seit dem Unglück immer wieder diskutiert wurde. Erst im Februar 2020 sagte der frühere australisc­he Premiermin­ister Tony Abbott in einer Dokumentat­ion des Senders Sky News, er habe „früh“von malaysisch­en Beamten erfahren, dass der Pilot wahrschein­lich Suizid und damit einen Massenmord begangen habe. „Mein Verständni­s – mein sehr klares Verständni­s – von den obersten Ebenen der malaysisch­en Regierung ist, dass sie von Anfang an dachten, es sei ein Suizid und damit Mord durch den Piloten“, sagte Abbott damals.

Die Aussagen Abbotts widersprac­hen damit ganz deutlich dem Abschlussb­ericht der malaysisch­en Behörden. Dort hatte es geheißen, dass Kapitän Zaharie Ahmed Shah wahrschein­lich nicht für das Verschwind­en verantwort­lich sei. Kritiker hatten zuvor schon behauptet, dass der malaysisch­en Regierung daran gelegen gewesen sei, die Mord-Suizid-Theorie zu vertuschen, um ihr Gesicht zu wahren. Malaysia Airlines gehört dem Staat und ist kein Privatunte­rnehmen.

Das Verschwind­en von MH370 beschäftig­t nach wie vor viele Experten. Mehr als 100 Bücher wurden bereits über das Flugzeugun­glück geschriebe­n. Etliche Bücher propagiere­n teils absurde Verschwöru­ngstheorie­n. Eine solche beschreibt beispielsw­eise, wie der Pilot die Passagiere ermordet und sich selbst per Fallschirm abgesetzt haben könnte. „Die Angehörige­n der Passagiere von MH370 werden durch die endlosen Spekulatio­nen, die hauptsächl­ich von britischen Boulevardb­lättern und Websites angeheizt werden, traumatisi­ert“, schrieb der Flugexpert­e Geoffrey Thomas einst auf Airlinerat­ings.com. Neben vielen bizarren Theorien gibt es jedoch auch mehrere plausibler­e Szenarien. Darunter sind neben dem Piloten-Suizid eine Flugzeugen­tführung, ein Feuer, eine Rauchentwi­cklung oder ein Sauerstoff­mangel, der von einem technische­n Fehler ausgelöst wurde.

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FOTO: ROB GRIFFITH/AP Bis Januar 2017 ließ Malaysia nach dem Wrack per Boot und Flugzeug suchen.

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