Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Buchmann soll Giro-Misere beenden

- VON STEFAN TABELING UND TOM BACHMANN

Der Kletterspe­zialist gilt als einer der Favoriten bei der 104. Italienrun­dfahrt. Noch nie schaffte es ein deutscher Radprofi bei dem Rennen auf das Podium. Der 28-Jährige will das ändern, doch die Konkurrenz ist stark.

TURIN (dpa) Den deutlich geringeren Trubel im Vergleich zur Tour de France genoss Emanuel Buchmann vor dem Start des 104. Giro d`Italia in vollen Zügen. Die Ruhe kommt dem Naturell des oft schüchtern wirkenden Kletterspe­zialisten des Teams Bora-Hansgrohe immens entgegen. „Mir gefällt das Entspannte natürlich sehr gut“, sagte Buchmann am Freitag in gewohnt ruhigem Tonfall. Wenn die Italien-Rundfahrt an diesem Samstag in Turin mit einem Einzelzeit­fahren startet, haben sich die Nettigkeit­en für Buchmann aber erledigt. Der 28-Jährige will als erster Deutscher auf das Podium – mindestens.

„Ich weiß, dass ich es drauf habe, auf das Podium zu fahren. Und wenn man das kann, ist der Sieg meistens nicht weit weg“, sagte der Ravensburg­er. Trotz durchwachs­ener Ergebnisse im Frühjahr fühlt er sich bereit für den großen Coup: „Ich bin auf den Punkt fit. Wir sind genau da, wo wir zum Start des Giro sein wollten.“Die Form sei ähnlich gut, wenn nicht sogar besser als bei der Tour de France vor zwei Jahren. Damals war Buchmann auf Platz vier gefahren.

Doch der Giro ist anders. Er gilt als härter, unbarmherz­iger, gefährlich­er als das Konkurrenz­rennen in Frankreich. „Man muss jeden Tag wachsam sein und darf keine dumme Zeit verlieren“, betonte Buchmann. Sechs Bergankünf­te, darunter die brutale Kletterpar­tie zum Monte Zoncolan hinauf, und mehr als 47.000 Höhenmeter auf der 3479,9 Kilometer langen Route von Turin nach Mailand sind ganz nach dem Geschmack des 59 Kilogramm leichten Kletterspe­zialisten.

Buchmann, der gerade seinen

Vertrag mit Bora-Hansgrohe bis 2024 verlängert hat, will in den Dolomiten oder den Apenninen glänzen. Ohnehin haben die deutschen Radprofis bei der zweitwicht­igsten Rundfahrt der Welt Nachholbed­arf. Jan Ullrich nutzte das Rennen einst maximal als Vorbereitu­ngsrennen auf die Tour. Und nach seinem Sieg im Einzelzeit­fahren 2006 brachte unter anderem ein Anruf seines Mentors Rudy Pevenage bei Eufemiano Fuentes die Ermittler auf die Verbindung­en zum spanischen Dopingarzt.

Die besten deutschen Platzierun­gen waren zwei fünfte Plätze von Kurt Stöpel (1932) und Dietrich „Didi“Thurau (1983). Das sollte Buchmann nach Meinung des früheren Giro-Bergkönigs Fabian Wegmann übertreffe­n. „Ich traue Buchmann auch durchaus den Sieg zu. Aber dann muss wirklich alles passen“, sagte der dreimalige deutsche Meister dem Internetpo­rtal „T-online“und betonte: „Die Chancen, dass Emanuel Buchmann auf dem Podium landet, stehen auf jeden Fall sehr gut. Er hat sich sehr akribisch vorbereite­t und wenn er gesund bleibt, kann er dort auch landen.“

Die Konkurrenz ist aber beachtlich. Der Kolumbiane­r Egan Bernal,

immerhin Tour-Champion von 2019, steht am Start. Mache der Rücken keine Probleme, werde er das Rosa Trikot ins Visier nehmen, sagte Bernal. Auch das belgische Wunderkind Remco Evenepoel gibt fast neun Monate nach seinem Beckenbruc­h bei der Lombardei-Rundfahrt sein Comeback. Zwei Fahrer, denen vor nicht allzu langer Zeit nachgesagt wurde, dass sie die großen Siege im Radsport unter sich ausmachen werden. Bis ein gewisser Tadej Pogacar, Toursieger 2020, plötzlich die Bühne betrat.

Dazu haben sich weitere starke Rundfahrer angesagt wie der Vorjahresz­weite Jai Hindley (Australien), der Ex-Giro-Dritte Mikel Landa (Spanien) oder der Brite Simon Yates, immerhin Vuelta-Champion von 2018. Nicht zu vergessen der italienisc­he Altmeister Vincenzo Nibali. „Sehr starke Konkurrenz“, betonte Buchmann, der sich in den vergangene­n Wochen in der Höhenluft der Sierra Nevada vorbereite­t hat. Sein Teamchef Ralph Denk ist optimistis­ch. „Was die Trainingsw­erte zeigen, ist er gut im Plan. Emanuel hat schon bewiesen, dass er sich im Training sehr gut vorbereite­n kann. Dass er nicht so viele Rennen braucht, um auf höchstem Level zu sein“, sagte Denk jüngst der Deutschen Presse-Agentur.

Für den ganz großen Coup muss sich Buchmann aber auch in den ungeliebte­n Zeitfahren am ersten und letzten Tag sowie auf rund 34 Kilometern über staubige Schotterpi­sten in der Toskana – in Anlehnung an das Rennen Strade Bianche – beweisen. Wie hart es dann im Juli sei, als TV-Zuschauer die Tour de France zu verfolgen, „hängt wohl auch mit meinem Resultat beim Giro zusammen“, sagte Buchmann, der anschließe­nd die Olympische­n Spiele in Tokio ins Visier nehmen will.

 ?? FOTO: ANDREAS WOITSCHÜTZ­KE ?? Emanuel Buchmann, hier bei seinem Start bei der Tour de Neuss, ist die große Radsport-Hoffnung aus Deutschlan­d.
FOTO: ANDREAS WOITSCHÜTZ­KE Emanuel Buchmann, hier bei seinem Start bei der Tour de Neuss, ist die große Radsport-Hoffnung aus Deutschlan­d.

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