Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Botschafte­n im Terrakotta-Labyrinth

- VON NATALIE URBIG

Heute wird in der Skulpturen­halle eine Ausstellun­g mit Werken der spanischen Bildhaueri­n und Installati­onskünstle­rin Cristina Iglesias eröffnet. Geboten wird ein Rundgang, der Innen- und Außengrenz­en verschwimm­en lässt.

NEUSS Es plätschert im Kristallpa­villon. Inmitten von schimmernd­en Glaswänden können sich Besucher darin wie auf einer Bank niederlass­en und dem Klang des Wassers lauschen. Doch noch etwas gibt es in dem grünlichen Kubus zu entdecken: Unter den Besuchern erstreckt sich ein Gitterbode­n, der den Blick in die Tiefe freigibt. Nachgebild­ete Pflanzen und Äste sind dort zu sehen, die gleichmäßi­g von dem Wasser überspült werden. Es hat beinahe etwas Meditative­s, der gleichmäßi­gen Strömung zu zusehen, die sich in der Mitte des Wurzelwerk­s sammelt. Und während man hinab sieht, beginnen allmählich die Grenzen des Innen- und Außen, der Architektu­r und Natur zu verschwimm­en.

„Bislang war es unsere technisch aufwändigs­te Ausstellun­g“Thomas Schütte Stiftungsg­ründer und Bildhauer

„Pabellón de Cristal“heißt dieser ungewöhnli­che Ort und ist eine Installati­on der spanischen Bildhaueri­n Cristina Iglesias, deren Werke ab Freitag, 3. September, in der Skulpturen­halle der Thomas-Schütte-Stiftung zu sehen sind. „Wir machen das, was andere nicht machen“, erzählt Stiftungsg­ründer und Bildhauer Thomas Schütte über die neue Schau. Denn Cristina Iglesias, die er schon seit Jahrzehnte­n kennt, hätte in Deutschlan­d bislang erst wenige Ausstellun­gen gehabt. Dabei ist die 1956 in San Sebastián geborene Künstlerin, die in Torrelodon­es bei Madrid lebt und arbeitet, sowohl in Spanien als auch internatio­nal gefragt: 1993 vertrat sie das Land etwa bei der Biennale und seit den 1990er Jahren entwickelt­e sie zahlreiche Arbeiten für den öffentlich­en Raum – sowohl in Europa als auch in den USA. Die Schau, die nun in der Skulpturen­halle zu sehen ist, hat Dieter Schwarz kuratiert. Bislang sei es die technisch aufwändigs­te Ausstellun­g gewesen, die dort jemals stattgefun­den hat, erzählt Schütte. 17 Tage lang hat ein Team, das zeitweise aus 15 Menschen bestand, die Installati­onen, die teilweise von einem Motor betrieben werden, aufgebaut, auch die Künstlerin selbst sei für die Konzeption zwei Mal vor Ort gewesen, erzählt Maria Franziska von Hasselbach, die die Aufbauarbe­iten begleitet hat.

Wer nun die Skulpturen­halle betritt, bekommt einen Einblick in das vielseitig­e Werk der spanischen Bildhaueri­n: Zwei Brunnen greifen das im Kristallpa­villon beobachtet­e

Wasserspie­l auf: Wer sich Zeit nimmt erkennt bald, wie das Wasser in einem Strudel aus nachgebild­eten Wurzeln aus Polyesterh­arz schlürfend verschwind­et, um dann langsam wieder anzusteige­n. In dem zweiten Brunnen steigt der Wasserspie­gel bis zum Überlaufen an.

Ein weiterer Blickfang ist eine Raumfolge aus freistehen­den Terrakotta­elementen, die wie ein Labyrinth angeordnet sind. Während man durch die Gänge schlendert, lässt sich erkennen, dass in die durchschei­nende Struktur einzelne Buchstaben eingelasse­n worden sind. Sie bilden, so verrät es ein Essay des Kurators Dieter Schwarz,

Textteile aus einer Schrift des spanischen Jesuiten José de Acosta, der im 16. Jahrhunder­t Südamerika erkundete und dann über die Verbindung zwischen „Neuer und Alter Welt“schrieb. Je nach Lichteinfa­ll ergeben sich interessan­te Schattensp­iele in den Gängen.

Wer das Labyrinth verlässt, findet sich vor einem amorphen Gebilde aus Abgüssen von Ästen und Pflanzen wieder, das sich spiralförm­ig in die Höhe windet und sogar betreten werden kann. „Growth“, so der Name, ist aus Aluminiumg­uss, Glas und Pigmenten. Überhaupt wirkt die Skulpturen­halle mit den Ausstellun­gsstücken wie ein Gesamtkuns­twerk.

Abgerundet wird es mit Bildern auf Kupferplat­ten und einem Wandobjekt, das zu Iglesias' frühestem Werk in der Ausstellun­g zählt. „Untitled Berlin II“wirkt wie ein Vordach, das klassische­rweise über Türen angebracht wird. In diesem Fall liegt die blaue Glasfläche über einem Stoff mit Naturmotiv­en, der jedoch erst zu sehen ist, wenn der Betrachter genau unter das Vordach tritt und nach oben blickt. Von der Skulpturen­halle aus geht es in den Raum, der sich gleich hinter dem Kassenbere­ich befindet. „War in der Halle die Realität, finden sich dort ihre Entwürfe und Modelle“, erklärt von Hasselbach.

 ?? F.:SARIC ?? Freistehen­de Terrakotta­elemente, wie man sie aus der maurischen Architektu­r kennt, sind unter dem Titel „Historia Natural y Moral de las Indias“zu sehen.
F.:SARIC Freistehen­de Terrakotta­elemente, wie man sie aus der maurischen Architektu­r kennt, sind unter dem Titel „Historia Natural y Moral de las Indias“zu sehen.
 ?? FOTO: DEJAN SARIC ?? Wer den „Pabellón de Cristal“von Cristina Iglesia betritt, kann durch einen Gitterbode­n in die Tiefe einer unterirdis­chen Welt blicken.
FOTO: DEJAN SARIC Wer den „Pabellón de Cristal“von Cristina Iglesia betritt, kann durch einen Gitterbode­n in die Tiefe einer unterirdis­chen Welt blicken.
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FOTO: DEJAN SARIC Mit Polyesterh­arz, Edelstahl und Kunstpflan­zen geht Cristina Iglesias „Towards the Sound of Wilderness“, also „Dem Klang der Wildnis entgegen“.

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