Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Streit um Impf-Intervall
Minister regt kürzeren Abstand zwischen Astrazeneca-Dosen an. Experten raten ab.
DÜSSELDORF Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat angekündigt, dass der Abstand zwischen zwei Astrazeneca-Dosen von zwölf auf vier Wochen verringert werden kann, um Ärzten und Impfwilligen mehr Flexibilität zu ermöglichen. Viele Menschen fragen sich nun, welche Folgen ein geringerer Abstand zwischen den Impfungen für ihren Immunschutz hat. Die Wirksamkeit einer zweimaligen Impfung im Abstand von vier bis acht Wochen liegt laut Studien bei 50,4 Prozent, bei zwölf und mehr Wochen sind es bis zu 82,4 Prozent.
„Es war richtig, die Priorisierungen bei Astrazeneca komplett aufzuheben. Ich persönlich würde allerdings davon abraten, zwischen den beiden Impfungen nur vier Wochen verstreichen zu lassen“, sagt SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach auf Nachfrage unserer Redaktion. Er betont zudem, dass es mit Blick auf eine mögliche Verbreitung weiterer Mutationen wichtig sei, „dass die Impfungen ihr volles Schutzpotenzial entfalten können“.
Spahn hatte die gewonnene Flexibilität unter anderem damit begründet, dass zahlreiche Menschen sich mit Blick auf ihren Urlaub zügig eine vollständige Impfung wünschen. In Bezug darauf sagt Lauterbach: „Ich kann beide Astrazeneca-Impfungen innerhalb von vier Wochen nicht empfehlen. Die Menschen sollten es nicht tun, nur um in den Urlaub fahren zu können.“
Auch bei Ulf Dittmer, Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum in Essen, trifft der Vorstoß
des Bundesgesundheitsministers auf Unverständnis. „Das ergibt keinen Sinn, dann werden von Jens Spahn die Studienergebnisse nicht beachtet. Der optimale Impfzeitpunkt bei einer Erst- und Zweitimpfung mit Astrazeneca liegt bei neun bis zwölf Wochen, das ist lange bekannt“, sagt Dittmer im Gespräch mit unserer Redaktion.
Dittmer verweist dabei auf die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko), die weiterhin einen Zeitraum von zwölf Wochen zwischen beiden Impfungen empfiehlt. „Das sind die größten Impfstoffexperten Deutschlands. Dann kommen plötzlich andere Vorgaben aus der Politik. Die Impfärzte in den Impfzentren kann man teilweise nur noch bedauern. Da draußen herrscht komplette Verwirrung“, ergänzt Dittmer.