Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Die Geschichte einer streitbaren Muslimin
In ihrem Buch nimmt Fatma Akay-Türker die diskriminierenden Lehren des traditionellen Islam auseinander. Eine spannende Abrechnung.
BONN (kna) Vor einem Jahr trat Fatma Akay-Türker als Frauenbeauftragte der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) zurück, aus Protest gegen das patriarchalische Regiment im Verband. Rebellische Frauen wie sie sind selten in diesen Strukturen. Akay-Türker ist gläubige Muslimin und Kopftuchträgerin, aber auch promovierte Historikerin und Kämpferin für eine theologische Islam-Reform. Für sie lassen sich Frauendiskriminierung und Intoleranz nicht mit dem Koran vereinbaren. In „Nur vor Allah werfe ich mich nieder“, das an diesem Samstag erscheint, begründet sie ihren Rücktritt und stellt sich gegen Lehren des traditionellen Islam.
Mit 13 Jahren kommt Akay-Türker 1989 aus der Türkei nach Wien. Statt wie vom Vater gewünscht nach der Hauptschule zu arbeiten, bildet sie sich weiter und beginnt ein Studium.
Die von der Familie arrangierte Ehe mit einem streng konservativen Verwandten beendet sie. „Nie wieder würde ich mich einem Mann so unterwerfen“, schreibt sie. „Das Leben, das ich führte, das Millionen von muslimischen Frauen zwangsweise führen, ist eine Form der Sklaverei.“Später heiratet sie einen Mann, der die Ambitionen der vierfachen Mutter unterstützt.
Das Kopftuch zieht sie mit 18 aus freier Entscheidung an und lässt sich zur Religionslehrerin ausbilden. Zuständig dafür ist in Österreich die IGGÖ, die Akay-Türker 2019 zur Frauenbeauftragten ernennt. Im Obersten Rat ist sie die einzige Frau unter 15 Männern, die ihr den Handschlag verweigern. Von Anfang an stößt sie mit ihrem progressiven Islamverständnis auf den Widerstand der Funktionärsclique um IGGÖ-Chef Ümit Vural. Zwar darf sie einen Frauenrat gründen, der aber kein Mitspracherecht erhält. Akay-Türker wird gemobbt und kaltgestellt. „Sprechen Sie bitte nicht mehr über theologische Angelegenheiten“, habe es geheißen. Nach 18 frustrierenden Monaten erklärt sie den Rücktritt „von meiner Scheinfunktion im Obersten Rat“.
Nach solchen Einblicken in die Strukturen eines großen Islamverbands zerlegt die Autorin systematisch dessen patriarchalische Theologie. Diese gründet aus ihrer Sicht auf erfundenen Hadithen, also Überlieferungen angeblicher Aussagen Mohammeds, und auf einer falschen Lesart des Koran. Damit berührt sie eine zentrale Frage islamischer Reformer: Hat Mohammed tatsächlich verkündet: „Die beste Frau ist diejenige, die dem Befehl ihres Mannes gehorcht“?
Info Fatma Akay-Türkerm, „Nur vor Allah werfe ich mich nieder: Eine Muslimin kämpft gegen das Patriarchat“, Edition A, 224 Seiten, 22 Euro.