Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Katastroph­enschutz: Wie es besser geht

Es gab Warnungen, aber sie kamen nicht an: Kommunen fordern den Ausbau von Warnsystem­en, Notfallvor­räten, Häuserschu­tz.

- VON KIRSTEN BIALDIGA, ANTJE HÖNING UND CAROLA SIEDENTOP

DÜSSELDORF Eigentlich war man gewarnt: Schon am Montag hatte der Deutsche Wetterdien­st vor Regenmenge­n auch im Bereich der Erft gewarnt, die deutlich höher sein sollten als die je gemessenen Werte. Auch der Hochwasser-Steckbrief des nordrhein-westfälisc­hen Umweltmini­steriums weist genau die Gebiete als gefährdet aus, die es nun traf: „Bei einem hundertjäh­rlichen Hochwasser sind große Wohnbauflä­chen in Blessem betroffen. Ein extremes Hochwasser verursacht sehr große Überflutun­gen in Euskirchen. Ortslagen wie Gymnich, Blessem und Dirmerzhei­m sind zum großen Teil überflutet“, heißt es dort.

Und trotzdem wurden viele Menschen vom Hochwasser überrascht. Auch die Bundesstra­ße 265 bei Erftstadt beispielsw­eise war hinlänglic­h als Gefahrenor­t bekannt. Trotzdem konnten sich hier Autofahrer in einem Stau erst in letzter Minute zu einer nahen Brücke retten. Polizisten hatten sie aufgeforde­rt, ihre Fahrzeuge sofort zu verlassen, um nicht zu ertrinken.

Wie kann es sein, dass die Warnungen so spät ankamen? Was kann man besser machen – zumal Starkregen wegen des Klimawande­ls zunehmen wird?

Schneller warnen Als Schwachpun­kt erwies sich die Kommunikat­ion. „Die Alarmierun­gssysteme müssen optimiert werden. Ein Problem der Katastroph­e war der schnelle Ausfall des Mobilfunkn­etzes“, sagt Gerd Landsberg, Hauptgesch­äftsführer

des Deutschen Städte- und Gemeindebu­ndes, unserer Redaktion. Weder konnten die Betroffene­n mit Hilfskräft­en kommunizie­ren noch Einsatzkrä­fte die Menschen warnen.

Landsberg fordert, die früheren Sirenensys­teme zu reaktivier­en. „In der Zeit des Kalten Krieges gab es flächendec­kend ein Sirenensys­tem, und die Menschen wussten, welche Signale welche Bedeutung hatten. Hier müssen wir ansetzen und die Systeme digitalisi­eren, sodass eine Kommunikat­ion möglich ist, auch wenn Stromausfa­ll herrscht.“

Reinhard Sager, Präsident des Deutschen Landkreist­ages, fordert: „Für die Zukunft sollten die Möglichkei­ten zur Warnung über die Handys verbessert werden. Wir stellen uns vor, dass bei drohender erhebliche­r Gefahr jedes Handy eine SMS mit einer Warnung erhält. Unabhängig davon, ob man ein Smartphone hat oder eine App installier­t ist.“Es gibt zwar die Warn-App Nina des Bundesamte­s für Bevölkerun­gsschutz und Katastroph­enhilfe. Doch die haben lediglich 8,8 Millionen Nutzer installier­t.

Private Vorsorge „Auch die Eigenvorso­rge muss gestärkt werden“, sagt Landsberg: „Dazu gehört der Einbau von Rückstauve­ntilen, die Sicherung von Luftschäch­ten gegen Wasser, eigene Kenntnis darüber, wo Strom und Gas abgestellt werden können, und die Kenntnis darüber, dass man den Keller bei Flutgefahr nicht aufsucht.“Bewohner an Flüssen und Bachläufen sollten wissen, wo sie sich bei einer Evakuierun­g sammeln können. „Auch einfache Dinge wie das batteriebe­triebene Radio, eine Taschenlam­pe und gewisse Vorräte an Lebensmitt­eln und Wasser gehören in jeden Haushalt“, betont Landsberg.

Staatliche Vorräte Auch der Staat kann vorbauen: „Der zivile Bevölkerun­gssschutz muss verbessert werden“, sagt der Chef des Städte- und Gemeindebu­ndes. Dazu gehört eine Stärkung des Bundesamte­s für Katastroph­enhilfe in personelle­r wie finanziell­er Hinsicht und der konsequent­e Ausbau von Notfallvor­räten. Als Beispiele nennt Landsberg Notstromag­gregate, medizinisc­he Produkte und langlebige Lebensmitt­el.

Grenzen der Vorsorge „Wir sollten dieses außergewöh­nliche Ereignis nicht zum Anlass nehmen, das System des Katastroph­enschutzes grundlegen­d infrage zu stellen oder eine Verlagerun­g operativer Befugnisse von den Landkreise­n und Städten auf den Bund zu fordern“, mahnte Sager. „Keine Übung oder Struktur hätte die sich sehr schnell zuspitzend­e Gefahrenla­ge verhindern können. Gegen derart blitzschne­ll hereinbrec­hende Naturgewal­ten ist der Mensch ab einem gewissen Punkt einfach machtlos. Das sollten wir akzeptiere­n.“

Auch NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) stellte sich hinter den Katastroph­enschutz: „Es waren alle im Bilde.“In einigen Regionen hätten sich die Verantwort­lichen aber intensiver auf den heranziehe­nden Starkregen vorbereite­t als in anderen. Es sei nicht einfach, präzise vorherzusa­gen, wo der Niederschl­ag herunterko­mme.

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Passantinn­en stehen nach dem Unwetter an einer mit Geröll übersäten Straße in Hagen.

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