Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Ärzte warnen vor Ende der Maskenpflicht
In den Schulen könnte der Mund-Nase-Schutz wegfallen. Kritik gibt es unter anderem von Schülern und Lehrern. Die nordrhein-westfälische Landesregierung will spätestens am Donnerstag eine Entscheidung verkünden.
DÜSSELDORF Lehrer, Mediziner und Schüler warnen vor einer Aufhebung der Maskenpflicht in nordrhein-westfälischen Schulen. „Der Maskenfall zum jetzigen Zeitpunkt ist einfach zu früh“, sagte die Landesvorsitzende des Philologenverbands, Sabine Mistler, unserer Redaktion und fügte hinzu: „Wir sollten kein unnötiges Risiko eingehen, denn Präsenzunterricht ist weiterhin wichtig und notwendig – und die Infektionszahlen steigen, auch unter Schülerinnen und Schülern.“Nicht nur die Lernrückstände müssten aufgeholt, auch der aktuelle Lehrplan müsse erfüllt werden: „Der Druck ist ohnehin schon groß, und er steigt mit einem Anstieg von Quarantänen und hohen Krankenständen bei den Schülerinnen und Schülern. Hinzu kommen die psychosozialen Probleme.“
Frank Bergmann, Chef der Kassenärztlichen Vereinigung (KV ) Nordrhein, mahnte die Landesregierung
eindringlich, an der Maskenpflicht festzuhalten: „Wohl wissend, dass Kinder und Jugendliche grundsätzlich ein geringeres Risiko für einen schwereren Krankheitsverlauf aufweisen, erscheint der aktuelle Zeitpunkt für ein Beenden der Schutzmaßnahmen in Schulen denkbar ungünstig, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuell deutlich steigenden Inzidenzen und der damit verbundenen Dynamik des Infektionsgeschehens in den Regionen“, sagte Bergmann.
NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) und Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatten vor den Herbstferien angekündigt, noch diese Woche eine Entscheidung zu treffen. Bundesländer wie Bayern und Baden-Württemberg hatten die Maskenpflicht vor den Herbstferien aufgehoben; die Inzidenzen unter Schülern stiegen zuletzt stark.
Der designierte nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) mahnte am Wochenende zur Vorsicht: „Wir sehen ja jetzt die Entwicklung der Corona-Zahlen.“Die Landesregierung werde in den nächsten Tagen noch einmal sehr genau beobachten, wie die Entwicklung sei. „Unsere Tendenz in der Landesregierung war, ist und bleibt, immer den Gesundheitsschutz so hoch zu halten, wie er sein muss, und die Einschränkungen der Menschen so niedrig zu lassen, wie es eben geht“, sagte Wüst auf dem Landesparteitag der CDU und ergänzte: „Jetzt müssen wir uns das wirklich in der laufenden Entwicklung ganz genau anschauen, was möglich ist.“
Selbst die Schüler sind skeptisch: „Wir sehen den Schritt kritisch, weil wir steigende Inzidenzzahlen haben und die jüngeren Schüler noch ungeimpft sind“, sagte Johanna Börgermann, Vorstandsmitglied der Landesschülervertretung, unserer Redaktion. Viele Zwölf- bis 17-Jährige hätten sich noch gar nicht impfen lassen können. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass ausgerechnet in der Gruppe, in der die Inzidenz besonders hoch ist, nun die Masken fallen sollen“, sagte Börgermann.
Stefan Behlau vom Verband Bildung und Erziehung (VBE), der auch Grundschullehrer vertritt, sagte unserer Redaktion: „Die Vorsicht zum Schulbeginn ist richtig. Letztlich muss es darum gehen, die Kontinuität im Schulleben aufrechtzuerhalten.“Die Schüler verdienten es, in der Schule ohne Unterbrechungen zu lernen – wenn möglich, auch ohne Maske: „Wichtig ist, dass eine Aufhebung der Maskenpflicht nicht zu mehr Quarantänefällen führen darf.“
SPD-Gesundheitsexperte und Epidemiologe Karl Lauterbach forderte ebenfalls das Festhalten an der Maskenpflicht: „Nordrhein-Westfalen sollte die Maskenpflicht an Schulen angesichts der steigenden Inzidenzen beibehalten. Masken sind für die vierte Welle von großer Bedeutung, auch in den Schulen“, sagte er unserer Redaktion: „Schulschließungen sind für die Kinder und Jugendlichen ein Problem, nicht aber die Masken.“Lauterbach verwies auf das Beispiel Japan: Das Land zeige mit einer konsequenten Maskenpflicht, dass die vierte Welle auch ohne Lockdown bekämpft werden könne.
Im Schulministerium hieß es, spätestens am Donnerstag würden die Schulen informiert, wie es weitergehen soll, „im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Infektionslage“, wie auch das NRW-Gesundheitsministerium betonte.
Leitartikel