Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Gaststätten fehlen als vertraute Treffpunkte
Ein Besuch in einer Gaststätte ist mehr als nur Essen und Trinken. Wir haben Gastronomen gefragt, wie sehr sie ihre Gäste vermissen.
KAARST Seit einem halben Jahr sind die Kaarster Gaststätten wegen der Corona-Maßnahmen zur Eindämmung der Infektionszahlen geschlossen und befinden sich durch den Lockdown in einem bisher nicht gekannten Ausnahmezustand. Und der gilt sowohl für Gastronomen wie für Gäste: ein frisch gezapftes Bier zu trinken, schmackhaftes Essen zu genießen, Freunde und Bekannte zu treffen – das alles fehlt gewaltig. Josef Köhlings von der Gaststätte „Bischofshof“in Holzbüttgen differenziert die Sehnsucht der Gäste sogar nach Geschlechtern: „Frauen vermissen den Kneipenbesuch noch mehr als Männer“, sagt er und lacht. Denn die Damen unterhalten besonders viele Stammtische und könnten nun diese Geselligkeit nicht pflegen: „Diese Treffen gibt es leider nicht“, meint Köhlings, seit 40 Jahren als Gastwirt tätig.
Die aktuelle Situation bezeichnet er als „Katastrophe“ohne Lösungsansatz: Das Essensangebot zum Mitnehmen sei nur ein Behelf, auf den man sich nicht verlassen könne. Denn entweder passiere tagelang kaum etwas oder es sei so viel zu tun, dass die Gäste Wartezeiten in Kauf nehmen müssten. Für Köhlings wäre die Öffnung der Außengastronomie wenigstens ein Lichtblick. Und was passiert mit dem wertvollen Gerstensaft? Hier hat Josef Köhlings die Zusage der Brauerei, die bei einer Wiedereröffnung des „Bischofhofs“das bis dahin gelagerte Bier zurücknimmt und neues liefert. Die Gäste stellen auf jeden Fall stets dieselbe Frage: „Wann geht die Tür zum Bischofshof wieder auf?“Bei der Antwort muss Köhlings passen.
Ganz ähnlich ist die Situation im Haus Broicherdorf der Familie Johnen: „Essen to go unter der Woche wird sehr wenig bestellt, nur die Spareribs am Montag laufen gut. Am Wochenende gibt es dann mehr Bestellungen“, berichtet Theresa Johnen. Auch die regelmäßig wechselnde Speisekarte weckt beim Start das Interesse, das nach einer gewissen Zeit aber wieder abflaut. Zwischendurch hört Theresa Johnen bei Kontakten mit Gästen immer wieder die Frage, die die große Sehnsucht nach einem Gaststättenbesuch spiegelt: „Wir vermissen euch – wann öffnet ihr wieder?“. Aber auch Theresa Johnen kann sie natürlich nicht beantworten.
Neben dem Verzicht auf kulinarische Freuden ist für die Gäste die schmerzlichste Konsequenz, dass ein vertrauter Treffpunkt fehlt, wie Martina und Klaus Ressenig erklären: „Im Haus Broicherdorf trifft man bei einem Stammtisch immer
Freunde und Nachbarn zum gemütlichen Quatschen und zur Pflege von Kontakten“, sagt das Ehepaar. Nebeneffekt: leckeres Essen und „vernünftige“Getränke genießen. Das Angebot des Außer-Haus-Verkaufs haben Martina und Klaus Ressenig auch schon mal genutzt, aber das ist eben nicht dasselbe: „Man sitzt ja trotzdem zu Hause“, so Martina Ressenig. Die Geselligkeit wird sehr vermisst und die Öffnung des Außenbereichs wäre zumindest wieder eine Option.
Das „Frankenheim“in der Kaarster Stadtmitte bietet erst gar keinen Außer-Haus-Verkauf an. „Das würde sich nicht lohnen“, sagt Inhaberin Yvonne Lüttges. Auch sie vermisst ihre Gäste, wird beim Einkaufen oft angesprochen und gefragt, wann sie ihre Lokalität endlich wieder öffnet. Kontakt zu ihren Stammgästen hält
Lüttges per Telefon. Anders als ihr Mann Roland geht sie nicht jeden Tag im „Frankenheim“vorbei, um den Arbeitsrhythmus zu wahren. „Ich kann das nicht haben, mir geht es danach nicht gut“, sagt sie. Lüttges selbst arbeitet seit ihrem 16. Lebensjahr in der Gastronomie. „Ich verkümmere zu Hause schon langsam“, sagt sie.
Die Zwangspause nutzen Lüttges und ihr Mann, um die Terrasse für die Außengastronomie vorzubereiten, die hoffentlich bald wieder öffnen kann. Auch Michael Schreinermacher, Inhaber des „Papalapub“und des „Alten Rathaus“, hat seine Läden renoviert. „Die Leute wollen endlich wieder raus und haben Lust auf einen geselligen Abend“, sagt Schreinermacher: „Die Leute können es kaum erwarten, bis wieder schönes Wetter ist.“