Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Gaststätte­n fehlen als vertraute Treffpunkt­e

- VON ELISABETH KELDENICH UND STEPHAN SEEGER

Ein Besuch in einer Gaststätte ist mehr als nur Essen und Trinken. Wir haben Gastronome­n gefragt, wie sehr sie ihre Gäste vermissen.

KAARST Seit einem halben Jahr sind die Kaarster Gaststätte­n wegen der Corona-Maßnahmen zur Eindämmung der Infektions­zahlen geschlosse­n und befinden sich durch den Lockdown in einem bisher nicht gekannten Ausnahmezu­stand. Und der gilt sowohl für Gastronome­n wie für Gäste: ein frisch gezapftes Bier zu trinken, schmackhaf­tes Essen zu genießen, Freunde und Bekannte zu treffen – das alles fehlt gewaltig. Josef Köhlings von der Gaststätte „Bischofsho­f“in Holzbüttge­n differenzi­ert die Sehnsucht der Gäste sogar nach Geschlecht­ern: „Frauen vermissen den Kneipenbes­uch noch mehr als Männer“, sagt er und lacht. Denn die Damen unterhalte­n besonders viele Stammtisch­e und könnten nun diese Geselligke­it nicht pflegen: „Diese Treffen gibt es leider nicht“, meint Köhlings, seit 40 Jahren als Gastwirt tätig.

Die aktuelle Situation bezeichnet er als „Katastroph­e“ohne Lösungsans­atz: Das Essensange­bot zum Mitnehmen sei nur ein Behelf, auf den man sich nicht verlassen könne. Denn entweder passiere tagelang kaum etwas oder es sei so viel zu tun, dass die Gäste Wartezeite­n in Kauf nehmen müssten. Für Köhlings wäre die Öffnung der Außengastr­onomie wenigstens ein Lichtblick. Und was passiert mit dem wertvollen Gerstensaf­t? Hier hat Josef Köhlings die Zusage der Brauerei, die bei einer Wiedereröf­fnung des „Bischofhof­s“das bis dahin gelagerte Bier zurücknimm­t und neues liefert. Die Gäste stellen auf jeden Fall stets dieselbe Frage: „Wann geht die Tür zum Bischofsho­f wieder auf?“Bei der Antwort muss Köhlings passen.

Ganz ähnlich ist die Situation im Haus Broicherdo­rf der Familie Johnen: „Essen to go unter der Woche wird sehr wenig bestellt, nur die Spareribs am Montag laufen gut. Am Wochenende gibt es dann mehr Bestellung­en“, berichtet Theresa Johnen. Auch die regelmäßig wechselnde Speisekart­e weckt beim Start das Interesse, das nach einer gewissen Zeit aber wieder abflaut. Zwischendu­rch hört Theresa Johnen bei Kontakten mit Gästen immer wieder die Frage, die die große Sehnsucht nach einem Gaststätte­nbesuch spiegelt: „Wir vermissen euch – wann öffnet ihr wieder?“. Aber auch Theresa Johnen kann sie natürlich nicht beantworte­n.

Neben dem Verzicht auf kulinarisc­he Freuden ist für die Gäste die schmerzlic­hste Konsequenz, dass ein vertrauter Treffpunkt fehlt, wie Martina und Klaus Ressenig erklären: „Im Haus Broicherdo­rf trifft man bei einem Stammtisch immer

Freunde und Nachbarn zum gemütliche­n Quatschen und zur Pflege von Kontakten“, sagt das Ehepaar. Nebeneffek­t: leckeres Essen und „vernünftig­e“Getränke genießen. Das Angebot des Außer-Haus-Verkaufs haben Martina und Klaus Ressenig auch schon mal genutzt, aber das ist eben nicht dasselbe: „Man sitzt ja trotzdem zu Hause“, so Martina Ressenig. Die Geselligke­it wird sehr vermisst und die Öffnung des Außenberei­chs wäre zumindest wieder eine Option.

Das „Frankenhei­m“in der Kaarster Stadtmitte bietet erst gar keinen Außer-Haus-Verkauf an. „Das würde sich nicht lohnen“, sagt Inhaberin Yvonne Lüttges. Auch sie vermisst ihre Gäste, wird beim Einkaufen oft angesproch­en und gefragt, wann sie ihre Lokalität endlich wieder öffnet. Kontakt zu ihren Stammgäste­n hält

Lüttges per Telefon. Anders als ihr Mann Roland geht sie nicht jeden Tag im „Frankenhei­m“vorbei, um den Arbeitsrhy­thmus zu wahren. „Ich kann das nicht haben, mir geht es danach nicht gut“, sagt sie. Lüttges selbst arbeitet seit ihrem 16. Lebensjahr in der Gastronomi­e. „Ich verkümmere zu Hause schon langsam“, sagt sie.

Die Zwangspaus­e nutzen Lüttges und ihr Mann, um die Terrasse für die Außengastr­onomie vorzuberei­ten, die hoffentlic­h bald wieder öffnen kann. Auch Michael Schreinerm­acher, Inhaber des „Papalapub“und des „Alten Rathaus“, hat seine Läden renoviert. „Die Leute wollen endlich wieder raus und haben Lust auf einen geselligen Abend“, sagt Schreinerm­acher: „Die Leute können es kaum erwarten, bis wieder schönes Wetter ist.“

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ARCHIV: SEEG Die Gäste des „Frankenhei­m“sehnen sich nach einem Glas Bier auf der Terrasse. Im Mai 2020 war der Außenberei­ch mit Einschränk­ungen geöffnet.

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