Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Neues Dorf mit alten Traditione­n

- VON KURT LEHMKUHL

Garzweiler sei nach der Umsiedlung ein eigenständ­iges Dorf geblieben, habe Traditione­n bewahrt: Das sagen Heinz Kunze, der mehrere Umsiedlung­en betreut hat, und Heinz-Dieter Königs von der Interessen­gemeinscha­ft Garzweiler.

GARZWEILER Garzweiler ist in der Diskussion um das Aus für die Braunkohle bundesweit ein Begriff, damit ist der Tagebau gemeint. Doch Garzweiler ist eben auch ein Ort, der in den 80er Jahren den Baggern weichen musste, neu aufgebaut wurde. Es hat fast die Zeitspanne einer Generation gebraucht, bis das Dorf annähernd wieder die frühere Einwohnerz­ahl erreicht hat. Zu Beginn der Umsiedlung 1984 lebten rund 1100 Menschen im alten Ort. Jetzt wird diese Zahl wieder erreicht.

Garzweiler ist ein eigenständ­iges Dorf geblieben, hat seine Schützenun­d Karnevalst­radition erhalten. Das meinen Heinz Kunze, der viele Jahre bei der Gemeinde gearbeitet hat, und Heinz-Dieter Königs, Vorsitzend­er der Interessen­gemeinscha­ft Garzweiler. Kunze hat 24 Jahre lang bis 2010 Umsiedlung­en bei der Gemeinde betreut, erst in Garzweiler, später in Otzenrath, Spenrath und Holz.

Rund 70 Prozent der Einwohner hatten sich bei der bis 1989 dauernden Umsiedlung dazu entschloss­en, im neuen Garzweiler ihre neue Heimat zu finden, erinnert sich Kunze, der selbst in Garzweiler lebt. Er hat die Umsiedlung ebenso hautnah miterlebt wie Königs.

Ursächlich für den Einwohners­chwund war vornehmlic­h die Abwanderun­g der Landwirte, für die am neuen Ort nicht ausreichen­d Ackerfläch­e zur Verfügung stand. „Rund 30 Landwirte haben das alte Garzweiler mit ihren Höfen als Bauerndorf geprägt“, meint Kunze. „Davon konnte keiner mitkommen.“– „Bauernhöfe, Toreinfahr­ten, Fachwerkhä­user gibt es nicht“, erläutert Königs. Es sei ein Merkmal des neuen Dorfes, dass es eine einheitlic­he Baustruktu­r gebe. Er hat Verständni­s dafür, dass sich die Infrastruk­tur im Dorf gewandelt hat. So gibt es in Garzweiler noch eine Bäckerei und eine Gaststätte. „Andere

Geschäftsl­eute haben inzwischen altersbedi­ngt aufgehört.“Garzweiler ist zu einem Dorf geworden, in dem es sich ruhig leben lässt, viele Menschen sind aus dem Umland dorthin gezogen. „Sie haben dazu beigetrage­n, dass wir wieder den alten Einwohners­tand haben.“

Die Zeit der Umsiedlung sei einschließ­lich der Planung eine spannende Zeit gewesen, sagt Kunze. Die Dorfbewohn­er hätten ohne Neiddebatt­e an einem Strang gezogen. „Wichtig war, dass wir einen Umsiedlung­sausschuss hatten, in dem es keine Politiker und Parteien gab, sondern nur Menschen, die vor einer gemeinsame­n Herausford­erung standen.“Die sei bewältigt worden, darin sind sich Kunze und Königs einig. „Garzweiler ist nach wie vor ein eigenständ­iges Dorf“, sagen sie. Sie sind durchaus stolz auf das Erreichte. „Man identifizi­ert sich mit dem Dorf“, sagt Königs. Der Markt mit Kirche, Pfarrzentr­um und Kindergart­en und dem zentralen Kreuz ist das ruhige Zentrum, zu dem auch die Peter-Giesen-Halle gehört, Giesen war Bürgermeis­ter in Garzweiler, später in Jüchen. Königs und Kunze betonen die Bedeutung des Alt-Bürgermeis­ters bei der Umsiedlung. „Er hat immer wieder den Zusammenha­lt gefördert, und er hat den richtigen Weg gefunden, als er von der harten Konfrontat­ion mit RWE abriet, auf Kooperatio­n setzte.“Bei ihm hätten sich die Bürger aufgehoben gefühlt. Protestakt­ionen

habe es damals nicht gegeben.

Die aktuellen Proteste gegen die Braunkohle­gewinnung würden keine negativen Auswirkung­en auf ihr Dorf haben. „Garzweiler ist nicht Hambach“, sagt Königs. „Unser Ort ist nicht mit dem Tagebau gleichzuse­tzen“, ergänzt Kunze.

Einige Erinnerung­sstücke aus dem alten Ort sind mitgewande­rt – Wegekreuze etwa oder zwei Stützpfeil­er der alten Kirche, die im Pfarrzentr­um verbaut wurden. Dörfer, so auch Garzweiler, leben aber von den Menschen. Königs ist froh, dass sich Traditione­n erhalten haben. „Die Schützenbr­uderschaft und der Karneval waren tragende Säulen des Gemeinscha­ftslebens im alten Garzweiler und sind es auch im neuen.“

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FOTO: D. STANIEK Rundgang durch Garzweiler mit Heinz Kunze (r.), der 24 Jahre lang bei der Gemeinde Jüchen Umsiedlung­en betreut hat, und Heinz-Dieter Königs von der Interessen­gemeinscha­ft Garzweiler.

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