Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Theatermacher mit Pinsel
Philipp Fröhlich machte sich vor allem in Spanien einen Namen. Nun widmet ihm die Kunsthalle Barmen in Wuppertal erstmals eine Ausstellung in seiner deutschen Heimat.
WUPPERTAL In Spanien ist der Künstler Philipp Fröhlich sehr bekannt. Die renommiertesten Galerien Madrids verkaufen seine Gemälde. Als dort seine legendäre Galeristin Soledad Lorenzo altersbedingt aufgibt, wechselt er zu Juana de Aizpuru – sie ist heute die erste Adresse im dortigen Kunstbetrieb. In den ersten Jahren seines Schaffens, als der heute 45 Jahre alte Maler noch in Madrid wohnt, wechseln seine großformatigen Bilder zu hohen Preisen den Besitzer. Der eine oder andere Prominente zählt zu den Erwerbern, bis die Pandemie den Kunstbetrieb lahmlegt. Seitdem hat er wenig verkauft.
In Deutschland, wo er geboren und aufgewachsen ist und von 1996 bis 2002 an der Kunstakademie in Düsseldorf studierte, ist Fröhlich so gut wie unbekannt. Bislang ist nur ein einziges seiner Bilder in seinem Herkunftsland gezeigt worden. Jetzt ändert sich das: Zum ersten Mal stellt er in Wuppertal aus. Fröhlich zeigt dort 27 große Bilder in Öl auf Leinwand sowie etliche Ölskizzen, die seit 2017 entstanden sind. Noch bis zum 1. August sind seine Werke in der Ausstellung des Kunst- und Museumsvereins Wuppertal in der Kunsthalle Barmen zu sehen.
Die Werke gehören zum Zyklus „Märchen“. Fröhlich malt beinahe fotorealistisch. Aber eben nur beinahe. Seine Motive erkennt jeder Betrachter auf Anhieb wieder. Etwa die Szene aus Hänsel und Gretel, als Gretel der Hexe den Stoß gibt, sodass diese weit in den Ofen hineinfährt. Auf Fröhlichs Bild mit dem großen Format von 195 mal 275 Zentimetern sind die eiserne Tür des Ofens, die gleißende Glut, die Hexe und die stoßende Gretel zwar im Mittelpunkt. Die Figuren sind jedoch nur schemenhaft zu sehen. Dafür sind das welke Laub auf dem Waldboden und der abziehende schwarze Qualm umso deutlicher. Wären es Fotografien, so würde man sagen, der Künstler Fröhlich arbeite viel mit Schärfe und Tiefenschärfe als Stilelement.
Bei seinem „Märchen“-Zyklus wählt Fröhlich bewusst jeweils ein Narrativ, das jeder kennt. Bei Motiven aus der Bibel darf sich der Künstler da nicht mehr so sicher sein. Wohl aber bei den Märchen. Im anspruchsvoll gestalteten Katalog zur Ausstellung kann man die von ihm herangezogenen Geschichten nachlesen. So vollzieht der Leser nach, was Fröhlich mit der „Vielschichtigkeit“der Märchen meint, die ihn so fasziniert: „Die Geschichten finden auf mehreren Ebenen statt, und viele Märchen erhalten sich eine erstaunliche Offenheit.“Die Botschaft, so Fröhlich, sei nicht immer so klar ersichtlich. So gehe es in Hänsel und Gretel auch um Täuschung und Wirklichkeit, aber auch um „Hunger, Urängste der Kinder und ihre Überwindung“, „Emanzipation, Brüderlichkeit und Egoismus“.
Seine Tochter Henriette stand Modell, seine Frau Esther und er selbst sind in vielen Bildern zu erkennen. Die Körperhaltung, ihre Gestik ist perfekt getroffen. Fröhlichs Arbeitsweise ist ungewöhnlich. Er, der gelernte Bühnenbildner, baut erst Modelle, gestaltet sie räumlich. Vielfach fotografiert er, bevor er in seinem Atelierhaus zum Pinsel greift, wo unten die Werkstatt und oben das Atelier untergebracht sind. Fröhlich kam – wenn man so will – erst über den zweiten Bildungsweg zur Malerei. Eigentlich ist er ein Theatermacher.
Fasziniert von Bühne, Oper, Gesang und Inszenierung ist er schon als Heranwachsender. Er dient sich früh als Statist dem Wuppertaler Theater an und will Bühnenbildner werden. An der Düsseldorfer Kunstakademie landet er und studiert Bühnenbild bei dem großen Karl Kneidl, den er bis heute verehrt: Kneidl ist – so Fröhlich – „überhaupt der erste richtig durch und durch künstlerische Mensch, den ich getroffen habe“. Kneidl macht Fröhlich zu seinem Meisterschüler und nimmt ihn mit als persönlichen Assistenten. Besonders beeindruckt Fröhlich, als er 2002 an den Hamburger Kammerspielen erlebt, wie Regisseur Peter Zadek, Bühnenbildner Kneidl und erstklassige Schauspieler das Stück „Bash“in Szene setzen.
Fröhlich ist ein äußerlich gelassener Perfektionist. Als er 2002 mit dem Studium fertig ist, erkennt er, dass er im deutschen Bühnenbetrieb nicht problemlos wird anknüpfen können an das Niveau, das er mit Zadek und Kneidl erlebt hat.
Er nennt es selbst seine „Flucht vor dem Theater“, als er 2002 sein altes Auto vollpackt und ohne Spanischkenntnisse nach Madrid geht. Dabei hat sich der Bühnen-Passionierte als Maler viel bewahrt vom Theater. Der Kurator Martin Germann schreibt über Fröhlich: „Der ausgebildete Bühnenbildner folgt quasi in jedem neuen Werk der Arbeit eines Regisseurs.“Es ist nicht irgendein Regisseur, der die Anweisungen gibt. Der Regisseur ist Fröhlich selbst. Er macht Notizen, fertigt Vorstudien, lässt von seinem Gehilfen Modelle für das spätere Bild bauen, beschäftigt sich intensiv mit Lichteinfall, Bildplanung und Perspektive. Und wenn er eine Ausstellung macht, so wie jetzt in Wuppertal, kümmert er sich um jedes Detail. Sein Gestaltungswille ist so umfassend, dass selten jemand widerspricht.
2016, nach 15 Jahren in Madrid, zieht Fröhlich mit seiner spanischen Frau und Tochter nach Brüssel um. Er hat dort der Witwe eines belgischen Malers das kleine Haus samt dahinterliegendem Ateliergebäude abgekauft und es renoviert. Sechs Tage die Woche wird gearbeitet. Ein Nine-to-five-Job im Atelier. Warum ausgerechnet Brüssel? So genau weiß Fröhlich das selbst nicht zu sagen. Er wollte zurück nach Mitteleuropa. Zurück nach Deutschland kam nicht infrage. Fröhlich will vorankommen und nicht zurück.