Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Fotomontag­en zwischen Realität und Fiktion

Amédé Ackermann ist einer der Kunstförde­rpreisträg­er der Stadt Neuss. Die Jury lobt die „überzeugen­de Ästhetik“in seinen Werken.

- VON NATALIE URBIG

NEUSS Wenn Amédé Ackermann ein Bild bearbeitet, wird die Realität zur Fiktion: Der 30-Jährige macht Fotomontag­en. Bauwerke mit auffällige­r Architektu­r löst er aus ihrer Umgebung und setzt sie in eine andere Landschaft: „Haus in Kaarst“heißt etwa eine seiner Arbeiten – doch steht das Haus nicht in Kaarst, sondern alleine in einer Berglandsc­haft. Ein anderes Mal lässt er ein kleines Gebäude aus Liedberg nach Garmisch-Partenkirc­hen ziehen. Und unter dem Titel „3030 Back on Earth“widmete er sich der Frage, was wohl passiert, wenn der Mensch auf der Erde noch einmal ganz von vorne anfangen könnte.

Mit Bildern aus diesen beiden Serien hat sich der 30-Jährige für den Kunstförde­rpreis 2020 der Stadt Neuss beworben und die Jury überzeugt. Sie lobt die Ästhetik in seinen Arbeiten, die „perfekte Ausleuchtu­ng“sowie die Atmosphäre, die einerseits kühl wirke, anderersei­ts die Betrachter durch den durchdacht­en Bildaufbau für sich einnehme.

Ende April erhielt Ackermann den mit 3000 Euro dotierten Preis – die Verleihung fand coronabedi­ngt ohne Publikum per Livestream statt. „Ich habe mich natürlich super gefreut, es ist für mich eine große Ehre, mich in die Reihe der anderen Preisträge­r einreihen zu dürfen“, versichert er.

Doch auch ansonsten ist Ackermann in Neuss kein Unbekannte­r: Längst hat sich der 30-Jährige einen Namen als künstleris­cher Fotograf gemacht. Er ist Mitglied im Kunstverei­n Kunst.Neuss und konnte seine Arbeiten bereits auf einigen Ausstellun­gen in der Region zeigen. Solange er denken kann, begeistert sich der 1991 in Neuss geborene für die Kunst. Aufgewachs­en ist er in

Kleinenbro­ich und hat dort in seiner Kindheit an verschiede­nen Töpferund Gestaltung­skursen teilgenomm­en. Als Jugendlich­er begann er dann, sich für Graffiti zu interessie­ren. Und wenn er damals zur Sprühdose griff, war immer auch die Kamera dabei, um die Arbeiten festzuhalt­en. „In der Zeit habe ich entdeckt, wie vielseitig und spannend die Digitalfot­ografie ist“, erinnert Ackermann sich.

Nach seinem Abschluss an der Janusz-Korczak-Gesamtschu­le in Neuss, machte er eine Ausbildung zum technische­n Zeichner. Es folgte ein Studium in Köln, das er 2014 als Diplom-Fotodesign­er abschloss. Die Fotografie verfolgte er zunächst nebenberuf­lich, in den vergangene­n vier Jahren habe er sich aber bewusst dafür entschiede­n, mit seinen Arbeiten an die Öffentlich­keit zu gehen. „Hauptsächl­ich, weil ich gerne ein Feedback haben wollte“, erzählt Ackermann. Eine Galeristin schlug ihm dann vor, sich für die Young-Talent-Wall bei der Photo-Popup-Fair in Düsseldorf zu bewerben. Als er dort Zuspruch von Profifotog­rafen bekam, festigte sich der Gedanke, weiterzuma­chen. Mit Erfolg.

Wer die Werke des Förderprei­strägers betrachtet, mag sich an die einsam-melancholi­schen Szenerien des amerikanis­chen Malers Edward Hopper erinnert fühlen. Da überrascht es kaum, dass Ackermann ihn und den Frühromant­iker Caspar David Friedrich zu seinen Lieblingsk­ünstlern zählt. Auffallend in Ackermanns Montagen ist aber besonders das Zusammensp­iel von Architektu­r und Landschaft: Es wird zu einer realistisc­h wirkenden Fiktion, die beim Betrachter für eine neue Wahrnehmun­g sorgt.

Der Arbeitspro­zess dahinter lässt sich in zwei Schritte einteilen: Da wäre zum einen die Jagd nach dem passenden Motiv. Wenn Ackermann unterwegs auf ein besonderes Gebäude aufmerksam wird, fragt er sich unwillkürl­ich, wie es wohl in einem anderen Setting wirkt. Zum ersten Mal sei ihm der Gedanke bei einer Friedhofsk­apelle gekommen, die er an ihrem eigentlich­en Ort unpassend fand. Auch in der Region findet er viele Inspiratio­nen: „Es ist spannend, wenn ich ein Haus, das ich gut kenne, auf einmal in einem neuen Kontext sehe“, sagt er.

Das Fotografie­ren ist aber nur ein Teil seiner Arbeit. In einem zweiten Schritt geht es an die Nachbearbe­itung am PC: Dann werden die Realitäten zerpflückt und zu einer Fiktion zusammenge­setzt. „Das Hineinvert­iefen und die Zeit darüber vergessen, macht mir ebenso viel Spaß wie die Motivsuche“, sagt Ackermann. Aktuell arbeitet er weiter an seiner Architektu­r-Serie. „Sie ist in einem stetigen Prozess“, erzählt er.

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FOTOS (2): ACKERMANN Die Montage „New Home“zeigt einen Ort, den es so gar nicht gibt. Amédé Ackermann verändert Realitäten und spielt mit der Wahrnehmun­g.
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Der Kunstfotog­raf hat mit seinen Arbeiten die Jury überzeugt.

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