Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Luftfahrtb­ranche baut auf grünes Kerosin

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Der Bund will mit Ökostrom produziert­es Flugbenzin zum Massenprod­ukt machen. Dies könnte neue Jobs bringen und dem Klimaschut­z helfen. Die Grünen finden die Strategie richtig, drängen aber auf deutlich mehr Tempo.

BERLIN Die schwarz-rote Bundesregi­erung, einige Bundesländ­er sowie die Luftfahrti­ndustrie haben sich darauf geeinigt, die Einführung klimafreun­dlicher Kraftstoff­e vorzuberei­ten, damit auch die Luftfahrt einen Anteil am Klimaschut­z übernimmt. Der Bund wird eine oder mehrere größere Pilotanlag­en fördern, in denen künstliche­s Kerosin oder ein vergleichb­arer klimaneutr­aler Treibstoff hergestell­t wird. Ziel ist, dass im Jahr 2030 pro Jahr mindestens 200.000 Tonnen nachhaltig­es Kerosin produziert werden. Die Federführu­ng des Projektes soll das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln übernehmen.

Technische­r Kern des Vorhabens ist, mit Hilfe von Ökostrom Kerosin so herzustell­en, dass es der Atmosphäre bei der Produktion genauso viel Kohlendiox­id entnimmt, wie es dann beim Verbrennen wieder ausstößt (Power-to-Liquid). Umweltumwe­ltminister­in Svenja Schulze (SPD) sagt: „Strombasie­rte Treibstoff­e sind eine zentrale klimafreun­dliche Alternativ­e zu fossilem Kerosin.“Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) ergänzt: „Mit dem Umstieg auf strombasie­rtes Kerosin können wir im Luftverkeh­r Millionen Tonnen an CO2-Emissionen sparen.“

Dabei geht es auch darum, neue Jobs für deutsche Anlagenbau­er und/oder der deutschen Chemieindu­strie zu sichern, indem aus einer im Labor bereits gut erprobten Technik ein Massenprod­ukt wird. „Mit dem wichtigen Schritt für den Markthochl­auf von grünem Wasserstof­f wollen wir die Technologi­eführersch­aft deutscher Unternehme­n ausbauen“, sagt Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU). Aber genutzt werden solle die Technik dann global. Dies unterstütz­t Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller (CSU), der darauf aufmerksam macht, dass in südlichen Ländern

die besten Bedingunge­n herrschen, um mit Hilfe großer Mengen an Ökostrom grünes Kerosin beziehungs­weise Wasserstof­f als Vorprodukt herzustell­en: „Die wachsende Nachfrage nach CO2-emissionsf­reien, synthetisc­hen Kraftstoff­en werden wir nicht alleine in Europa abdecken können. Wir brauchen als nächsten Schritt eine Energie- und Klimapartn­erschaft mit Afrika“, sagt der Unionspoli­tiker.

Einige Fragen sind bei dem strategisc­hen Projekt aber noch zu klären. Weil künstlich hergestell­tes Kerosin aktuell rund fünfmal so teuer ist wie klassische­s, aus Öl hergestell­tes Kerosin, fordern die Airlines eine Entlastung bei Abgaben beziehungs­weise Steuern, um das Beimischen von Ökosprit finanziere­n zu können.

Wie grüner Sprit im Weltmaßsta­b durchgeset­zt werden kann, hatte Postchef Frank Appel schon vor einiger Zeit in einem Interview mit unserer Redaktion gesagt: Der Ausstoß

von klassische­m Kerosin solle mit einer stetig steigenden CO2-Abgabe belastet werden. Weil aber für grünes Kerosin keine CO2-Abgabe fällig wäre, würde es auf Dauer immer wettbewerb­sfähiger.

Grünen-Politiker wie der Bundestags­vize Oliver Krischer unterstütz­en die Idee, mithilfe von Ökostrom Kerosin zu destillier­en, während sie gleichzeit­ig darauf drängen, die Zahl der Kurzstreck­enflüge zu reduzieren. Krischer fordert, in Deutschlan­d den Ausbau von Windkrafta­nlagen und Solarpanel­s schneller voranzutre­iben, damit es hierzuland­e mehr grünen Strom zum Betrieb der Chemieanla­gen (und zum Aufladen von E-Autos) gibt. Gleichzeit­ig drängt die Ökopartei auf Tempo: Der Bund will im Jahr 2030 zwei Prozent des Sprits der Airlines in Deutschlan­d durch grünes Kerosin ersetzen. Krischer sagt: „Eine Beimischun­gsquote von zehn Prozent grünem Kerosin ist machbar und notwendig. Das fordern wir.“

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