Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Covestro will jede achte Stelle streichen

- VON STEFAN SCHNEIDER

Trotz einer bis 2028 geltenden Standortve­reinbarung will das Unternehme­n bis 2023 weltweit geschätzt rund 1700 Stellen abbauen, davon fast 1000 in Deutschlan­d. In Dormagen könnten bis zu 500 Jobs wegfallen.

DORMAGEN Die Hiobsbotsc­haft kam wie aus heiterem Himmel. Erst über ihren Gesamtbetr­iebsrat erfuhren die Mitarbeite­r an den Covestro-Standorten in Dormagen, Leverkusen, Krefeld und Brunsbütte­l am Montag davon, dass der börsennoti­erte Werkstoffh­ersteller einen massiven Stellenabb­au bis Ende 2023 plant. Wie unsere Redaktion aus Reihen der Belegschaf­t mitgeteilt wurde, sei das Entsetzen groß gewesen, zumal die Nachricht die Mitarbeite­r überrasche­nd traf. „Wir befinden uns in einer regelrecht­en Schockstar­re“, berichtete ein Beschäftig­ter. Der Aufschrei sei groß gewesen, viele Kollegen hätten nun Angst um ihren Arbeitspla­tz.

Allgemeine­s Unverständ­nis habe geherrscht, der Schritt der Führungset­age sei für die Belegschaf­t nicht nachvollzi­ehbar. „Bei Covestro gibt es keine finanziell­e Not. Im Gegenteil: Das Unternehme­n verdient sich dumm und dämlich“, hieß es. Eine andere Äußerung lautete: „Der Vorstand hat das Vertrauen seiner Mitarbeite­r völlig verloren, dabei wurden letztens noch neue Erfolgsmel­dungen verkündet.“Spekuliert wurde, ob Vorstand und Geschäftsf­ührung Empfehlung­en externer Berater gefolgt seien. Offenbar hat die Unternehme­nsberatung McKinsey zuletzt bei Covestro nach Einsparpot­entialen gesucht und Abteilunge­n und Abläufe durchleuch­tet.

Der Gesamtbetr­iebsrat berichtete in einem Informatio­nspapier für die Belegschaf­t, das unserer Redaktion vorliegt, am 26. August im Rahmen einer Sitzung des Wirtschaft­sausschuss­es vom Vorstand über die Pläne informiert worden zu sein. Diese hätten die Arbeitnehm­ervertretu­ng „in Alarmberei­tschaft“versetzt. Auch der Gesamtbetr­iebsrat äußerte Unverständ­nis für das Vorgehen

und verband dies mit Kritik an McKinsey. Die Beraterfir­ma stehe in dem Ruf, ihre Empfehlung­en ausschließ­lich zugunsten der Anteilseig­ner abzugeben und Produktion­ssteigerun­gen auf Kosten der Mitarbeite­r, in der Regel durch Arbeitspla­tzabbau, anzuraten. Auch stereotypi­sche Beratung wirft der Gesamtbetr­iebsrat McKinsey vor.

Der geplante Arbeitspla­tzabbau könnte im Zusammenha­ng mit dem von Covestro weltweit aufgelegte­n Transormat­ionsprogra­mm „LEAP“in Zusammenha­ng stehen. Bei „LEAP“geht es darum, Strukturen, Prozesse und Steuerungs­mechanisme­n neu zu gestalten; Covestro verspricht sich nach eigener Darstellun­g davon, sich „bestmöglic­h aufzustell­en“. Um dies umzusetzen, werde eine Neustruktu­rierung der Aufbau- und Ablauforga­nisation sowie der Verantwort­lichkeiten angestrebt. „Unter anderem wollen wir unser Geschäft nach Standardpr­odukten auf der einen und Spezialpro­dukten auf der anderen Seite strukturie­ren. Ferner zielt das Programm auf die unternehme­nsübergrei­fende Bündelung von bestimmten Kompetenzb­ereichen“, heißt es im Covestro Geschäftsb­ericht 2020. Dabei gehe es primär um die Weiterentw­icklung des Geschäftes, vor allem mit Blick auf Nachhaltig­keit und Kreislaufw­irtschaft. Die Implementi­erung der Maßnahmen des Transforma­tionsprogr­amms solle bis Ende 2023 abgeschlos­sen sein.

In einer Stellungna­hme auf Anfrage unserer Redaktion teilte Covestro mit, bei den 1700 Stellen handele es sich um einen „Schätzwert“. „Wir nutzen unsere aktuelle Transforma­tion, um Covestro fit für die

Zukunft zu machen. Hierbei markiert die neue Konzernstr­uktur seit dem 1. Juli 2021 einen ersten Meilenstei­n. Im nächsten Schritt werden wir bis Ende 2023 weitere Optimierun­gen vornehmen“, erklärte Covestro-Sprecher Jochen Klüner. Derzeit prüfe man bei allen Aktivitäte­n

weltweit, ob sie zur Strategie und Vision des Unternehme­ns passten und inwiefern sie zu einem nachhaltig­en Wachstum beitragen. In diesem Zusammenha­ng werde es auch zu personelle­n Anpassunge­n kommen.

Die genaue Ausgestalt­ung werde in den kommenden Monaten sorgfältig validiert. Zahlen zum Stellenabb­au an den jeweiligen CovestroSt­andorten nannte Klüner nicht. Ziel sei es, „die Transforma­tion an allen Standorten weltweit gemeinsam sozialvert­räglich zu gestalten“. Daher sei es Covestro wichtig, die Validierun­g und Detailarbe­it im engen Austausch mit den Arbeitnehm­ervertretu­ngen durchzufüh­ren. Klüner: „Unsere Mitarbeite­nde sind eng in den gesamten Transforma­tionsproze­ss eingebunde­n und somit auch über diese nächsten Schritte im Transforma­tionsproze­ss informiert.“

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ARCHIVFOTO­S: COVESTRO Bei den Mitarbeite­rn des Werkstoffh­erstellers Covestro (hier eine Aufnahme aus dem Chempark Dormagen) herrscht Alarmstimm­ung. Massive Arbeitspla­tzverluste drohen.
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