Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Experten: NRW muss mehr für Klimaschutz tun
Wissenschaftler fordern in einer Landtagsanhörung mehrheitlich ehrgeizigere Ziele und genauere Vorgaben für einzelne Branchen.
DÜSSELDORF Wissenschaftler und Interessenvertreter unterschiedlicher Richtungen haben die schwarz-gelbe Landesregierung von NRW aufgefordert, ihre Anstrengungen für den Klimaschutz deutlich zu verstärken. Der Entwurf für ein neues Klimaschutzgesetz des Landes sei zu unkonkret, hieß es etwa von Seiten der kommunalen Spitzenverbände. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, müsse der individuelle Autoverkehr im Land um 50 Prozent sinken, der Anteil energiefreundlicher Gebäudesanierungen müsse auf zehn Prozent steigen. Aktuell liege er erst bei 1,5 Prozent in NRW.
All dies sei nicht zum Schaden der Wirtschaft – Handwerker etwa würden stark profitieren. „Wenn das Bundesverfassungsgericht einen solchen Beschluss fällt, dann ist es nicht fünf vor Zwölf, sondern fünf nach Zwölf“, mahnte der Kommunalvertreter im Landtag bei einer Expertenanhörung.
Das Bundesverfassungsgericht hatte kürzlich der Klage junger Klima-Aktivisten stattgegeben und das Bundesgesetz zum Klimaschutz in Teilen für verfassungswidrig erklärt. Kurzfristig werde zu wenig gegen den Klimawandel unternommen, weshalb die jüngere Generation von 2030 an größere Lasten tragen müsse. Dadurch würden ihre Freiheitsrechte eingeschränkt.
Bereits vor diesem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts hatte die CDU-/FDP-Landesregierung ein neues Klimaschutzschutzgesetz für NRW entworfen. Laut diesem Ende 2020 vorgelegten Entwurf soll der Treibhausgasausstoß bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent sinken. Die Novelle der Bundesregierung, die Ziele der übergeordneten Ebenen, also von EU und Bund, genau so übernehme. Aufgabe des Landes sei es, die Voraussetzungen für klimafreundliche Geschäftsmodelle zu schaffen – beim Ausbau der erneuerbaren Energien, den Speicherkapazitäten und der Infrastruktur. Insbesondere müssten Genehmigungsverfahren verkürzt werden.
Auch der Düsseldorfer Wirtschaftswissenschaftler und Regulierungsexperte Justus Haucap sieht noch großes Innovationspotenzial, insbesondere bei Energiepeichern, im Verkehr und im Luftverkehr.
Die Ökonomin Ulrike Stein vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung bemängelte, dass soziale Auswirkungen überhaupt nicht thematisiert worden seien. Die Landesregierung müsse steigende Mieten und Nebenkosten abfedern, um die gesellschaftliche Akzeptanz des Klimaschutzes nicht zu gefährden. Stein schlug einen Klimabonus analog zum Pandemie-Familienbonus vor.
Dirk Jansen vom Bund für Umweltund Naturschutz in NRW sieht in dem vorliegenden Entwurf gar einen „Angriff auf die Generationengerechtigkeit“. Die Landesregierung habe den Ausbau der erneuerbaren Energien gekappt und kümmere sich nicht um die Versorgungssicherheit. Jansen forderte einen Kohleausstieg in NRW vor 2030 statt wie bisher geplant 2038.
NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) hatte jüngst Bereitschaft signalisiert, die Verschärfung des Bundes auch auf Landesebene mitzutragen und den Gesetzesentwurf der Landesregierung auf 65 Prozent Einsparungsziel zu verschärfen.